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Fortschritt statt Stillstand: Mehr Tempo bei (öffentlichen) Bauprojekten

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Bauvorhaben haben durch langwierige Genehmigungs-, Ausschreibungs- und Vergabeverfahren, durch die komplexe Gesetzeslage, die sich auch noch laufend ändert, durch Probleme in der Planung und Abstimmung sowie in der Definition des Planungsumfangs, durch mangelhafte Ausschreibungen, mangelhafte Ausführungen und unvorhergesehene sowie „unvorhersehbare“ Ereignisse, durch Kostenüberschreitungen und Bauzeitenüberschreitungen, durch Haftungsfragen und allfällige Streitigkeiten, durch Dumping-Preise und viele weitere unliebsame Nebengeräusche, eine schwierige Stellung.

Ob Wohnungsbau, Infrastrukturbau, Schienen und Straßen, Energieinfrastruktur, öffentliche Bauten und das zunehmend komplexe Thema der Instandhaltung, immer öfter sind Bauprojekte allgemeinen Blockaden ausgesetzt, die nicht sein müssen. Es sind deutlich mehr Tempo und Anstrengung gefragt, um aktuelle Herausforderungen unserer Zeit in den Griff zu bekommen. Das Bauwesen übernimmt aufseiten der Problemlösung einen Löwenanteil.

Teamführung und Projektmanagement

Umso schwieriger ist die Lage angesichts des Umstandes, dass der Personalverschleiß am Bau und im Bauumfeld groß ist, der Stresspegel ständig zunimmt und es am Ende auch noch zunehmend schwer wird, Fachpersonal zu finden, das sich dauerhaft das Problempotential antun will.

Bernd Kochendörfer ist der Meinung, dass es für einen positiven Projektverlauf gar nicht so sehr darauf ankommt, welche Unternehmen am Projekt beteiligt sind, sondern wie sehr es der Projektleitung gelingt, alle am Projekt beteiligten Menschen einzubeziehen und zur Zusammenarbeit im Sinne des Projekterfolgs zu motivieren [1].

Wenn es darum geht, ein erfolgreiches Projektteam zu schaffen, müssen technische Prozesse und soziale Prozesse immer Hand in Hand gehen. Die Planungskompetenz, die auch und vor allem ein sozialer und kommunikativer Prozess ist, ist letztlich wesentlicher als die reine Baukompetenz. Die Baukompetenz wird ohnehin verlangt und vorausgesetzt und im Sinne von Ausschreibungen festgestellt. Das Fachwissen ist das Zugangskriterium. Die Umsetzung ist allerdings das Entscheidungskriterium. Bessere Projekte werden in diesem Sinne im Teambuilding geschaffen.

Projekte brauchen nach Antonio Nieto-Rodriguez immer einen höheren Zweck: Es geht dabei ganz klar um die Fragestellung, „weshalb“ ein Projekt durchgeführt werde („purpose“). „Smarte“ Ziele seien dabei spezifisch, messbar, handlungsorientiert, relevant und zeitbasiert. Es geht wie immer und überall um die letzten Zwecke.

Wenn wir erfolgreich sein wollen, sind diese letzten Zwecke zu kommunizieren, zu bewerben und in den Mittelpunkt zu stellen. Dann sind Krisen und Konflikte nebensächlich und alle ordnen sich dem großen Ganzen unter. Es geht um Purpose. Auch und gerade im relativ traditionellen Bauwesen.

Menschen sind wichtiger als Prozesse: Projekte benötigen immer motivierte Menschen, die diese Projekte ausführen, folglich geht es ganz klar um Teambuilding, um jeden Einzelnen dort einzusetzen, wo er am besten wirken kann. Das Scheitern von Projekten ist nicht immer schlecht, sondern gehört dazu: Scheitern ist oft eine Chance, um zu lernen, zu reifen und sich auf andere erfolgsrelevantere Prozesse zu konzentrieren.

Projekte sind immer zeitlich begrenzte Aktivitäten, an deren Ende ein Ergebnis – und ein Erfolg – stehen müssen. Deshalb ist das Feiern der Projekterfolge so wichtig. Fordern, fördern und belohnen gehören zusammen, um die Routinen des Abarbeitens ohne Interesse am Fortschritt zu verhindern.

Wenn sich die gemeinsamen Interessen und die persönlichen Interessen decken, entsteht ein erfolgsrelevanter Schub. Umso wesentlicher ist Führung, die jeden Einzelnen mit seinen Stärken einsetzt, motiviert und fördert. Wenn das nicht gelingt, ist der innere Abschied schneller da, als geglaubt und niemand macht mehr die notwendigen Extrarunden.

Eine Frage des Risikos

Projekte bergen Risiken. Projektmanagement bedeutet folglich auch Risikomanagement, weil die Unsicherheit immer Teil des Projekts ist. Mehr noch: Die Zukunft bedeutet eine Bewältigung einer fortlaufenden Reihe von Krisen und ein Lernen aus der Krise sowie eine Vorbereitung der potentiellen Krise, sodass eine drohende Krise gar nicht mehr zur „Krise“ wird.

Das Problem ist bei Bauprojekten, dass diese als individuell aufgefasst werden, was diese vom Ergebnis, aber nicht von den Prozessen her sind. Die Erfolgsfaktoren sind: Wiederholbare Modularität und hohe Geschwindigkeit bei der Iteration. Lässt sich ein Projekt modular umsetzen und gibt es dabei Raum für Experimente und Lernen, führt dies viel eher zum Ziel. Indem die Prozesse möglichst schnell wiederholt und besser durchlaufen werden.

Die Lösung sind vielfach Projekte nach dem „Lego“-Prinzip: „Erschaffen Sie ein Produkt, liefern Sie es aus, beobachten Sie, wie es funktioniert, entwerfen und implementieren Sie Verbesserungen und bringen Sie es erneut auf den Markt. Die Unternehmen, die diesen Prozess am schnellsten durchlaufen, werden sich durchsetzen“ [2]. Das Prinzip Lego ist beim Bauen zwar schwierig, aber möglich, insofern die Prozesse laufend optimiert werden.

Insbesondere bei öffentlichen Projekten liegt viel Potential aufseiten des Auftraggebers: Umso stringenter die Projektleitung und Projektsteuerung, umso mehr Erfahrung im Spiel ist, umso eher es gelingt, Prozesse und Abläufe zu standardisieren und zu optimieren und folglich Lerneffekte zu implementieren, umso besser gelingt der Projektabschluss. Es kommt folglich stark darauf an, Kompetenz im Projektablauf auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers zu konzentrieren oder durch unterstützende Beratungsbüros zu implementieren, damit der Projektablauf laufend besser wird und es gelingt, wie ein Dirigent das Orchester am Bau zu steuern.

Umso besser es gelingt, öffentliche Bauprojekte abzuwickeln, umso größer ist die Vorbildwirkung und der Lerneffekt für die gesamte private Projektabwicklung. Die öffentliche Verwaltung ist nicht passiver Teil am Ganzen, sondern gibt Haltung, Führung und Vorbild vor.

[1] Sabine Renken, Bernd Kochendörfer, Ernst Wilhelm, Klaus Heinzerling, Tillman Prinz, Martin Jung, Marcus Becker: „Mediation am Bau- Wirkung und Methode Konfliktmanagement für Praktiker“, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2021

[2] „Harvard Business Manager“, Februar 2022

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