Geologie in Südtirol: Lockergesteine und quartäre Sedimente

Karl von Terzaghi spricht in Bezug auf die Bodenmechanik von der „Kunst“, „trotz der uneinheitlichen Beschaffenheit der natürlichen Bodenschichten und trotz der unvermeidlichen Lücken in unseren Kenntnissen über die Baugrundverhältnisse mit vertretbaren Aufwendungen im Erd- und Grundbau zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen“ [1].

Um dieses Ziel zu erreichen, sind abseits gezielter Untersuchungen auch und vor allem Auseinandersetzungen mit der Landschaft notwendig, um die Zusammenhänge zu verstehen und anwenden zu können. Die detaillierteste Auswertung aus Bohrlochuntersuchungen nützt nichts, wenn diese Auswertungsergebnisse nicht zusammenhängend interpretiert und in ihren Konsequenzen für die Baupraxis bewertet werden.

Terzaghi schreibt zu den „geologischen Betrachtungen“: „Die meisten natürlichen Erdstoffe gehören zu einer der folgenden Hauptgruppen: Ablagerung im Flussbett, Hochflutablagerungen, Deltaablagerungen, Küstenablagerungen, Glazialablagerungen, Windablagerungen (Dünensand und Löß) und Ablagerungen durch Sedimentation in stehendem Wasser. Die einzigen Erdstoffe, die im Allgemeinen eine annähernd regelmäßige Struktur aufweisen, sind die Hochflut- und Windablagerungen und die in großen Becken mit stehendem Wasser in größerer Entfernung vom Ufer gebildeten Sedimente. Alle anderen weisen im Gegensatz hierzu in der Regel große und unregelmäßige Schwankungen zumindest in der Konsistenz und der Lagerungsdichte und gewöhnlich auch in der Korngröße auf“.

Grundsätzlich lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Frage, wie unsere Erde entstanden ist, immer. Dazu ist der tiefe Blick in die Geologie notwendig.

Im Quartär kühlte sich das globale Klima derart ab, dass diverse Eiszeiten entstanden. Die Eiszeiten prägten unsere gewachsenen Landschaften wesentlich. Glazial geprägte Sedimente sind folglich im Alpenvorland landschaftsprägend, aber auch wichtige Grundwasserspeicher.

Quartäre Lockergesteine sind unterschiedlicher Herkunft und umfassen in der Regel alle Transportmechanismen, nämlich äolisch, fluvial, glazial und gravitativ. Grundsätzlich ist das Gesteinsmaterial unserer Landschaften von verwittertem Material überdeckt, das durch gravitative Bewegungen oder Fließbewegungen abgelagert wurde.

Das Quartär wird grundsätzlich in das ältere Pleistozän und in das jüngere Holozän unterteilt. Das Holozän ist das jüngste Erdzeitalter und wird auch als Nacheiszeitalter bezeichnet. Folglich sind Moränenschutt, Findlinge, dem Pelsitozän zuzuordnen, während Bachschotter, Schuttkegel, Moore oder Flussauen dem Holozän zuzuordnen sind.

Grundsätzlich werden Moränensedimente, Beckensedimente sowie fluvioglaziale Kiese und Sande getrennt betrachtet, da sich die Zusammensetzung deutlich ändert [3].

Fluvioglaziale Kiese und Sande sind als Sedimente in Schmelzwasserflüssen oder in Eiszerfallslandschaften entstanden. Vielfach sind die Vorkommen durch Molasse oder Becken- und Moränensedimente getrennte Einzelvorkommen. Molasse bezeichnet den Abtragungsschutt der aufsteigenden Alpen.

Fluvioglaziale Kiese und Sande bestehen überwiegend aus gut sortierten sandigen Kiesen mit wechselndem Feinsand- und Schluffgehalt zwischen 5 und 25%. Lokal werden diese Sedimente durch Seesedimente überlagert. In Talbecken sind die Kiese und Sande von humosen Auenlehmen überlagert und es haben sich Niedermoor-Torfe gebildet, die wenige Meter mächtig sind.

Beckensedimente wurden in Süßwassergewässern oder durch gravitative Bewegungen abgelagert und bestehen in der Regel aus feingeschichtetem tonigem Schluff mit Feinsandanteilen zwischen 0 und 40%.

Moränensedimente bestehen aus Lockersedimenten mit weiten Korngrößenspektren von Feinkorn zu Sand, Kies und Steinen bis hin zu Blöcken. Diese bestehen in der Regel aus wenig sortierten kiesigen Gesteinsfragmenten in einer tonig-schluffigen Grundmasse mit vergleichsweise hohem Feinkornanteil. Es kommen aber auch locker gelagerte Vorkommen mit deutlich größerem Kiesanteil vor. Immer wieder sind sanig-kiesige Einlagerungen zu finden.

Als Deckenschotter werden hingegen oberhalb der Talsohle gelegene grobe Flussablagerungen bezeichnet.

Lockergesteine werden grundsätzlich in grobkörnige und feinkörnige Böden unterteilt. Feinkörnige Böden weisen ein grundauf anderes Verhalten auf als grobkörnige Böden. Grobkörnige Böden werden durch Reibung (und Kohäsion) charakterisiert. Bei feinkörnigen Böden resultiert die Kohäsion aus elektrochemischen Verbindungen. Folglich sind diese Böden zwar wenig wasserdurchlässig, das Wasser bestimmt aber maßgeblich das Verhalten, sodass eine Überflutung die Kohäsion vollständig aufheben kann.

Sehr grobkörnige Böden bestehen aus Blöcken und Steinen. Zu den grobkörnigen Böden gehören: Kies (2 mm bis 63 mm) und Sand (0,063 bis 2 mm Korngröße). Zu den feinkörnigen Böden gehören Schluff (0,002 bis 0,063 mm) und Ton (unter 0,002 mm). Innerhalb der Kategorien gibt es weitere Unterteilungen.

Der Bereich zwischen 0,002 und 2 mm wird als Feinsand bezeichnet. Terzaghi befasste sich stark mit der Stabilität oder Instabilität wassergesättigter, lockerer Feinsande. Terzaghi bezeichnet Feinsande und Grobschluffe als die unzuverlässigsten Bodenarten, weshalb der Begriff „Quicksand“ zutreffend sei. Diese Bodenarten tendieren zum Verflüssigen.

„Die plötzliche Abnahme der Scherfestigkeit eines Schwimmsandes von seinem Normalwert bis auf fast Null ohne Mitwirkung eines Strömungsdruckes, wird als plötzliche Verflüssigung bezeichnet. Sie wird durch einen Zusammenbruch der Struktur des Sandes in Verbindung mit einer plötzlichen, jedoch vorübergehenden Zunahme des Porenwasserdruckes hervorgerufen. Die Verflüssigung hat eine vorübergehende Überführung des Sandes in eine sehr konzentrierte Suspension zur Folge. Sobald das Fließen aufhört, nimmt der Sand wieder die Zustandsform eines Sedimentes an. Die Struktur dieses neu gebildeten Sedimentes kann möglicherweise etwas dichter als die ursprüngliche Struktur sein. In der Zeit, in welcher der Sand zeitweilig verflüssigt ist, ist seine Tragfähigkeit annähernd Null“ [1].

Terzaghi urteilt über den Hintergrund: „Die Fähigkeit des Sandes, ein ungewöhnlich poröses Haufwerk zu bilden, kann jedoch dadurch beseitigt werden, dass man entweder die feinsten oder die gröbsten KorngroBen entfernt. Diese Feststellung zeigt, dass der Grad der Empfindlichkeit der Struktur eines Feinsandes nicht nur von der Art der Ablagerung des Sandes abhängt, sondern vor allem auch von scheinbar untergeordneten Einzelheiten seiner Kornzusammensetzung. Tatsächlich ist der Unterschied zwischen der Kornzusammensetzung von außergewöhnlich unstabilen und von
normalen Sanden überraschend gering“ [1].

Und weiter: „Die plötzliche Verflüssigung einer sehr lockeren, wassergesättigten Sandmasse zeigt an, dass der durch Schnellversuche mit konsolidierten Proben ermittelte Wert des Winkels der inneren Reibung des Sandes zeitweilig gleich Null wird. Wenn jedoch Proben des gleichen Sandes in die lockerste Lagerungsdichte gebracht werden, die im Laboratorium hergestellt werden kann, zeigen Dreiachsial-Druckversuche mit diesen Proben ausnahmslos, dass der Wert des Winkels der inneren Reibung aus Schnellversuchen mit konsolidierten Proben mindestens 20° beträgt“.

Daneben gibt es gemischtkörnige Böden: „Bei grobkörnigen (Sand und Kies) und sehr grobkörnigen Böden (Steine und Blöcke) entspricht der Haupanteil der Kornfraktion, die den Massenanteil am stärksten bestimmt. Dies gilt auch für gemischtkörnige Böden, wenn deren Verhalten durch ihren Feinkorn-Massenanteil nicht bestimmt wird. Bei feinkörnigen Böden ist die Kornfraktion der Hauptanteil, die das Verhalten des Bodens bestimmt“ [4]. Bei gemischtkörnigen Böden ist die Klassifizierung klar geregelt.

Literatur:

[1] Karl von Terzaghi und Ralph B. Peck: „Die Bodenmechanik in der Baupraxis“, Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/ Heidelberg 1961

[2] Karl August Redlich, Karl von Terzaghi, Robert Kampe: „Ingenieurgeologie“, Julius Springer Verlag, Wien und Berlin 1929

[3] LGRBwissen, Das geowissenschaftliche Portal für Baden-Württemberg, Das geowissenschaftliche Portal für Baden-Württemberg | LGRBwissen (lgrb-bw.de)

[4] Gerd Möller: „Geotechnik – Bodenmechanik“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2013

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Eine WordPress.com-Website.

Nach oben ↑

%d Bloggern gefällt das: