Moderne Architektur: Vorbild Südtirol?

Das Münchner Architektur-Magazin „Baumeister“ widmet seine aktuelle Ausgabe dem Vorbild Südtirol. Und schreibt: „Südtirol setzt Maßstäbe: in puncto qualitätvolles Neubauen im ländlichen Raum. Aber auch in Bezug auf den sensiblen Umgang mit dem Bestand. Lassen sich diese Ansätze auch übertragen?“.

Und weiter zu einer „Neuen künstlerischen Blüte“:

„Südtirol ist seit Jahrhunderten ein Transitland. Hier treffen Nord und Süd aufeinander, wenn auch nicht immer konfliktfrei. Künstlerisch war diese Kulturgrenze immer fruchtbar. Die Kaufmannsstadt Bozen und die bischöfliche Residenzstadt Brixen legen beredtes Zeugnis davon ab. In den letzten Jahrzehnten erlebt Südtirol eine neue künstlerische Blüte – und zwar besonders im Bereich der Architektur. Heute kennt man Architekten wie Werner Tscholl, Walter Angonese, Michaela und Gerd Bergmeisterwolf oder Armin und Alexander Pedevilla nicht nur zwischen Brenner und Salurner Klause, sondern ebenso in Berlin oder Rom“.

Heute geht es in Südtirol mehr denn je um den kompromisslosen schonenden Umgang mit dem unverbauten Land sowie um die Weiterentwicklung des Bestandes, weil wir uns den Neubau nach 30 Jahren Lebensdauer nicht mehr leisten können und leisten wollen. Wobei die Kritik an der Raumordnungs-Gesetzgebung heftig ist und die Ankündigungen oftmals stärker sind als die Fakten. Insbesondere im Bereich Tourismus wäre manchmal weniger gleich mehr.

Es muss halt auch in Südtirol vielfach die mediterrane Glas-Villa mit Whirl-Pool und Infinity-Pool im landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grün sein, die die landschaftliche Idylle beeinträchtigt und in Sachen Langlebigkeit, Zeitlosigkeit und Beziehungsfähigkeit zur Umgebung umstritten ist. Wie nachhaltig das alles ist, ist eine andere Frage.

In Zukunft wird es mehr denn je um Ressourcen- und Energieverbrauch im Bauprozess, im Betrieb und entlang der gesamten Lebenszyklus-Kette gehen müssen. Dabei stellt sich auch die Frage, woher das Bauwerk die Ressourcen und die Energie bezieht und ob eine soziale, ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit gegeben ist.

Ein „anderes“ Bauen ist möglich: Mit Hang zur zeitlosen Ästhetik, mit konstruktiver Geradheit und natürlicher Integration des Bauwerks in die Umgebung. Es darf ein bisschen weniger Theatralik, ein bisschen weniger „International style“ und dafür mehr Substanz sein.

Dann ist „Baukultur“ nicht das Vergangene, sondern das allzeit Gültige.

Apropos konstruktive Geradheit: In Zeiten der amorphen Postmaterialität, in der sich scheinbar niemand mehr für die konstruktive Struktur hinter der oberflächlichen Fassade interessiert, entsteht eine bestimmte Leere, weil Schein und Sein divergieren und berechtigt an der Substanz gezweifelt werden darf.

Vielleicht lässt sich diese „Leere“ durch Handwerk, regionale Werkstoffe, die nachvollziehbar sind, und konstruktives Verständnis vom Bauwerk bis zum Detail lösen. Dann entsteht ein Vorbild Südtirol als Gegenentwurf zur modernistischen Postmaterialität, die gar nicht mehr weiß, wie der architektonische Entwurf materiell umzusetzen ist.

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