Joseph Stini und die technische Gesteinskunde

Befasst man sich mit dem Werk des Begründers der modernen Felsmechanik, Leopold Müller, kommt man an Joseph Stini (oder Joseph Stiny) kaum vorbei. Die Begegnung war vielleicht zufälliger Natur. Der junge Leopold Müller konnte 1932 nach Abschluss seines Studiums keine Vollerwerbsstelle finden und bewarb sich in der Folge bei Joseph Stini, der seit 1925 Professor für Geologie an der Technischen Hochschule Wien war, für eine Promotion.

Stini selbst studierte Forstwirtschaft und Wildbachverbauung an der Hochschule für Bodenkultur in Wien sowie Bauingenieurwesen und Geologie in Graz, arbeitet zunächst in der Wildbachverbauung und begründete sodann das Fach der „Ingenieurgeologie“ in Wien.

Liest man bei Leopold Müller nach, so wird einem klar, dass Stini die Ingenieurgeologie revolutioniert und als Wissenschaft begründet hatte. Müller, der mit dem Werk „Der Felsbau“ das Standardwerk zur Felsmechanik verfasst hat, setzt die Lektüre der technischen Gesteinskunde bei Stini theoretisch voraus.

Die „Technische Gesteinskunde“ von Stini, die 1919 erschien, sollte die Art und Weise, wie Gebirge und Gestein in den Ingenieurwissenschaften fortan betrachtet wurden, wesentlich prägen. In der Gesteinskunde geht es um die Beschreibung des Gesteins und seiner Eigenschaften, die allerdings niemals nur auf Mineralebene erfolgen kann, sondern immer die Gesamtheit der natürlichen Gegebenheiten umfassen muss, nämlich Spannungszustand, Spannungsgeschichte, Kluftausbildung, Verwitterungszustand und Bergwasserverhältnisse.

Stini selbst definiert das „Gestein“ wie folgt:

Gesteine (Gebirgsarten, Felsarten) sind deutlich begrenzte natürliche Massen von mehr oder weniger gleichbleibender Ausbildung und solcher räumlicher Ausdehnung und Verbreitung, dass sie am Aufbaue der Erdkruste wesentlichen Anteil nehmen und geologische Selbständigkeit beanspruchen können.

Erst aus der systematischen Analyse des Gesteins resultiert die technische Klassifizierung und in der Folge die technische Bearbeitung im Rahmen der Felsmechanik.

Josef Stini befasst sich in seinem Werk mit der Bildung der Gesteine, den geologischen Kräften, die Gebirgsbildung und Krustenbewegungen, sowie mit der technischen Prüfung der Gesteinseigenschaften, was auch schon der wesentliche Punkt der technischen Gesteinskunde ist. Wie es sich für eine Wissenschaft gehört, ist nämlich die „Vergleichbarkeit“ der Ergebnisse oder anders gesagt, die Falsifizierbarkeit einer Theorie (gemäß der Erfahrungswissenschaft bei Karl Popper) wesentlich.

In der „technischen Gesteinskunde“ vergleicht Stini darüber hinaus die Gesteinsarten und erläutert ihre natürlichen Vorkommen.

Joseph Stini selbst, der sich als Professor der Ingenieurgeologie widmete, erarbeitet im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Gutachten zum Kraftwerksbau sowie zur Großglockner-Hochalpenstraße.

Die Großglockner-Hochalpenstraße

Der Bau der Großglockner-Hochalpenstraße ist gar nicht unabhängig von Südtirol zu denken. Durch die völkerrechtswidrige Abtrennung Südtirols von Österreich ging Österreich die Verbindung zwischen Kärnten und Nordtirol verloren. Der Bau der Großglockner-Hochalpenstraße wurde fortan ganz oben auf der Agenda Österreichs gereiht und wurde mit dem Bau von Kraftwerken verbunden.

Im verkleinerten Österreich waren Wasserkraftwerke sowie die Elektrifizierung eer Eisenbahn wesentlich, weil dem ehemaligen Kaiserreich die Kohlevorkommen abhanden kamen.

Allerdings sollte der Bau der Hochalpenstraße durch die krisengeschüttete österreichische Wirtschaft beeinträchtigt und erst im Rahmen des Austrofaschismus im Sinne der vorangetriebenen Motorisierung und des allgemeinen Straßenbaus im Dritten Reich forciert werden.

Am Bau der Großglockner-Hochalpenstraße waren neben Joseph Stiny auch Leopold Müller sowie Ladislaus von Rabcewicz beteiligt.

Dass die moderne Felsmechanik sowie der moderne Tunnelbau ihren Ursprung in Österreich hat, hat folglich nicht nur geographische und geologische, sondern auch politische Hintergründe.

Faktisch bleibt Österreich als das „Land der Berge“ durch Lage und Geologie der Innovationstreiber im alpinen Ingenieurbau. Joseph Stini legte unter anderem die Grundsteine.

Literatur:

[1] Josef Stiny: „Technische Gesteinskunde“, Springer Verlag, Wien 1929

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