Die Reformarchitektur fand in der Wiener Werkstätte, für die der Begriff der „Wiener Moderne“ steht, sowie im Deutschen Werkbund ihre Institutionalisierung. Als Begründer der Wiener Werkstätte geht es dem aus Mähren stammenden Wiener Architekten Josef Hoffmann um eine Förderung der Handwerkskunst im Sinne eines Gesamtkunstwerkes und einer Ablehnung jeder Massenfertigung und Reproduzierbarkeit. Die Wiener Werkstätte vollzieht dabei den bewussten Übergang zur gestalterischen Moderne, allerdings in Hinblick auf eine „andere“ Moderne als jener, die später in aller Munde ist.
Koloman Moser und Josef Hoffmann propagierten die Durchdringung des gesamten Lebens mit Kunst. Es war dies allerdings eine Ästhetik der Moderne und des Industriezeitalters, die im Rahmen ihrer Kunst angestrebt wurde. Der Alltag sollte in dieser unbestimmten Zeit mit Bedeutung aufgeladen werden. Dieses Unterfangen war transzendentaler Natur. Das alles ist nur unter Berücksichtigung der Psychologie sowie der Philosophie erklärbar.
Im Ästhetizismus – und Hoffmann war durchaus Ästhet – wurden das Schöne und das Zweckfreie zum höchsten Ideal erklärt und die reine Nützlichkeit als hässlich verteufelt.
Der österreichische Werkbund wurde 1912 nach Vorbild des Deutschen Werkbundes konstituiert. Dieser blieb uneinig und zerstritten. Zunehmend trat an die Stelle einer auf Wirkung bedachten und auf Schönheit fixierten Haltung eine praktisch-zweckrationale Einstellung, die die neuen Anforderungen der Industrie und modernen Technik zu berücksichtigen versuchte.
Die Bandbreite im Werkbund schwankte grundsätzlich zwischen übersteigertem Ästhetizismus und Avantgarde. 1933 gründeten Peter Behrens sowie Clemens Holzmeister den „Neuen Werkbund Österreich“, der allerdings im Kontrast zum Bauhaus stand.
Die Wiener Moderne war ein sachlicher, gewogener und durchaus klassisch geprägter Vorgänger, gleichzeitig auch „die Rebellion der jungen Künstlergeneration, die die „Stilmaskerade“ des Historismus herunterreißen wollte. Die Vielheit der imitierten Stile wurde verworfen, aber nicht der Stil als solcher und nicht die Schaffung eines Stils“. Der Wille zum Stil war mehr als deutlich präsent. Ein Stil, der pathetisch war und monumentale Züge annahm, trotzdem äußerst sachlich war und nur in Form eines „Gesamtkunstwerkes“ nachvollziehbar ist. Das Dasein sollte mit Gestaltung durchäußert werden. Diese Gestaltung war wohlbedacht, proportional, puristisch, klassisch und bewusst ästhetisch.
Wenn später im Rahmen der Moderne vielfach von „Form folgt Funktion“ die Rede ist und damit eher eine soziale Funktion gemeint ist, so wurde die Funktion gerade in der Konstruktion gefunden. „Die Präsenz der Konstruktion wird als dekoratives Raumelement eingeführt. Die Oberfläche des Baumaterials und seine Funktion werden verdeutlicht,“ schreibt Gabriele Fahr-Becker in Bezug auf die Wiener Werkstätte. Und so kommt es, dass Gebäude entstehen, die klar und deutlich vom historistischen Kontext abweichen, deren klassische Moderne jedoch nicht zu leugnen ist.
Der Reform zuzuordnen ist der Tiroler Architekt Clemens Holzmeister. Holzmeister wurde 1886 in Fulpmes geboren und verstarb 1983 in Halleim. Laut gängiger Definition wird Holzmeister dem Traditionalismus zugeordnet, womit eine moderne Architektur gemeint ist, die sich durchaus des technologischen Fortschritts bedient, dabei allerdings die tradierte Architektur der Vorfahren weiterentwickelt, „die ein so feines Verständnis hatten für die Anpassung des Stiles, für die Verwendung architektonischen Schmuckes, je nach Zweck und Bestimmung eines Gebäudes“ [1].
Clemens Holzmeister, der Professor an der Wiener Akademie der Bildenden Künste war und in Bozen ein gemeinsames Atelier mit Luis Trenker führte, ist jener gemäßigten Moderne zuzuordnen, die die Tradition neu aufgreift und rezipiert, moderne Formen allerdings je nach Bauaufgabe konsequent anwendet. Insofern war es konsequent und ehrlich, dass neue Bauaufgaben, wie eine Maschinenhalle, auch neue Formen bedürfen und sich durchaus von historischen Vorbildern lösen können. Holzmeister suchte für in der Baugeschichte neue Aufgaben „nach einem entsprechenden neuen architektonischen Ausdruck“. Zu jener Zeit wirkte Peter Behrens in Wien, der den Industriebau wesentlich prägte.
Holzmeister vorgeworfen wird dessen politische Nähe zum Austrofaschismus. Tatsächlich bemühte sich Holzmeister um staatliche Aufträge zur Zeit des österreichischen Ständestaates, drückte diesem einen architektonischen Stempel auf und bekleidete staatliche Funktionen.
Bereits 1927 wurde Holzmeister nach Ankara berufen und plante das türkische Kriegsministerium. 1938 übersiedelte Holzmeister nach Istanbul, wirkte dort gemeinsam mit Paul Bonatz und lehrte an der Technischen Hochschule, eher er zwischen Ankara und Wien pendelte und 1954 fix nach Wien zurück kehrte, Rektor der Akademie der Bildenden Künste wurde.
Nach Walter Chramosta ist die Gestaltungskunst Holzmeisters wie folgt einzuschätzen: „Holzmeister suchte zielsicher multikulturelle Archetypen auf und konnte so in jedem Ambiente bestehen“ und meint damit Holzmeisters Fähigkeit, zeitlos zu bauen sowie seine Fähigkeit, unter Rückgriff auf allgemeingültige Gestaltungsprinzipien einen imaginiertes Lokalkolorit herzustellen [2].
Literatur:
[1] Posch, Wilfied: „Clemens Holzmeister – Architekt zwischen Kunst und Politik“, Müry Salzmann Verlag, Salzburg 2010
[2] Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, „Sommerfrische“, Band 8, Wien 1991
[3] Gabriele Fahr-Becker: „Wiener Werkstätte 1903 – 1932“, Taschen Verlag, Köln 2008


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