Im Rahmen eines agilen Projektmanagements ist das juristische Projektmanagement zunehmend von essentieller Bedeutung, weil sich besonders im Falle von Bauprojekten immer Mängel, Probleme, Fehlfunktionen, Versagensfälle und Schäden ergeben können – und werden. Indem die juristische Seite von Anfang an Teil des Projektmanagements ist, können Konflikte schneller, besser und nachhaltiger gelöst werden.
In diesem Sinne ist es Aufgabe des Ingenieurs, sich nicht nur mit neuen Technologien auseinander zu setzen, sondern sich mit den technischen Problemen im Zivilrecht und im Strafrecht zu befassen und der Rechtsprechung unterstützend zur Seite zu stehen.
Vorerst ist es von Bedeutung, ein annehmbares Risiko zu definieren, was grundsätzlich durch die Politik und die einschlägigen Normen durchgeführt wird, im Speziellen aber auch durch eine projektspezifische Festlegung.
In der Praxis werden durch das konkrete Handeln stets öffentliches Recht, Privatrecht und gegebenenfalls auch das Strafrecht berührt. Beim Planen und Bauen werden eine Vielzahl technischer Normen vorausgesetzt, die folglich teilweise verbindlich gültig, teilweise aber auch „nur“ allgemein erwartbar sind, sodass sich die Begriffe der anerkannten „Regeln der Technik“, der „Stand der Technik“, aber auch der weiter reichende „Stand der Wissenschaft“ ergeben.
Grundsätzlich besteht beim Planen die Fragestellung, ob eine Ergebnispflicht oder eine Handlungspflicht gegeben sind. Die Tendenz geht im Rechtswesen eher zur Auffassung, dass eine Ergebnispflicht gegeben ist, weil der Projektant mit der Konzeption eines „Opus perfectum“. Demgegenüber ergibt sich im Falle der Bauüberwachung eine Handlungspflicht. Grundsätzlich besteht nach römischem Recht eine Sorgfaltspflicht („diligentia“). Andernfalls liegt Fahrlässigkeit vor. Für die Bauüberwachung gilt die „diligentia quam in concreto“, sodass keine allgemeine Sorgfaltspflicht, sondern nur eine spezifische Handlungspflicht gilt.
Die Ergebnispflicht kann allerdings in Richtung Auftraggeber wandern, insofern dieser unter explizitem Hinweis auf die Bedenken und Risiken die Entscheidungsverantwortung übernimmt.
Normen werden interpretiert und konkret angewandt. Dabei findet immer eine logische Interpretation statt, indem der spezifische Anwendungsfall mit geltenden Normen verglichen wird, die sich teilweise überschneiden und vielfach im Vagen bleiben müssen, sodass juristischer Interpretationsspielraum besteht. Allerdings ist speziell im Zivilrecht immer ein kausaler Zusammenhang zwischen Ursache und Mangel oder Schaden erst zu beweisen.
In der Rolle des technischen Experten trifft der Sachverständige keine juristischen Bewertungen, sondern nimmt im juristischen Prozess eine funktionelle Rolle ein, die sich auf die Feststellung und Darlegung der Fakten unter Bezugnahme auf das technische Hintergrundwissen bezieht.
Während es im Strafrecht darum geht, ein Vergehen festzustellen, geht es im Zivilrecht darum, einen Schaden festzustellen. Im Zivilrecht sind zwei Aspekte relevant:
- Die faktische Kausalität, also das Verhältnis zwischen Verhalten und Ereignis
- Die juridische Kausalität, also die Feststellung eines Schadens und der entsprechenden Schadensverantwortlichkeit.
Im Zivilrecht ist die Hierarchie zwischen Rechtsstaat und Beschuldigtem nicht gegeben, sodass es kein „Im Zweifel für den Angeklagten“ gibt, sondern eine Prävalenz von Evidenzen, die wahrscheinlicher sind. Daraus ergibt sich eine Nachweispflicht oder zumindest eine Wahrscheinlichkeit.
Die am juristischen Prozess Beteiligten können in vielen Fällen vielleicht nicht den exakten technischen Sachverhalt nachvollziehen, stützen sich aber auf Sachverständige, die sie nach den folgenden Charakteristika einordnen:
Autorität des Experten;
Wissenschaftliche Einordnung der angewandten Erkenntnismethoden;
Logik der Argumentation und Beweislegung;
Kohärenz der Argumentation und Beweislegung.
Die beiden Figuren, die im Spezifischen im Falle einer Gerichtsverhandlung auftreten, sind:
- Der Amtssachverständige (ASV), der aus der Pflicht der Richters resultiert, Daten und Fakten zu ermitteln, die einen spezifischen technischen Hintergrund erfordern und der folglich analog zum Richter einen objektiven Wahrheitsanspruch verfolgt;
- Der Parteisachverständige (PSV), der weniger dem objektiven Wahrheitsanspruch folgt, was natürlich nicht bedeutet, dass der Wahrheitsanspruch nicht gilt, sondern dass die Rolle darin besteht, die Interessen des Mandanten zu vertreten.
Bevor es zu einem Prozess kommt, findet ein Beweissicherungsverfahren (istruzione probatoria) statt, in welchem die technische Tatsachenfeststellung erfolgt, welche in der Folge auch als Grundlage für eine außergerichtliche Einigung dienen kann. Im Beweissicherungsverfahren können keine rechtlichen Wertungen getroffen werden. Auf das Beweissicherungsverfahren folgt der Zivilprozess, in welchem das Gericht eine Verantwortlichkeit (merito della causa) feststellt.
Im italienischen Zivilprozessrecht setzt gemäß Artikel 696 (Accertamento Tecnico Preventivo ATP) bei Dringlichkeit die Möglichkeit der technischen Begutachtung fest, welche die objektiven technischen Ursachen für einen Mangel festzustellen hat. Damit soll insbesondere auch dem Umstand vorgebeugt werden, dass die objektiven Umstände, die zu einem Mangel geführt haben, verändert werden. Artikel 696 legt demgemäß fest, dass es frei steht, eine technische Begutachtung durchzuführen, insofern diese für die Verhandlung notwendig ist.
In den meisten Fällen geht es im Spezifischen um Abweichungen vom vertraglich Zugesicherten, um Mängel, also Qualitätsdefiziten oder Ausführungen, die nicht den Regeln der Technik entsprechen, und schließlich um Schäden, die grobe Mängel in Bezug auf strukturelle Elemente, Funktionen darstellen oder den Wert der Immobilie beeinträchtigen.
Literatur:
[1] Karl-Heinz Keldungs, Joachim Ganschow, Norbert Arbeiter: „Leitfaden für Bausachverständige: Rechtsgrundlagen – Gutachten – Haftung“, Springer, Wiesbaden 2018
[2] Klaus Kapellmann (Hrsg.): „Juristisches Projektmanagement bei Entwicklung und Realisierung von Bauprojekten“, Werner Verlag, Düsseldorf 1997
[3] Axel Wirth, Cornelius Pfisterer: „Privates Baurecht praxisnah“, Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2011
[4] Katharina Müller und Rainer Stempkowski: „Handbuch Claim-Management“, Linde Verlag, Wien 2015


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