Der Bauingenieur Jörg Schlaich
Wollen wir im Konstruktiven Ingenieurbau bauliche Strukturen schaffen, die innovativ und zeitgemäß zugleich sind, müssen wir uns zwangsläufig mit den Leuchttürmen im Bauingenieurwesen befassen. Zu diesen Leuchttürmen zählt das Büro Bergermann Schlaich Partner.
Die Bürogründung erfolgte 1980 durch Jörg Schlaich und Rudolf Bergermann mit Bürositzen in Stuttgart, Berlin und New York. Von Anfang an besteht der Fokus auf internationale Bauprojekte mit innovativen Ansätzen im Leichtbau.
Im Büro Leonhardt und Andrä, das auf Fritz Leonhardt zurück geht, haben Jörg Schlaich und Rudolf Bergermann bereits 1971 gemeinsam mit Frei Otto die Seilnetzkonstruktion für das Olympiastadion München ausgeführt.
Jörg Schlaich ist in die Tradition von Fritz Leonhardt zu stellen: Ein genialer Ingenieur, der es nicht bei der mathematischen Berechnung von Bauwerken sein lässt, sondern in die Gestaltung einzudringen versucht und damit das schafft, was wir Ästhetik, Baukunst und Baukultur nennen.
Von Anfang an ist die Planungstätigkeit folglich von dem Gedanken getragen, den Energieaufwand beim Bauen – besonders mit Blick auf die Materialeffizienz – zu minimieren. Es ist nur folgerichtig, wenn das Büro – um bei der Energie zu bleiben – mit der Nutzung der Solarenergie sowie dem Aufwindkraftwerk, das vom Prinzip aufsteigener warmer Luft ausgeht und dadurch Turbinen antreiben will. Seit 2002 leiten Knut Göppert, Andreas Keil, Sven Plieninger und Mike Schlaich als Sohn Jörg Schlaichs das Büro.
Wesentlich ist auch der methodische Ansatz im Büro Schlaich Bergermann Partner: Vor jeder Bauaufgabe werden die theoretisch möglichen Tragwerkslösungen analysiert und klassifiziert, nämlich Strukturen, die auf Druck, auf Zug oder auf Biegemoment wirken und zwar als Stab- oder als Flächentragwerk. Darüber hinaus bietet die Kombination derselben hybride Tragwerke. Und erst dann wird die beste Lösung (!) ausgewählt [1]. Dieser methodische Ansatz garantiert eine hohe Planungskultur sowie einen systematischen und offenen Prozess.
Die Herausforderungen an das zeitgemäße Bauen hat der Mike Schlaich, der an der TU Berlin lehrt und forscht, auf den Punkt gebracht. Die zentralen Punkte sehen wie folgt aus: Kurze Spannweiten und integrale Bauwerke; Druck und Zug statt Biegung; moderne Baumaterialien – und Baukultur!
Abgesehen von der statisch-konstruktiven Bearbeitung von Tragwerksfragen beschäftigt sich das Büro Schlaich Bergermann Partner in herausragender Art und Weise mit den Themenfeldern Baukultur, Bauingenieurwesen und Kunst, Leichtbau, weit gespannte Bauwerke (Sportbau bzw. Stadienbau, bspw. in Tottenham, Berlin, Brasilien oder China), Brücken, mit beweglichen und adaptiven Strukturen sowie mit dem Themenbereich Solarenergie.
Jörg Schlaich und die Baukultur!
Man kann Jörg Schlaich als genialen Bauingenieur im Konstruktiven Ingenieurbau bezeichnen, dem es auf leichte Tragstrukturen, die möglichst materialeffizient eingesetzt werden, ankommt. Das wesentliche Moment ist aber vielleicht ein anderes. Und zwar Ästhetik und Baukultur.
Jeder Eingriff in die Natur erfordert eine Wiedergutmachung durch den Menschen, so Jörg Schlaich. Nicht zuletzt im Bauen, wo jeder Eingriff nur dann legitim ist, wenn wir Baukultur anstreben und verwirklichen. In dieser Haltung schwingt eine ganz große Vornehmheit mit.
Der Boden, in den wir eingreifen, um darauf zu bauen, erfordert ebenso unsere volle Aufmerksamkeit und Anerkennung, wie der Baum, der gefällt wird, um daraus eine menschliche Behausung zu schaffen. Jörg Schlaich spricht von der notwendigen „Entschädigung“ gegenüber der Natur im Bauen, welcher nur die höchst mögliche „Baukultur“ gerecht werden könne [1]. Inwiefern es uns gelingt, diese Entschädigung durch Baukultur zu vollziehen, entscheidet über die Vornehmheit des Entwurfes, gewissermaßen aber auch über die Vornehmheit unserer Lebensführung.
Jörg Schlaich war damit ein ganz Großer, der in die Geschichte des Bauingenieurwesens – und der Architektur – eingeht.
Weiterführend:
sbp: Bauingenieurwesen auf der Höhe der Zeit
Literatur:
[1] Christian Schittich: „DETAIL engineering 1: schlaich bergermann und partner – Supporting structures and architecture as a single entity“, Detail Verlag, München 2011
[2] Jörg Schlaich: „Brückenbau und Baukultur“, Deutsche Bauzeitung 02/2006, Stuttgart 2006