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Wer war Johann Senn?

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Johann Chrysostomus Senn (1795–1857) war ein österreichischer Dichter, Publizist und Intellektueller im Vormärz.

Der Vater, Franz Michael Senn, war Richter und 1809 Freiheitskämpfer im Tiroler Oberland, organisierte den Aufstand und schaffte es, Unterstützer aus Vorarlberg und der Schweiz zu gewinnen. Senn fiel unter bayrischer Herrschaft, aber auch unter Österreich in Ungnade, weil er 1801 einen Entwurf zu einer Landesverfassung Tirols vorlegte, in der die Privilegien des Adels aberkannt wurden und weil er sich 1805 für einen neutralen Alpenstaat, bestehend aus Salzburg, Tirol und Vorarlberg vorschlug und als Alternative die Angliederung Tirols an die Schweiz.

Insgesamt unterstreicht die Biografie von Franz Michael Senn, dass die Motive der Tiroler Freiheitskämpfer nicht einheitlich waren und der kleinste Nenner nicht der Kampf für ein klerikales Österreich, sondern der Kampf gegen politische Fremdherrschaft war.

Der Sohn, Johann Senn, lebte seit 1807 in Wien, besuchte mit Franz Schubert das kaiserliche Konvikt (Studienhaus) in Wien, wurde Mitglied einer Pennalie (Schülerverbindung). Er zog es trotz der Konsequenzen vor, Pennäler zu bleiben, nahm dafür in Kauf, 1815 seinen Stiftplatz im Konvikt zu verlieren. Ab 1815 regierte Metternich als Staatskanzler autoritär, verfolgte burschenschaftliches Gedankengut radikal. Mit den Karlsbader Beschlüssen, die auf Metternich zurückgehen, wurden am 31. August 1819 die Freiheit der Lehre und die Meinungsfreiheit radikal eingeschränkt, Forderungen nach Verfassung, deutscher Einigung und freiheitlichen Rechten wurden geahndet sowie die allgemeine Zensur eingeführt.

Eingeführt wurde ein so genannter „Verfassungsschutz“, der freiheitliche und nationale Ideen per se als Teil einer Verschwörung auffasste und die entsprechenden „Demagogen“ verfolgte („Demagogenverfolgung“). Der Deutsche Bund bestand aus zahlreichen Einzelstaaten. Trotz der allgemeinen Repression war die deutsche Universitätslandschaft föderal. Demgegenüber war Österreich ein einheitlicher Staat mit einer stark ausgebauten Verwaltung und einem Polizei- und Spitzelsystem, das Metternich etablierte.

Aus dem burschenschaftlichen Kreis am kaiserlichen Konvikt in Wien entstand 1819 bis 1820 der Wiener Burschenschaftliche Kreis.

Beeinflusst wurde dieser Kreis durch den deutschen Befreiungskampf 1813 bis 1815, trug infolgedessen die Farben schwarz-rot mit gold. Der Kreis wurde 1820 denunziert, durch die Polizei geahndet, Senn für 14 Monate in Haft gehalten. Schubert verbrachte hingegen nur eine Nacht in Haft. Durch Verhöre und Hausdurchsuchungen wurden rund 50 Mitglieder festgestellt.

Senn kann folglich als einer der ersten Burschenschafter Tirols aufgefasst werden.

Nach der Haftentlassung 1821 war für Senn kein bürgerliches Leben möglich, seine Existenz war ruiniert, er wurde nach Tirol abgeschoben. Senn war ein Opfer des System des Vormärz. Trotz Repression und Verfolgung trat Senn 1823 der Burschenschaft Libera Germania Innsbruck bei, er blieb sich selbst also treu.

1823 wurde Johann Senn Soldat, nahm am österreichischen Zug in Neapel teil, wurde Offizier, schied aber 1832 aus dem Militärdienst aus. Ab 1832 arbeitete er für einem Anwalt, war in Innsbruck in der Bezirksverwaltung und als Tagesschriftsteller sowie als Winkeladvokat tätig. Daneben betrieb Senn philosophische Studien, verstarb letztlich 1856 vereinsamt und mittellos.

1860 ließ sein Freund Adolf Pichler einen Gedenkstein errichten, erinnerte aber auch in seinen Darstellungen zur Tiroler Literatur an Senn.

Bekannt wurde Senn durch das Gedicht „Tiroler Adler“:

Der rote Tiroler Adler

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, ich sitze
Am First der Ortlesspitze,
Da ist’s so sonnenrot.
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, ich koste
Von Etschlands Rebenmoste,
Der ist so feuerrot,
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Warum bist du so rot?

Ei nun, das macht, mich dünket,
Weil Feindesblut mich schminket,
Das ist so purpurrot,
Darum bin ich so rot.

Adler! Tiroler Adler!
Darum bist du so rot?

Vom roten Sonnenscheine,
Vom roten Feuerweine,
Vom Feindesblute rot —
Davon bin ich so rot! —

Johann Senn gab 1838 – verstümmelt durch die Zensur – gesammelte Gedichter heraus. Nur Joseph Streiter erhob in der „Allgemeinen Zeitung“ für ihn, „dem wir das Gediegenste, was Tirol an vaterländischer Poesie in der Lyrik aufzuweisen hat, verdanken,“ die Stimme.

Gedichte in Zeiten der Zensur

Franz Schubert vertonte „Selige Welt“ und den „Schwanengesang“. Diese Rezeption durch Schubert war ein wesentlicher Grund, dass Senn nicht in Vergessenheit geriet.

Befasst man sich mit dem Werk Senns, wird klar, dass die Lyrik in weiten Teilen die klassische Antike zum Inhalt hat. Weiters übte Senn scharfe Kritik an den Machthabern, an den Klerikalen, am politischen Katholizismus und am politischen System, vor allem in Form von Satire, alles andere war in Zeiten des Polizeistaates nicht möglich. Senns Adlerlieder, darunter der „Tiroler Adler“ verdienen Beachtung.

Senn gehörte zu den Vorbildern Hermann Gilms und beeinflusste Joseph Streiter im lyrischen Werk.

Die Kinder des Geistes

Von der Erzeuger Leib entsprießen die leiblichen Kinder,
Aus sich selber erzeugt geistige Kinder der Geist.
Söhnen und Töchtern verleiht der gereifte das fröhliche Dasein,
Und wie Minerva dem Zeus springen sie ihm aus dem Haupt;
Söhne, geschmeidig und stark, zu Schimpf und Ernste des Lebens,
Töchter, anmutig und zart, übend der Schönheit Magie;
Teu’r dem Erzeuger und wert oft der Welt und fernen Geschlechtern,
Die in Jahrtausenden noch preisen den Vater im Kind.

Im Gedicht „Der Ultra“ verspottete Senn den Ultra-Klerikalen Joseph von Giovanelli, der als einer der schärfsten Agitatoren von klerikaler Seite gilt.

Zu den „Adlerliedern“ gehört das Gedicht „Österreichs Lerchen“.

Österreichs Lerchen

Austriens Lerchen entwandte die frevelnde Hand der Empörung,
Aber sie flohen empor, fliegend bis in den Olymp.
Unter der Sterne Klang erhoben die singenden Lerchen,
Von den Musen beschirmt, magischen Feiergesang,
Sangen, erinnernder Kehle, die heimischen Sänge von Siegfrieds
Achilleischem Los und von der Rache Kriemhilds.,
Sangen vor seligem Kreise der unsterblichen Götter,
Die mit entzücktem Ohr lauschten dem neuen Gesang.
Göttliche Huld erblühte auf Jovis heiterem Antlitz,
Laut aufschrie sein Aar, ahnend des Gottes Beschluß.
Und es sandte den Blick der Vater der Götter und Menschen
Hin auf Austriens Flur, hin auf des Austriers Burg:

„Weil du solches getan, und den Mund geöffnet dem Sänger,
Und geöffnet dein Herz milde dem Hauch des Olymps —
Will ich die Anwartschaft, für der Lerchen bescheidene Vögel,
Auf meines Adelars Zwillingezucht dir verleih’n,
Welche die Obmacht bringt und erhält, wie lang ich sie schenke:
Würdig der Herrschaft ist, welcher das Schöne beherrscht!
Löst sich Germaniens Reich, sei der Doppelaar dir beschieden
Für und für, und du schaust, Austria, das Ende der Zeit!“ —

Sieh, und es horstet der Doppelaar auf Austriens Burgschloß,
Riesig und prächtig sein Nest, kaiserlich wie er es liebt.

Zum österreichischen Doppeladler schreibt Senn: „Denn zwiefach ward die Herrschaft, und römisch-teutsch das Reich und ziemte Rom ein Adler, nun ziemten zwei zugleich. Sie flogen miteinander von dannen alsobald, und horteten zusammen in Teutschlands wildem Wald“.

6 Antworten zu „Wer war Johann Senn?”.

  1. Avatar von Wer war Eduard von Grebmer zu Wolfsthurn? – Demanega

    […] Johann Haßlwanter wurde zum Landeshauptmann Tirols gewählt. Haßlwanter trat 1823 angeblich wie der Dichter Johann Senn der burschenschaftlichen Bewegung „Libera Germania Innsbruck“ bei, schwenkte aber 1848 […]

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  2. Avatar von Wer war Aloys Weißenbach? – Demanega

    […] Wer war Johann Senn? […]

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  3. Avatar von Wer war Joseph von Hormayr? – Demanega

    […] Staatsapparat Metternichs. Burschenschaftliche Besegungen wurden verfolgt, ausgehoben, deren führende Köpfe […]

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  4. Avatar von Wer war Hermann von Gilm zu Rosenegg? – Demanega

    […] Wer war Eduard von Grebmer zu Wolfsthurn? Wer war Johann Senn? […]

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  5. Avatar von Tirol 1848, die deutsche Revolution und die Nationalversammlung in Frankfurt – Demanega

    […] Fürst Metternich einen autoritären Staatsapparat mit Zensur, Polizeiüberwachung und Unterdrückung jeglicher freiheitlicher Regung […]

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  6. Avatar von Wer war Adolf Pichler? – Demanega

    […] und dem Philhellenismus und interessierte sich für die verbotene Literatur, darunter für die Werke Johann Senns. Es war seine Stellung am Rande der Gesellschaft, die ihn weiter, tiefer und höher blicken […]

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