Bedingt durch den Klimawandel erleben wir ständig neue Wetterextreme. In diesem Sinne hat ein Forschungsteam aus den Vereinigten Staaten festgestellt, dass in den Bergregionen der Nordhalbkugel folglich deutlich stärkere Regenereignisse eintreten werden [4]. Aufgrund der globalen Erwärmung werden Schneeereignisse abnehmen und Regenereignisse zunehmen. Diese Veränderung sei unmittelbar.
Global betrachtet mehren sich dadurch sowohl Hochwasserereignisse als auch Dürren. Und die Ereignisse überschlagen sich: Lange anhaltende Dürre, dann plötzlicher Starkregen, der die Abflussleistungen des Bodens und der Rinnen überfordert. Gemeinsam mit dem Problem der Versiegelung weiter Flächen und der ungenügenden Retention ist das Problem angerichtet. Nicht nur, dass Wildbäche reißerische Kräfte entwickeln, es mehren sich die Hochwasserereignisse, Hänge geraten aufgrund der hohen Wassersättigung und des hydrostatischen und hydrodynamischen Druckes ins Rutschen, Naturgefahren stehen an und es sind oftmals nicht nur Sachobjekte, sondern auch Menschenleben bedroht.
Beim Thema Wasserhaushalt spielen verschiedene Faktoren zusammen: Erstens, natürlich, die Klimaerwärmung. Zweitens, damit zusammenhängende Extremsituationen, nämlich extreme Dürre und extreme Hochwassersituationen. Drittens, unser deutlich gestiegener Wasserbedarf. Es kommt folglich nicht von ungefähr, dass sich die Lage zunehmend zuspitzt und Gegenstrategien notwendig werden, auch in einem Land wie Südtirol, das allgemein für seinen Wasserreichtum bekannt ist.
Wasserbau und Wasserwirtschaft sind nicht unabhängig vom menschlichen Bauen, von Infrastrukturen, von Strategien gegen Naturgefahren zu denken, schon gar nicht unabhängig von ökologischen Betrachtungen unserer Gewässer, Fließgewässer und des Grundwassers, des Wasserhaushalts und des Wasserrückhalts, der Vegetation und der Landwirtschaft. Und letztlich der baulichen Strategien gegen Hochwasser als passive und aktive Interventionen gegen Naturgefahren.
Bevor von Wasserversorgung die Rede ist, muss der derzeitige und künftige Wasserverbrauch kritisch analysiert werden. Der Wasserverbrauch in bestimmten Wirtschaftszweigen kann unter Umständen optimiert werden. Durch Verwendung und Sammlung von Niederschlagswasser und Wasseraufbereitung ist Wasser dem Wasserkreislauf zurück zu führen, das heute vielfach nicht verwendet wird. Der konsequente Schutz des Bodens und des Grundwassers birgt Perspektiven.
Die Planung und der Bau der Infrastruktur müssen darauf ausgelegt sein, auch im Notfall eine entsprechende Versorgung gewährleisten zu können. Da uns aber grundsätzlich Situationen zur Verfügung stehen, in denen die Niederschlagsmengen den maximal möglichen Abfluss übersteigern, ist es an der Zeit, der Wasserrückhaltung mehr Gewicht zu geben, um eine zusätzliche Resilienz gegenüber Niederschlagsschwankungen zu gewährleisten.
Prinzipiell bewirkt die Wasserrückhaltung oder Retention die Entlastung des Abflussnetzes bei Hochwasserereignissen, sodass Entwässerungsspitzen ausgeglichen werden und das Niederschlagswasser zeitlich verzögert durch Ablauf, Bindung in der Vegetation oder Versickerung im Erdreich an die Umgebung abgegeben wird.
Neben der Retention erfolgt die Rückhaltung konzentriert in Speicherbecken.
„Speicheranlagen mit sehr großem Inhalt werden in Form von Talsperren angelegt. Durch ein Sperrenbauwerk wird das Tal abgesperrt und das zufließende Wasser gesammelt. Trinkwassertalsperren sind meist Mehrzweckanlagen, d. h. sie dienen nicht nur der Wasserversorgung (Ausgleich der Jahres-Verbrauchsschwankungen, Absetzbecken und Abkühlen durch entsprechende Entnahmetiefe für Oberflächenwasser), sondern aus Umwelt- und Kostengründen auch allgemeinen wasserwirtschaftlichen Interessen (wie z. B. Hochwasserschutz, Niedrigwasseraufhöhung der Vorflut für das unvermeidbare Einleiten von geklärtem Abwasser unterhalb der Talsperre, Erhöhung der Wasserführung
für die Schifffahrt, Stromerzeugung)“ [1].
Weil alles Wasser fließt und einen Wasserhaushalt bildet, gilt es, die längerfristigen Auswirkungen jeder einzelnen Maßnahme zu bewerten und die ökologischen Folgen zu beachten. Wasser sparen und Verluste minimieren ist auf jeden Fall ein Gebot der Stunde.
Bevor wir das Klima in 100 Jahren retten wollen und die Herausforderungen vergessen, die vor der Tür stehen, gilt es, sich mit dem Thema Hochwasservorsorge zu befassen. Hochwasservorsorge beginnt bestenfalls in einem frühen Stadium und umfasst den Erhalt und die Pflege der Fließgewässer sowie die Schaffung von Versickerungs- und Retentionsräumen. In unserer modernen Welt, in welcher wir die Natur in immer engere Schranken verbannen und die menschliche Bautätigkeit darauf ausgelegt ist, dass die Natur sich nicht mehr von selbst regeln kann, wachsen die Probleme um ein Vielfaches.
Neben dem Wasserrückhalt, den biologischen und ingenieurbiologischen Möglichkeiten, um Versickerungsflächen zu schaffen und Hänge und Böschungen natürlich zu sichern – nebenbei entstehen natürliche Räume mit einer hohen Biodiversität ! – gilt es, in der Bauordnung und in den Bauleitplänen die Gefahrenzonen entsprechend auszuweisen. Besteht ein bestimmtes Risiko, gilt es – je nach Risiko – entweder auf baulicher Seite Vorkehrungen gegen die Gefahr zu treffen oder auf kollektiver Seite Schutzbauwerke zu schaffen.
Darüber hinaus sind die Vorkehrungen, die den Zivilschutz betreffen und Feuerwehr, Einsatzkräfte und medizinische Versorgung betreffen, entsprechend abzustimmen.
Die Möglichkeiten, die der technische Hochwasserschutz umfasst, sind begrenzt, allerdings im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung detailliert auf statistisch zu erwartende Hochwasserereignisse abzustimmen.
Zu den technischen Möglichkeiten zählen vorerst Hochwasserschutzlinien in Form von Deichen und Dämmen. Die Deichtrasse und die Deichhöhe sind Inhalt der hydrologischen Bemessung, hinzu kommen hydrogeologische Anforderungen an den Schutz der Böschungen und bodenmechanische Anforderungen an die Deichsicherheit (Durchströmung, Unterströmung, Erosion).
Hochwasserschutzwände bestehen im Gegensatz zu Dämmen, die aus Bodenmaterial bestehen, aus Spundwänden, welche eine Dichtungsfunktion haben. In der Regel bestehen Spundwände aus Stahlprofilen, die im Boden eingespannt werden. Neben ortsfesten Schutzwänden besteht die Möglichkeit, mobile Wände im Ernstfall einzusetzen. Dammbalkensysteme bestehen hingegen aus ortsfesten Schutzanlagen (Hochwasserschutzdeiche, Hochwasserschutzmauern), welche durch Tore, Durchgänge oder Nischen unterbrochen sind, um bei normalen Wasserständen einen freien Zugang zum Gewässer zu ermöglichen und im Ernstfall eine mobile Verbauung zu ermöglichen. Das Hochwasserschutzsystem in der Wachau, folglich in einem baukulturell sensiblen Gebiet, basiert auf Dammbalkensystemen.
Ebenso auf baulicher Eben erfolgen Eingriffe in die Fließgewässer selbst durch Steigerung der Abflussleistung durch Gerinneaufweitungen, Beseitigung von lokalen Abflusshindernissen, Glättung (Ausbau) des Gerinnes, Erhöhung des Sohlengefälles, Gerinneentlastungen (Ableitungen, Überleitungen, Umleitungen, Abflussaufteilungen).
Literatur:
[1] Peter Fritsch, Werner Knaus, Gerhard Merkl, Erwin Preininger, Joachim Rautenberg, Matthias Weiß, Burkhard Wricke: „Mutschmann/Stimmelmayr – Taschenbuch der Wasserversorgung“, Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2019
[2] Klaus Cord-Landwehr: „Wasserversorgung“, Teubner Verlag, Stuttgart 1998
[3] Heinz Patt & Robert Jüpner (Hrsg.)“Hochwasser-Handbuch – Auswirkungen und Schutz“, Springer-Verlag, Wiesbaden 2020
[4] „A warming-induced reduction in snow fraction amplifies rainfall extremes“ [Link]


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