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Naturnaher Wasserbau: Eigendynamiken und pulsierende Biodiversität

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Vielfach gibt sich der Konstruktive Ingenieurbau wenig dynamisch. In der Statik soll sich möglichst wenig bewegen. Alles muss ruhen. Anders liegen die Dinge im Verkehrsbau und Wasserbau. Der Eingriff betrifft im Wasserbau den natürlichen Kreislauf. Der technische Eingriff muss folglich minimal sein und die Natur mit ihren Vorgängen zulassen.

Grundsätzlich erfüllt der Wasserbau in Verbindung mit der Wasserwirtschaft, der Versorgung mit Trinkwasser, dem Hochwasserschutz, der Wasserkraft, aber auch im Zusammenhang mit Hydrologie, der Grundwasserregulierung und hydro-geologischen Risiken sowie im Rahmen der Erhaltung der biologischen Vielfalt eine „Mehrzweckaufgabe“ [2]. Hinzu kommen Schifffahrt, Freizeit- und Erholungsraum und Lebensqualität am Wasser.

Der Minimalismus im Wasserbau ist eine planerische Pflicht.

„Für den Naturhaushalt bedeutet jeder menschliche Eingriff eine Veränderung der natürlichen Lebensbedingungen und birgt deshalb die Gefahr der Störung des ökologischen Gleichgewichts in sich. In der Vergangenheit hat die Natur die aufgetretenen Instabilitäten durch ihr Regenerationsvermögen ausgleichen
und überdecken können“ [1] schreibt Heinz Patt, hält fest, dass dieses Gleichgewicht heute nicht mehr bestehe, und verweist auf Alwin Seifert, der bereits 1938 einen „naturnäheren Gewässerbau“ verlangte.

Gerade das Wasser steht mit dem gesamten Wasserhaushalt in Verbindung, weshalb die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung von Natur aus besteht. Das Fließgewässer beginnt mit der Quelle, setzt sich mit Bächen und kleinen Flüssen fort und mündet in großen Flüssen und Strömen. Im Wasser lösen sich Substanzen auf. Wasser ist Lebensmittel.

„Die Darstellung eines natürlichen Lebensraumes, in dem jede Komponente mit jeder mehr oder weniger verbunden ist, erfordert ein Erkennen und Abwägen der gegenseitigen Beeinflussungen“ schreibt Heinz Patt und meint damit diesen integrativen Ansatz.

Weil alles Wasser im Sinne der Schwerkraft fließt, ist der Flussverlauf durch die Geomorphologie vorbestimmt. Daneben bestimmen Klima und Hydrologie über die Wasserführung. Die Niederschläge, die in einem Einzugsgebiet anfallen, werden zum Teil weitergeleitet. Im natürlichen Fließgewässer bestimmt die Geomorphologie die Linienführung, während das Gewässerbett durch Erosion, Feststofftransport und Sedimentation gekennzeichnet ist. Daraus ergibt sich ein dynamisches und pulsierendes Ganzes.

Die Geologie bestimmt die Form des Flusslaufes:

  • Wo die rückschreitende Erosion auf stabile Talflanken stößt, entstehen Klammtäler.
  • In Kerbtälern werden die Hänge durch ausreichend Hangschutt neu gebildet.
  • In Mulden- und Mäandertälern können die Feststoffe nicht ausreichend abtransportiert werden.
  • Sohlentäler entstehen bei einem Übermaß an Transportmaterial, das sich im Tal ablagert.
  • In Flachlandtälern bestehen die Böden aus Alluvialböden.

„Die in Mitteleuropa vorzufindenden Talformen mit einer ausgeprägten Terrassenbildung (periglaziale Terrassenbildung) sind meist auf die Auswirkungender kaltzeitlichen Frostverwitterung zurückzuführen. Die Wechsel zwischen den unterschiedlichen Klimastadien (Warm- und Kaltzeiten) begünstigten sowohl die Böschungsabtragung als auch die fluviale Linearerosion. Die Täler verfügten über eine sehr große Geschiebezufuhr, so dass bei Hochwasser immer ausreichend große Geschiebemengen vorhanden waren. Bei abnehmendem Gefälle wurde das Geschiebe in den Tälern abgelagert. In den Tälern pendelten die Flüsse von Talrand zu Talrand und sorgten für eine gleichmäßige Verteilung der Geschiebemassen auf dem Talgrund. In den Warmzeiten zwischen den Kaltzeiten (Interglazialen) wurden die Hangbereiche durch die Vegetation vor Abtrag geschützt, so dass weniger Hangschutt in den Talgrund gelangte. Aufgrund der stabilen Uferböschungen wurde das Feststoffmaterial aus der Sohle entnommen und die Gewässer tieften sich ein. An den Talrändern blieben dabei Bereiche stehen. Jeder Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten führte so zu Terrassen unterschiedlichen Niveaus“ [1].

Die Linienführung des Flusses ist durch den Umstand geprägt, dass der Oberlauf ein starkes Gefälle hat und durch Erosion gekennzeichnet ist. Im Flussverlauf nimmt das Gefälle ab. Im Mittellauf treten Gabelungen auf. Im Unterlauf findet hingegen Akkumulation durch Sedimentationsprozesse statt.

Der Lebensraum am Fluss ist durch die Fließgewässer- und Auendynamik gekennzeichnet, die ihrerseits eine Funktion ist von:

  • Abflüssen
  • Fließgeschwindigkeiten
  • Überschwemmungen
  • Erosion, Feststofftransport und Ablagerung von Geschiebe
  • Grundwasserschwankungen.

Daraus ergeben sich Lebensräume und Lebensgemeinschaften.

Folglich geht es im naturnahen Wasserbau um das folgende: „Eines der wichtigsten Ziele des naturnahen Wasserbaus ist es, einem Fließgewässer ausreichend Raum zu überlassen, so dass es sich durch Eigendynamik frei entwickeln kann. Lassen die bestehenden Randbedingungen eine freie Entfaltung nicht zu, muss der Mensch lenkend eingreifen. Der naturnahe Wasserbau bedient sich dabei der eigendynamischen Entwicklung oder solcher Bauweisen und Materialien, wie sie an der Stelle im Gewässer auch natürlich vorkommen könnten“ [1].

Diese Eigendynamiken werden angeregt, dass mit ihnen niemals ein „fertiger Zustand nach Abschluss der Bauarbeiten erstellt wird. Es werden Grobstrukturen vorgegeben, die anschließend durch die gestaltende Kraft des Wassers vollendet werden“ [1].

Der Blick muss auf der Biodiversität liegen. Vegetation sowie Fauna verlangen einen besonderen Einsatz. Der Lebensraum Fluss muss erhalten und aufgewertet werden.

Literatur:

[1] Heinz Patt: „Naturnaher Wasserbau“, Springer Verlag, Heidelberg 2009

[2] Jürgen Giesecke, Stephan Heimerl & Emil Mosonyi: „Wasserkraftanlagen – Planung, Bau und Betrieb“, 6. Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 2014

3 Antworten zu „Naturnaher Wasserbau: Eigendynamiken und pulsierende Biodiversität”.

  1. Avatar von Grüne Fragen, blaue Antworten – Demanega

    […] um den Wasserrückhalt und um gesundes Trinkwasser. In diesem Sinne geht es um den naturnahen Wasserbau. Der Boden muss effektiv geschützt statt verbaut […]

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  2. Avatar von Bindige Böden: Probleme und Herausforderungen – Demanega

    […] in Tallagen setzen sich Auelehme und Hochflutlehme in Überflutungsbereichen ab, in dem das Land überflutet wird und sich beim Rückzug des Hochwassers die feinen Partikel in […]

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  3. Avatar von Konstruktiver Wasserbau: Bauen am dynamischen Gleichgewicht – Demanega

    […] Widerstand gegen die Naturgefahr: Hochwasser und Hochwasserschutz Widerstand gegen die Naturgefahr: Wildbäche und Wildbachgefahr Naturnaher Wasserbau: Eigendynamiken und pulsierende Biodiversität […]

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