Ziegel oder Holz?
Unter dem Eindruck des ökologischen Bauens spricht heute – zu Recht – jeder vom Bauen mit Holz. Allerdings ist das Bauen in Holz nicht immer und nicht überall ohne Einwände anwendbar. Zu bedenken ist immer, dass der Holzbau eine konstruktive Stringenz bis ins kleinste Detail erforderlich macht und dass bei kleinsten Mängeln in Bezug auf die Abdichtung gegen Feuchtigkeit die gesamte Holzkonstruktion zur Disposition steht.
Hinzu kommen die naturgemäßen Probleme des Holzbaus, nämlich neben der Feuchteabdichtung die Akustik, das Schwingungsverhalten oder der Brandschutz. Infolgedessen sind beim Bauen mit Holz Abdichtungsebenen aus synthetischen Materialien, elastische Elastomerlager zur Lösung der akustischen Defizite sowie Beplankungen aus Gipskarton aus akustischen und brandschutztechnischen Gründen notwendig.
Beim Thema Kosten ist das Bauen mit Ziegeln gegenüber dem Bauen mit Stahlbeton oder Holz immer noch klar im Vorteil. Andererseits reduziert das Bauen mit Holz die Massen, sodass Kosteneinsparungen in Richtung Geotechnik sowie Erdbebenbeanspruchung erwartbar sind. Demgegenüber liegen die Umweltvorteile vom Bauen mit Holz natürlich auf der Hand. Beim Brennen von Ton in der Ziegelproduktion sind extrem hohe Prozesstemperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius notwendig. Das schlägt sich ökologisch negativ ins Gewicht.
Begrifflich ist bei unglasierten keramischen Produkten aus gebranntem Ton von Terracotta oder Terrakotta die Rede. Die so genannte „gebrannte Erde“ deutet dabei in ihrer rohen Fassung auf den Boden hin.
Das Bauen mit Holz ist allerdings nur dann überlegen, wenn es uns gelingt, dauerhaft zu bauen. Werner Sobek hat recht, wenn er behauptet, dass der Baum im Wald wichtiger für Klima und Umwelt ist als der Baum, der zu Bauholz verarbeitet wird. Folgt nämlich auf den Holzbau der Abriss und die Verwertung des Bauholzes durch Verbrennung, dann sind die deutlichen Klimavorteile wieder zunichte gemacht.
Demgegenüber wird Ziegel üblicherweise deutlich länger ohne konstruktive Beeinträchtigungen verwendet und ist besonders im Rahmen von Sanierungen allgegenwärtig, aber auch als solider Werkstoff allseits geschätzt, wenngleich konstruktive Untersuchungen notwendig sind. Zu bedenken ist natürlich ebenso, dass Ziegelmauerwerk keine Zugkräfte aufnehmen kann und folglich immer in Verbindung mit Stahlbeton oder Stahl steht.
Geschichte des Mauerwerkbaus
Historisch betrachtet ist das Bauen mit Holz in den waldreichen nordischen Ländern entstanden. Das Laubholz begünstigte mit kürzeren, unregelmäßigen Querschnitten den Fachwerkbau sowie Sparrendächer und der Nadelholzbau mit langen, geraden Querschnitten, Pfettendächer sowie den Blockbau.
Südlich der Alpen sind es – im mediterranen Raum – wiederum andere Gegebenheiten, die die baulichen Realitäten prägen. Die Wälder sind spärlicher. Die Bäume sind zarter. Die klimatischen Bedingungen sind weit weniger drastisch und dramatisch. Es ist naheliegend, Häuser aus Stein zu bauen. In gebirgiger Umgebung – und wo au den natürlichen Gegebenheiten heraus verfügbar – erfolgt die Steinbauweise mit quaderförmigen Steinen. In den Hügellandschaften sind es eher abgerundete Flusssteine. Im Flachland hingegen verstärkt Ziegel aus Lehm und Ton.
Der gebrannte Ziegel wurde bei den Römern zum charakteristischen Element der baulichen Gestaltung, eingesetzt für Mauern, Bauwerke und Viadukte, zur Pflasterung von Plätzen und Straßen sowie zur Dachdeckung. Farblich schwingen mit der gebrannten Erde die Erdverbundenheit sowie warme Töne mit.
Der ungarische Architekt Ákos Moravánszky schreibt zum Ziegelstein: „Im Kontrast zur Härte des Granits, zur Ewigkeit des Marmors, zu eher übermenschlichen Eigenschaften, erweckt der von menschlicher Hand hergestellte und eingebaute Ziegel Assoziationen an Wärme“ [1].
Im alten Rom wurde die Mauerwerkskunst perfektioniert. Das Gewölbe war nicht nur eine gestalterische Angelegenheit, sondern eine dauerhafte und tragfähige Möglichkeit, Räume zu überwölben, weitgespannte Bauwerke zu schaffen und diesen eine materielle Ästhetik zu geben. Die Verwendung von Kalk als Bindemittel erhöhte die Möglichkeiten beim Bauen drastisch.
Der Kunstgriff bestand nach dem Bauingenieur Alfred Pauser darin, nicht mehr – wie dies noch bei den Griechen üblich war – auf die Monolithbauweise zu bestehen, sondern einen Gleichgewichtszustand aus Keilsteinen zu erzeugen . Dabei handelte es sich um eine „Entmaterialisierung“, also einer Abkehr von der Verwendung von Werkstoffen in ihrer ursprünglichen Form. Es begann die konkrete Formgebung [2].
Größer werdende Spannweiten bergen größer werdende Schwierigkeiten. Da auf Druck beanspruchten Bauteile in hohem Maße der Gefahr des Ausbeulens und Ausknickens ausgesetzt sind, kann sich die Gleichgewichtslage verändern und das Bauteil versagt. Begegnen kann man diesem Umstand mit zunehmender Materialstärke – das Bauwerk wird massiver – oder durch Rippen, also durch lokale Verstärkungen der Konstruktion, die die Schnittkräfte förmlich anziehen.
In Rom wurde – man denke an das Pantheon – der letztere Weg gewählt. Im Pantheon werden die größer werdenden Spannweiten durch Kassetten, also lokale Verstärkungen, bewältigt. Im Pantheon kam zudem bereits Beton zum Einsatz, der je nach Höhenlage zunehmend leichter wird.
In Wirklichkeit war die Nachahmung der römischen Mauerwerkskunst alles andere als einfach. Über lange Zeit hinweg wurden die filigranen Techniken vergessen. Die Romanik ging dazu über, bei höheren Spannweiten und folglich höheren Lasten die Mauerwerksdicken entsprechend zu erhöhen. Erst im Laufe der Gotik wurde der Mauerwerksbau in Form der Mauerwerksverbände weiterentwickelt, sodass Möglichkeiten zur Verfügung standen, das Mauerwerk auch im profanen Bereich effizient einzusetzen. Die fortschreitenden Techniken in der sakralen Kunst wirkten sich auch auf die profane Baukunst beispielgebend aus.
Im Mittelalter, als der Naturstein knapp wurde, sollte Ziegelmauerwerk neu entdeckt werden. Ziegel war effizienter und gegenüber dem Naturstein vorteilhaft. Das geringere Gewicht ist sowohl im Transport als auch konstruktiv zweckdienlich, zudem sind die Dimensionen flexibler.
Die Renaissance macht aus dem Ziegel – ob als tragendes Element oder als Pflasterung – ein ästhetisches Programm. Mit der Renaissance sollte sich schließlich eine Grundtendenz in Richtung Mauerwerksbau eröffnen, welcher man ein Gefühl der Überzeitlichkeit und Dauerhaftigkeit und damit auch einen moralischen Anspruch gab. Die Palladio-Villen sind aus Mauerwerkziegel gebaut, während der Verputz den Schein des Natursteins erzeugt. Diese Schichtbauweise wurde bei Weitem nicht als Makel erachtet, war doch die Oberfläche zunehmend bedeutend.
Mönch- und Nonne-Ziegel
Die Konstruktion des Daches hat direkte Folgen auf die Ausführbarkeit und Materialität der Dachhaut. Historisch betrachtet mag es nageliegend gewesen sein, das Dach mittels Stroh oder Schilf zu bedecken, zumal diese Dachbedeckung in Eigenleistung relativ einfach herzustellen war und ohne zusätzlichen Aufwand wärmedämmend wirkte. Nachteilig wirkten sich die hohe Brandgefahr sowie die geringe Lebensdauer aus.
In holzreichen Gegenden erfolgte die Dachdeckung in der einfachsten Art und Weise über Holzschindeln, vorwiegend aus Lärche, mit einer Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Gelegte Schindeln wurden durch Steine, die eine Auflast bilden, fixiert. Später ging man dazu über, die Schindeln anzunageln oder formschlüssige Nutschindeln herzustellen.
Wo Schiefer- oder Porphyrstein vorhanden war, der leicht spaltbar ist, war es naheliegend, Steinplatten anstatt der Lärchenschindeln als Dachdeckung zu verwenden, wenngleich das Dachgewicht damit erheblich gesteigert wurde und entsprechende konstruktive Vorkehrungen zur Folge hatte. Die Ausführung als Pfettendach war wesentlich. Die kraftschlüssige Fixierung der Steinschindeln erfolgte mitunter durch Nägel.
Bereits die Römer verwendeten gebrannte Ziegel als Dachdeckung. Die so genannten Mönch– und Nonneziegel, die aus römischer Zeit stammen, wurden im Mittelalter besonders bei kirchlichen Bauten verwendet. Umso flacher das Dach, umso besser eignen sich Ziegel, die am Dach aufliegen. Mönch- und Nonnenziegel, die trichterförmig ausgeführt sind, geben mediterranen Gebieten ihr Aussehen, ihr Muster und ihren Rhythmus.
Umso steiler das Dach, umso aufwendiger wird die Befestigung der Ziegel. So finden sich im mittel- und nordeuropäischen Raum Flachziegel, die eine form- oder kraftschlüssige Fixierung auf Latten vorsehen. Der so genannte Biberschwanz ermöglicht durch seine Form auch auf steilen Dächern eine Fixierung. Die kraftschlüssige Fixierung war durch Nagellöcher und Vernagelung möglich.
In seiner einfachsten Form ist es denkbar, Ziegel aus Metall auszuführen. Darüber hinaus war es durch die Dachspenglerei denkbar, das Dach mit Metalldeckungen zu überziehen. Bereits im Mittelalter wurden repräsentative Bauwerke wie der Hildesheimer Dom mit Kupferdach i Falzdeckung ausgeführt. Durch das Korrodieren des Kupfers bildet sich die so genannte Kupferpatina, eine oberflächliche Schutzschicht, die zahlreichen historischen Bauwerken ihre Färbung gibt.
Wie auch immer Dachkonstruktionen ausgeführt werden: Immer erzählen Dachkonstruktionen von der ganz elementaren Art und Weise, das Material Holz zu verarbeiten, aus Baumstämmen Formen zu bilden, Verbindungen einzugehen, in die Luft zu ragen, kühne Konstruktionen zu verwirklichen und das Hab und Gut dauerhaft vor den Einflüssen der Natur zu schützen. Dachlandschaften geben einem Ort, einer Stadt oder einer Landschaft ihr Gesicht.
Der Mönch- und Nonne-Ziegel, der in mediterranen Gegenden, aber nicht nur, zu Hause ist, verbreitet ein Gefühl der Wärme und der Verbundenheit zum Boden und erweckt eine ähnliche Ästhetik wie Naturstein und Holz.
Es gibt unzählige Bereiche, in denen das Bauen mit Ziegeln, ob als Terrassenbelag, Pflasterung, Dachbedeckung oder als Konstruktionsmaterial für Mauerwerk, sinnvoll ist und Erdverbundenheit, konstruktive Wärme und Dauerhaftigkeit verkörpert.
Und dann gibt es auch noch das moderne Structural Design rund um Philippe Block, das damit experimentiert, Biegemomente zu überwinden und primär druckbeanspruchte Tragelemente wie Gewölbe und Bögen zeitgemäß einzusetzen. Spannend.
Literatur:
[1] Ákos Moravánszky: „Stoffwechsel – Materialverwandlung in der Architektur“, Birkhäuser, Basel 2018
[2] Alfred Pauser: „Gedanken über 2000 Jahre Bogenbrücken“, Denkmalpflege in Niederösterreich – Band 11, Wien 1993


Hinterlasse einen Kommentar