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Vorgespannte Betontragwerke: Weit bauen mit Beton

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Tragwerke aus Stahlbeton verfügen über natürliche Anwendungsgrenzen. Bei weit gespannten Tragwerken wird die Verformung irgendwann einmal bemessungsrelevant. Insbesondere dadurch, dass der Beton beim Übergang in den Zustand II als gerissener Betonquerschnitt einen Steifigkeitsverlust erleidet, fallen die Verformungen entsprechend höher aus.

Dadurch, dass hochfeste Stahlarten sowie höhere Betonfestigkeiten verwendet werden, können die Querschnitte reduziert und die Spannweiten erhöht werden. Im Brückenbau ermöglicht erst die Ausführung von Spannbetonbauwerken den Rückgriff auf Beton.

Die Vorspannung setzt den Betonquerschnitt unter Druck. Das Stahlglied wird gezogen. Der Beton, der sich entspannen und verkürzen will, wird folglich unter Druck gesetzt. Dadurch, dass das Stahlzugglied so ausgeführt wird, dass es sich den äußeren Lasten und besonders dem Biegemoment entgegen setzt, kontrastiert die Vorspannung die im Querschnitt auftretenden Zugspannungen, die sich bei Biegemomentenbeanspruchung immer einstellen. Der Querschnitt reißt folglich später oder gar nicht.

Diese Verhaltensweise eröffnet zahlreiche Vorteile: Die Steifigkeit von Spannbeton ist deutlich höher. Dadurch kann der Übergang von Zustand I in Zustand II vermieden werden, sodass die Durchbiegung deutlich geringer ist. Ebenso geringer sind die auftretenden Risse, sodass die Dichtheit des Betons genauso wie die Dauerhaftigkeit um ein Vielfaches größer ist.

Entsprechend der erwartbaren äußeren Belastungen kann allerdings ein Vorspanngrad gewählt werden, der nicht voll, sondern nur teilweise wirkend ist. Bei voller Vorspannung treten keine Zugspannungen im Querschnitt auf. Bei beschränkter Vorspannung sind die auftretenden Zugspannungen limitiert. Gleiches gilt ohne Begrenzung der Zugspannungen für teilweise Vorspannung.

Die Vorspannkraft wird auf das maximal erwartbare Biegemoment ausgelegt, indem die äußerste untere Faser zugfrei ist. Bei minimalem Moment hat allerdings die oberste äußere Faser ebenso zugfrei zu sein, indem die Vorspannkraft den entsprechenden Beitrag zu den Druckspannungen in der untersten Faser liefert.

Diese Auslegung macht eine Anordnung der Spannglieder in größtmöglichem Abstand zur neutralen Faser erforderlich, um den äußeren Belastungen den maximalen Widerstand aus Vorspannung entgegenzusetzen und folglich die geringste Vorspannkraft zu verwirklichen. Würden nur ständige Lasten wirken, könnte dieses Bemessungsprinzip ohne Weiteres angewandt werden.

Bei wachsendem Anteil (schwankender) Verkehrsleisten, wird dieses Bemessungsprinzip allerdings kontrastiert, indem der Abstand zwischen minimalem und maximalem Moment erheblich ist und folglich kein optimierter Querschnitt mit möglichst hohem Hebelsarm mehr möglich ist. Der maximale Hebelsarm wird kleiner, die Vorspannkraft entsprechend höher. Begünstigt wird das Verhalten durch beschränkte Vorspannung, bei der teilweise Zugspannungen vorhanden sein dürfen, sodass der Hebelsarm weniger restriktiv gewählt wird.

Daraus ergibt sich auch der für Spannbetonbauteile typische Querschnitt in I-Form mit möglichst geringen Betonflächen und großen Hebelarmen.

Die Vorspannung kann mit sofortigem Verbund im Spannbett (üblich bei vorgespannten Fertigteilen) oder mit nachträglichem Verbund, bei dem die Vorspannung dem erhärtenden Beton aufgedrängt wird, erfolgen. Dabei werden die Spannglieder in Hüllrohren angeordnet, welche anschließend ausgemörtelt werden. Eine weitere Variante ist die Vorspannung ohne Verbund, die auch extern sein kann.

Wesentlich sind im Spannbetonbau das Kriechen und Schwinden. Das Schwinden ist lastunabhängig und beginnt mit dem Erhärten und ändert sich nach 3  bis 5 Jahren kaum noch. Das Kriechen bezeichnet die Zunahme der Verformung unter Dauerlast und setzt erst mit Lastaufbringung an, ist allerdings höher umso jünger der Beton ist. Die hohen Dehnwege des Spannstahls werden durch die plastische Verkürzung des Betons durch Kriechen und Schwinden abgebaut, sodass Spannkraftverluste entstehen. Die Bemessung von Spannbetontragwerken setzt folglich eine Berücksichtigung des Schwindens und Kriechens voraus.

Als Spannzugglieder werden in den meisten Fällen 7-drähtige Spannlitzen verwendet. Diese sind eingefettet und mit einer Schicht aus Polyethylen vor Korrosion geschützt. Mehrere Monolitzen werden zu Spannbändern zusammengefasst. Der Spannstahl kann Zugfestigkeiten von 1770 oder 1860 N/mm² erreichen und muss große Dehnungen aufnehmen können. Diese hohen Festigkeiten werden durch höheren Kohlenstoffgehalt und Wärmebehandlung erreicht. Da die Fließgrenze nicht klar charakterisierbar ist, wird diese normgemäß als jene Spannung definiert, die bei einer plastischen Dehnung von 0,1% erreicht ist.

Die Verankerung der Spannkabel erfolgt meistens über eine Ankerplatte. Die Spannkabel werden über Keilverankerung oder mechanisch durch Muttern verankert.

Die Möglichkeiten, die Spannbeton liefert, sind natürlich erheblich. Insbesondere aufseiten der Verformungen und der Gebrauchstauglichkeit im Allgemeinen sind deutliche Vorteile zu bewirken. Die Verwendung des hochfesten Stahls und entsprechende Optimierungen der Querschnitte eröffnen aber auch weitreichende Vorteile für die Tragfähigkeit. Zu glauben, man könne bauen wie immer, und plötzlich durch den Spannbeton die Grenzen sprengen, ist aber ein vollkommener Trugschluss.

Wie immer geht dem richtigen Bemessen das werkstoffgerechte Konstruieren voraus. Insofern die Kräfte einfach spazieren gefahren werden, das Bauwerk keinen Regeln des guten Tragwerksentwurfs entspricht und irgendwann im Nachhinein geglaubt wird, die Tragwerksplanung müsse alle Probleme lösen, die natürlich nicht mehr in Frage zu stellen sind, ist die Stufe des Pfusches erreicht und auch keine Ästhetik oder Baukultur denkbar, die vor allem eines sein muss: Materialgerecht.

Literatur:

[1] Günther Rombach: „Spannbetonbau“, Ernst und Sohn Verlag, Berlin 2010

[2] Martin Thomsing: „Spannbeton – Grundlagen, Berechnungsverfahren, Beispiele“, Teubner Verlag, Wiesbaden 2002

Eine Antwort zu „Vorgespannte Betontragwerke: Weit bauen mit Beton”.

  1. Avatar von Bauen mit vorgespanntem Beton: Weiter, schlanker, dauerhafter – Demanega

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