Manchmal befassen wir uns mit allerlei gefühlten Nebensächlichkeiten und vermissen das Arbeiten an den großen Fragestellungen, die die grundsätzlichen Weichen stellen könnten. Dann fragen wir uns auch, ob das unserer Berufung als Ingenieur entsprechen kann. Wahrscheinlich nicht.
Alleine der Begriff des Ingenieurs sagt eigentlich etwas gänzlich anderes aus. Ingenium ist die sinnreiche Erfindung oder zumindest Konzeption. Der Ingenieur muss folglich am großen Ganzen arbeiten, nämlich an konzipierten Systemen, die sich in der Wirklichkeit beweisen. Die schönste Theorie ist nichts, die erfolgreiche Anwendung ist alles.
Geht es nach Gunter Dueck, stehen uns prinzipiell zwei Wege zur Verfügung: 1. Dinge billiger und effizienter machen: Diese Variante führe zwangsläufig zur Roboterisierung und Automatisierung der Arbeit. 2. Mehr Exzellenz anstreben: Dieser Weg bedeute eine Begeisterung für das Neue und für eine neue Kultur der Zusammenarbeit. Exzellenz oder der „First-Class-Ansatz“ klingt dann wie folgt.
„Wie wollen wir in Zukunft leben? Welche Verkehrssysteme sind ideal? Wie sieht Bildung in der Wissensgesellschaft aus? Wie leben wir weiter als Volk der Dichter, Denker, Ingenieure und des Made in Germany? Welche Menschen brauchen wir in Zukunft – wie erziehen wir sie? Wozu sind wir selbst da? Welche Verantwortung haben wir über bloße Jobs hinaus? Was ist beste Forschung, Entwicklung und Arbeit? Wie kommt man dahin, das Beste zu verwirklichen? First Class stellt die Fragen im absoluten Sinn. Darum kreisen Denken und Handeln [noch mal: und Handeln]. Erfolg ist, dass es verwirklicht wird. Dafür zeigen sie Leidenschaft und Feuer, sie sind Pioniere und Unternehmer“.
Gunter Dueck, „Schwarmdummheit“
Gelingt dieser Schritt nicht, findet sich der Ingenieur in der Bürokratie wieder, als Rechenknecht, Schreibtischtäter, als menschlicher Roboter, im Callcenter, in der Auskunft, als Handlanger anderer Disziplinen. Dann sind Souveränität und Exzellenz nicht mehr gegeben. Der Ingenieur ist dann kein eigentlich Ingenieur mehr, es geht das gesamte Ingenium verloren, es besteht nur noch der bürokratische Trott.
In diese beschränkten Abhängigkeiten will man den Ingenieur immer wieder drängen. Eine Zeit lang kann das auch eine gute und wertvolle Einsicht sein. Längerfristig ist es eine Entfremdung. Und dann sind auch keine großen Disruptionen denkbar, wofür Ingenieure heute eigentlich da sein sollten. Es geht als Ingenieur nämlich darum, immer wieder einmal den Rahmen zu sprengen, große Ziele anvisieren, die Dinge grundsätzlich neu zu denken und dadurch den Fortschritt zu verwirklichen.
Wir brauchen nun einmal die großen Fragen, an denen wir uns abarbeiten können und bei denen wir uns der öffentlichen Auseinandersetzung, dem Feuer, stellen, um daran zu wachsen. Es geht um den Mut zur Debatte. Eine seltene Art von Mut in uniformierten Zeiten wie diesen. Und manchmal müssen wir die Weichen richtig stellen, um durchstarten zu können.


Hinterlasse einen Kommentar