„Overtourism“ oder Übertourismus bezieht sich auf das Phänomen, bei dem beliebte Reiseziele von einer übermäßigen Anzahl von Touristen überflutet werden, was zu einer Vielzahl von negativen Auswirkungen auf die lokale Umwelt, Kultur und die gewachsene Gemeinschaft und letztlich zu allgemeiner Ablehnung führt.
Der Trend des Übertourismus hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen, indem Globalisierung, soziale Medien und leistbare Reisemöglichkeiten immer mehr Menschen dazu veranlassen, an „beliebte“ Orte zu reisen, um sich dadurch zu verwirklichen. Spätkapitalistische Mechanismen leisten das ihrige, um das Maximale an Ertrag aus einem Stück Land heraus zu holen und um auf Kosten aller anderen zu profitieren.
Die Gier nach dem begehrten „Selfie“ an touristischen „Hotspots“ ist auf der anderen Seite scheinbar wesentlicher als die konkrete Erfahrung am Ort. Die Nachteile überwiegen massiv.
Kein Mensch sucht Potemkische Dörfer, also Fassaden ohne Inhalt, die früher oder später als Fälschungen enttarnt werden; zumindest nicht auf Dauer. Geschichte, Lebensqualität, authentische Geschichten, echte Kreisläufe und spürbare Baukultur gewinnen letztlich.
Die Tendenz zu allgemeiner Kritik an der Tourismus-Industrie ist naheliegend, die allerdings vielfach verfehlt ist. Individuelle touristische Angebote, die auf Qualität am Ort setzen und unverfälscht und authentisch auf eine lokale Kultur mit internationaler Gastfreundlichkeit und internationalen Standards setzen, sind wichtig, um konkrete Möglichkeiten vor Ort zu schaffen. Es geht dabei nicht mehr und nicht weniger als um lokale und regionale Kreisläufe.

Ein Landschaftsbild, das nur auf touristischen Ertrag ausgerichtet ist und nicht alle Erwerbsgrundlagen erfasst, führt nämlich zu Verzerrung, gekünstelter Inszenierung und Entfremdung.
Die Probleme verfehlter touristischer Entwicklungen liegen auf der Hand:
Fatale Umweltauswirkungen: Die große Anzahl an Touristen belastet empfindliche Ökosysteme. Die übermäßige Nutzung von Ressourcen wie Wasser und Energie führt zu Umweltverschmutzung, Überfüllung von Straßen und Stränden und Schäden an natürlichen Lebensräumen.
Verschlechterung der Lebensqualität für Einheimische: „Overtourism“ kann die Lebensqualität der Einheimischen erheblich beeinträchtigen. Der Anstieg von Touristen führt zu überfüllten Straßen, Lärm, Müllansammlungen und steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere auch mit Blick auf die Wohnkosten sowie begrenzten Berufsaussichten. Viele Einwohner fühlen sich aus ihren eigenen Vierteln verdrängt, wenn diese zu Touristenattraktionen werden.
Verlust kultureller Identität: Die Kommerzialisierung von Kultur und Traditionen führt zu einem Verlust der authentischen lokalen, regionalen und nationalen Identität. Traditionelle Geschäfte und Familienbetriebe werden durch internationale Ketten ersetzt, die auf die Bedürfnisse von Touristen ausgerichtet sind. Dies führt zu einem Verlust der lokalen Kultur und des kulturellen Erbes.
Druck auf die Infrastruktur: Die plötzliche Zunahme von Touristen stellt eine erhebliche Belastung für die lokale Infrastruktur dar, einschließlich Verkehr, Abfallentsorgung, Wasser- und Stromversorgung sowie Gesundheitsdienste. Oftmals sind die vorhandenen Einrichtungen nicht in der Lage, den Bedarf zu decken.
Um „Overtourism“ konkret und gezielt anzugehen, suchen touristische Destinationen zunehmend nach nachhaltigen Lösungen, darunter die Begrenzung der Anzahl von Besuchern, die Förderung von verantwortungsbewusstem Tourismus, die Diversifizierung der touristischen Angebote und die Entwicklung von Alternativrouten abseits der Hauptattraktionen. Vieles spricht für Angebots- statt Verbotspolitik, zumindest vorerst.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, lokalen Gemeinschaften, lokaler Wirtschaft, Unternehmen, Handwerk, Handel und Reisenden ist letztlivh erforderlich, um das Gleichgewicht zwischen Tourismusentwicklung und nachhaltiger Entwicklung zu wahren und um die negativen Auswirkungen zu minimieren.
Baukultur kann eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Overtourism spielen, indem nachhaltige Strategien zur Entwicklung von touristischen Destinationen gefördert werden. Durch die Restaurierung und den Schutz historischer Gebäude, Denkmäler und Stadtviertel können touristische Destinationen ihre Einzigartigkeit bewahren und gleichzeitig einen authentischen und attraktiven Reiseerlebnis anstatt einer „Disneyland“-Unkultur bieten.
Die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften in den Planungs- und Entwicklungsprozess ist entscheidend, um sicherzustellen, dass touristische Initiativen die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten berücksichtigen und Authentizität kein Marketing-Gag bleibt.
Partizipative Planungsmethoden können dazu beitragen, ein gemeinsames Verständnis für die Herausforderungen und für das Gemeinschaftliche zu schaffen und um gemeinsame Lösungen zu entwickeln, die langfristig tragfähig sind. Dann sind auch wieder tragfähige Tourismuskonzepte mit Mehrwert für alle denkbar und realistisch.


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