80 Jahre Hermann Knoflacher

Bei Hermann Knoflacher scheiden sich grundsätzlich die Geister. Für die einen der Apologet einer nachhaltigen Mobilität. Für die anderen ein Verhinderer und Blockierer freier Verkehrsflüsse. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

Hermann Knoflacher hat seine Karriere als Bauingenieur im konstruktiven Ingenieurbau begonnen. Später wurde seine Tätigkeit als Professor für Verkehrswissenschaften in Wien von dem Grundgedanken geleitet, dass es einer „anderen“ Mobilität bedürfe, die menschliche Züge habe. Wer kann davon eher ein Lied singen als das transitgeplante Land Südtirol?

Dass sich Knoflacher im Laufe seiner Karriere immer wieder auch mit Südtirol befasste, liegt folglich auf der Hand.

Das „Verkehrskonzept Vinschgau“, das Knoflacher 2005 für die Bezirksgemeinschaft angefertigt hat, geht von dem Grundgedanken aus, dass es für einen nachhaltigen Tourismus eher kontraproduktiv sei, wenn Verkehrsflüsse möglichst schnell durchs Land geleitet werden – die Menschen reisen auch schnell wieder ab – und dass es im Gegensatz darauf ankomme, Mobilität längerfristig am Ort zu binden.

In der 2007 verfassten Studie zur Überetscherbahn geht es sinngemäß um eine effiziente Anbindung der Überetscher Gemeinden an die Landeshauptstadt, die bis heute hin die Gemüter erhitzt, weil die Umsetzung anhängig ist.

Öffentlich werden Knoflachers Verkehrsvorschläge heute äußerst kontrovers diskutiert. Knoflachers Ansatz, Staus im Stadtverkehr künstlich zu erzeugen, stoßen nicht überall auf Gegenliebe – ganz im Gegenteil. Vielleicht ist Knoflacher aber auch nur jemand, der weiß, dass man sich nur durch Übertreibung öffentliches Gehör verschafft.

Fest steht bei all der Kontroverse, dass die Vision einer weitgehend autofreien Stadt, die Knoflacher vor Jahren und Jahrzehnten bereits formuliert hatte, heute im globalen Maßstab auf Resonanz stößt und unumstrittener Bestandteil moderner Stadt- und Verkehrsplanung ist.

Befasst man sich eingehender mit dem Werk Knoflachers, so steckt kein Verhindern, sondern ein sehr hehres Menschenbild dahinter, das davon ausgeht, dass Menschen nicht als rein ökonomische Wesen verstanden werden wollen, die der modernen Mobilität – nach dem Motto „schneller, weiter und mehr“ – ausgesetzt sind. Mindestens so wichtig seien menschliche Maßstäbe.

Hermann Knoflacher hat sich wie kaum ein anderer mit lebenswerten, ästhetisch anspruchsvollen und ökologisch verträglichem Umgebungen befasst. In der Auseinandersetzung mit seinem Werk wird deutlich, dass die Qualität im Gebauten heute wichtiger ist denn je. Und dass beim Bauen öfters einmal die Frage nach dem „Warum“ und dem „Wozu“, aber auch nach dem „Wie“ zu stellen ist.

In diesem Sinne: Ad multos annos, Hermann Knoflacher!

Michael Demanega ist Bauingenieur im konstruktiven Ingenieurbau in Wien und hat 2017 bei Professor Hermann Knoflacher an der TU Wien seine Diplomarbeit verfasst.

Erschienen in der Tageszeitung „Dolomiten“ am 3. Juli 2020

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