Wer das Land im Winter nicht mag, so sagt man, liebe das Land nicht. Darin steckt viel Wahres. Während es im Sommer natürlich einfach ist, das Land zu lieben, weil sich die Natur in all ihren Ekstasen und Blüten äußert, ist das Land im Winter auf seinen nackten „Rest“ reduziert; aber auch befreit vom Ballast, zurückgekehrt in sich selbst, auf sein Relief und seine Morphologie, scheinbar in Schockstarre.
Im Frühling regt sich das Leben neu. Die ersten Knospen sprießen, gefolgt von Blüten, da und dort ragt das Grün aus dem Boden, nach und nach bereitet sich die Natur auf ihr Hochfest vor. Irgendwann, nach Regen und Sonnenschein, schlägt es dann um und alles blüht und lebt auf. Endlich. In Südtirol blühen die Äpfel, das Land zeigt sich in seiner ganzen Fruchtbarkeit, in mediterraner Wärme trotz alpiner Kulisse.
Während wir zu Weihnachten in uns selbst kehren und die Geborgenheit ob der winterlichen Kälte im Wohninneren finden, kehren wir im Frühling nach außen, öffnen Fenster und Türen, lassen Luft und Sonnenschein herein und sind gerne im Zwischenbereich zwischen drinnen und draußen.
Im Christentum ist Ostern das wichtigste Fest. Es feiert die Auferstehung Jesu Christi am dritten Tag nach seiner Kreuzigung. Die Ereignisse beruhen auf dem Neuen Testament, insbesondere auf den Evangelien. Das christliche Osterfest fällt auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling.
Vor dem Christentum gab es in Europa bereits Frühlingsfeste: Diese feierten die Wiedergeburt der Natur, Fruchtbarkeit und neues Leben. Der Name „Ostern“ könnte auf die germanische Frühlingsgöttin Ostara (auch Eostra oder Ēostre) zurückgehen – obwohl der historische Beweis dafür dünn ist. Viele Symbole, die heute mit Ostern verbunden sind, stammen aus heidnischen Bräuchen: Eier als Symbol für Fruchtbarkeit und neues Leben, der Hase, der im Frühling die Junghasen setzt, als Fruchtbarkeitssymbol, Frühjahrsrituale wie das Entzünden von Feuern. Wie zumeist übernimmt das Christentum das, was vereits da war, und interpretiert es um.
Nicht nur die Natur blüht auf. Ähnliches geschieht aber auch mit uns Menschen, sind wir doch Geschöpfe dieser Natur. Das Gemüt wird wieder heller, die innere Freiheit spürbarer, die Natur in uns wird drängender, alles vitaler. Die Freude am Leben lässt uns schöne Feste feiern. Wir feiern uns und das Leben.
Wer diese elementaren Zusammenhänge nicht versteht, kann vermutlich auch nicht gut bauen. Im guten Bauen werden natürliche Baumaterialien dauerhaft in Form gebracht. Wir streben auf der höchsten Stufe nicht nur Annäherungen an die Natur, an ihre Naturgesetze und Konstruktionsformen an, sondern streben nach einer Vereinigung mit der Natur, in dem das menschliche Gebaute durch die Natur angenommen wird und sich beide Ebenen, das Menschengemachte, Kulturelle, und das Natürliche, verbinden.
Bauen ist nichts Abstraktes und schon gar nichts Lebensfremdes. Vielleicht ist es das manchmal. Dann nämlich, wenn unverständliche bauliche Theorien erläutert werden, die niemand versteht, eigentlich nicht einmal diejenigen, die diese Theorien erfinden, weil nichts „echt“, spürbar und sinnlich erfahrbar ist, sondern eher Kopfzerbrechen verursacht, eine synthetische Oberfläche und letztlich viel Sperrmüll, darstellt.
Bauen ist materialisiertes Leben, ist geformtes Leben, ist Erleichterung des menschlichen Daseins, ist Freiheit, indem das gute Bauwerk Kooperation, Kreativität, gute Stunden, aber auch Ruhe, Konzentration und Zusammensein zulässt.
Atmosphären entstehen dann, wenn die Materie in Form gebracht wird und sich mit dem menschlichen Leben vereint.
Im Frühling und um Ostern herum äußern sich die Natur und das Leben in allen diesen Ekstasen.
Von derartigen Höhen des Bauens und des Lebens kann sich natürlich die „bauliche Moderne“ kaum begeistern, besteht diese seit dem Bauhaus ja explizit in einer völligen territorialen Ungebundenheit, im Frönen einer technizistischen und rationalistischen Welt, die letztlich weite Ebenen des Menschseins vergisst, leugnet und ausblendet und damit unweigerlich in der ökologischen Katastrophe endet, weil die vollkommene Entfremdung des Menschen von seiner Natur vollzogen ist.
Heute sind es die Glas-Beton-Kolosse, aufgeheizt durch Metallverblendungen und synthetische Baustoffe, bei denen der Rasenteppich mit dem obligatorischen Olivenbaum, der irgendwo nach 300 Jahren aus seinem gewachsenen Boden herausgerissen wurde, das Gewissen erleichtern soll – und das Gegenteil erreicht.
Es gibt aber auch das andere Leben und Bauen. Ein Bauen, das aus der gewachsenen Umgebung heraus entsteht aus Dialog mit dem Territorium, der baulichen Tradition und ihren handwerklichen Qualitäten, aus den menschlichen Lebenswelten sowie dem Bedürfnis nach historischer Kontinuität und emotionaler Tiefe, nach gefestigten Beziehungen – auch zu uns selbst -, aus Vereinigung mit der Natur und in dem Bewusstsein, dass das gute Bauen an die großen Bauepochen anknüpft und mit diesen nicht bricht.


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