Im Bereich der Energieproduktion nimmt Infrastruktur eine essenziell dynamische Rolle ein, die zunehmend bedeutend ist und wird. Die Hintergründe sind nachvollziehbar [2]:
- Energie ist ein essenzielles Gut.
- Energie ist für die Erfüllung von Grundbedürfnissen notwendig
- Energieinfrastruktur hat lange Planungszeiten, Stichwort Pfadabhängigkeit
- Energievorkommen sind global ungleich verteilt und bewirken geopolitische Konsequenzen
- Staatliche Akteure sind vielfach in die Energieversorgung involviert
- Energieproduktion erzeugt Umweltbelastungen sowie Risiken.
Der Übergang des Strommarktes zum liberalisierten Markt stellte weitreichende Konsequenzen für das Thema der Stromproduktion und des Stromhandels dar. Insbesondere in Zeiten, in denen die Relevanz elektrischer Energie deutlich an Bedeutung gewann und gewinnt, lag und liegt das Geschäft vielerorts sprichwörtlich vor der Nase – und mit diesem Geschäft auch die strukturellen Probleme von Politik und Verwaltung, die nicht immer den Grundsätzen des guten Staates gehorchen wollen.
Im Sinne von Infrastruktur, die immer etwas Vernetztes ausdrückt, war immer schon ein europäischer Austausch vorhanden, der dazu diente, die Netzstabilität zu sichern. Mit der Liberalisierung des Strommarktes, der allen Netznutzern einen diskriminierungsfreien Netzzugang ermöglichen muss, sollten allerdings ein wirklicher Strommarkt und ein internationaler Stromhandel entstehen. Daraus ergibt sich die volkswirtschaftliche Komponente: In einer Marktwirtschaft besteht der Sinn und Zweck der Standortpolitik darin, den Strom dort zu produzieren, wo die Produktion am günstigsten ist, und dort zu verkaufen, wo der beste Preis bezahlt wird.
Während Frankreich oder Deutschland, aber auch Norwegen typische Exportländer sind, sind Italien oder Österreich Importländer, die Schweiz hält sich im Gleichgewicht. Exportländer verfügen entweder aufgrund der Kernenergie oder wegen großer jahreszeitlicher Stromressourcen aus Wasserkraft, Windenergie und Photovoltaik über Überschüsse. Stromimportierende Volkswirtschaften kämpfen vielfach mit hohen Produktionskosten, sodass ein Import naheliegend ist. Insbesondere der Wasserkraft steht im Winter häufig geringes fließendes Wasser zur Verfügung, wobei der Klimawandel auch hier Veränderungen bewirken wird. Folglich ist etwa Österreich im Winter auf den Import thermischer Energie angewiesen. Italien setzt zu einem guten Teil auf Kraftwerke, die Erdgas oder Öl thermisch nutzen.
Strombörsen garantieren einen transparenten und sicheren Marktzugang. Strom wird über direkte Verträge oder an Börsen beschafft. Da elektrischer Strom derzeit technologisch noch kaum gespeichert werden kann, verfügt der Stromhandel über Besonderheiten. Gehandelt wird Strom an gesetzlich geregelten Börsen sowie außerbörslich Over the Counter (OTC – über den Tresen). An den Börsen wird Strom langfristig gehandelt, also Monats-, Quartals- oder Jahresverträge, auch Futures genannt. Außerbörslich wird Strom bilateral oder über Broker gehandelt. Am Spotmarkt wird Strom kurzfristig gehandelt, am Vortag oder am gleichen Tag. Wird kurzfristig eine höhere Energiemenge benötigt, kommt Regelenergie ins Spiel, indem Energiereserven beansprucht werden.
Im Sinne der europäischen Integration wird heute über den Ausbau der internationalen Netze debattiert, Stichwort „Europäischer Supergrid“. Dadurch soll Windenergie aus Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee sowie an der Atlantikküste genauso zugänglich gemacht werden wie der Strom, der in solarthermischen Kraftwerken in südlichen Regionen an den Mittelmeerküsten produziert wird. Hinzu kommen Wasserkraftwerke in den Alpen, aber auch in den Pyrenäen sowie in Afrika. In Norwegen könnten Pumpspeicherkraftwerke als Energiespeicher wirken. Ergänzt wird dieses europäische Supernetz durch Geothermie (wo tiefgründig möglich), Biomasse und Photovoltaik.
Notwendig wären für dieses europäische Supernetz unzählige Kilometer an Hochspannungsleitungen. Die Europäische Union würde auf jeden Fall an politischer Bedeutung gewinnen. Allerdings nimmt auch die Anfälligkeit für Krisen im Sinne kritischer Infrastruktur zu, ganz zu schweigen von den geopolitischen Herausforderungen. In diesem Sinne stellt sich die Frage, ob Energieangelegenheiten nicht vor allem auch lokal und regional gelöst werden müssen.
Die Dezentralität ist ein wichtiger Pfeiler einer gesicherten Energieversorgung. Insbesondere regenerative Energie ist weitgehend lokal und regional konzipiert. Die Versorgungssicherheit durch Dezentralität ist ein wichtiges Anliegen für ein dezentrales Europa, das aus Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung und nicht im Sinne größtmöglicher Konzerngewinne handelt, allerdings ist es aufgrund von jahreszeitlichen Schwankungen, mangelnden Möglichkeiten zur Speicherung sowie aus volkswirtschaftlicher Rationalität notwendig, dass darüber hinaus ein Zugang zum Markt mit entsprechenden Importen und Exporten möglich ist.
Da zur Produktion der Ressource elektrischer Strom natürliche Ressourcen verwendet werden müssen, die einem Verbrauch gemeinschaftlicher Ressourcen entsprechen und weil die Produktion auch mit negativen Auswirkungen verbunden ist, aber auch, weil entgegen des durchliberalisierten kapitalistischen Marktes Staaten natürlich ein Eigeninteresse sowie eine Verantwortung gegenüber den Staatsbürgern haben, entsteht im Zusammenhang mit Infrastruktur immer auch die Fragestellung nach dem Gemeinschaftlichen und den Grenzen des Marktes. Umweltanliegen sind mehr als berechtigt, vor allem auch im Kontext von Wasserknappheit. Dieser Wasserknappheit ist dann Wasserüberschuss im Sinne von Hochwasser gegenüber gestellt, sodass heute Ausgleichsmaßnahmen und Infrastruktur notwendig werden.
Südtirol verbraucht ungefähr 3500 GWh an elektrischer Energie, produziert allerdings rund 6000 bis 8000 Gwh, wobei der Hauptanteil Wasserkraft darstellt mit zunehmenden Anteilen, die Biomasse und Photovoltaik abdecken. Im Jahr 2021 betrug die Produktion elektrischer Energie aus Wasserkraft rund 6000 GWh, während mit Biomasse und Photovoltaik nicht ganz 300 GWh produziert wurden. Der fossile Anteil beträgt allerdings auch über 200 GWh.
Diesen Zahlen, die die elektrische Energie betreffen stehen aber Wärmeverbrauchszahlen von rund 7000 GWh gegenüber. Rund 50 % des Energieverbrauchs fällt auf Wärme, nur 25% auf elektrische Energie. Ein zunehmender Anteil wird durch erneuerbare Energie gedeckt, der größte Teil immer noch durch Gas und Heizöl. Die zunehmende Produktion von Wärme durch die Wärmepumpe wird folglich deutlich mehr elektrischen Strom beanspruchen, der gerade in den Wintermonaten durch Wasserkraft spärlich ist.
Die Überproduktion des elektrischen Stroms betrifft in Südtirol die Monate Mai bis September. In den Wintermonaten von Jänner bis März besteht tendenziell ein Unterangebot. Nicht berücksichtigt ist dabei die zunehmende Produktion von Wärme aus elektrischem Strom. Daraus folgend wird die Suche nach Speichermöglichkeiten evident.
Um die Hochpreislage in Südtirol in den Griff zu bekommen, wird auf politischer Ebene derzeit eine eigene autonome Regulierungsbehörde debattiert. Regulierungsbehörden kontrollieren die Verteilung und den Verkauf und wahren den Wettbewerb im Sinne des Endverbrauchers. Regulierungsbehörde können allgemeine Vorgaben zur Festlegung der Preise sowie zur Vertragsgestaltung tätigen und unter Umständen auch eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, falls gerechtfertigt, festlegen. Gemäß EU-Recht sind Regulierungsbehörden für Verwaltungseinheiten möglich, allerdings würde eine solche im Kontrast zu nationalen Gesetzen und womöglich zum Verfassungsgerichtshof stehen und der nationalen Regulierungsbehörde unterstellt sein.
Der italienische Strommarkt war von 2007 bis 2024 in einen geschützten und in einen freien Bereich unterteilt, bei ersterem stellte der Stromnetzbetreiber die Stromrechnung aus. Während im geschützten Bereich die staatliche Regulierungsbehörde ARERA (Autorità di regolazione per energia reti e ambiente) den Preis festlegt, ist dieser im freien Markt den Marktbedingungen unterstellt.
In Italien bestimmt grundsätzlich der PUN (prezzo unico nazionale) in den seit 2021 sieben staatlichen Gebotszonen den Kaufspreis. Für den Käufer wird der Kaufpreis vereinheitlicht, während der Verkäufer den Verkaufspreis erhält, der in der entsprechenden Gebotszone gilt. Eine Gebotszone ist ein Teilgebiet im europäischen Binnenmarkt für Elektrizität, in der ein einheitlicher Strompreis definiert wird. Der PUN entspricht dem Durchschnittswert der Gebotszonen, gewichtet nach den Verkaufsmengen und bezieht sich auf den Handelsplatz IPEX (Italian Power Exchange). Gehandelt wird nach dem Prinzip des Folgetages (Day-Ahead-Markt für jede Stunde des Folgetages).
Die italienischen Gebotszonen sind:
- NO Zona Nord costituita dalle regioni Valle D’Aosta, Piemonte, Liguria, Lombardia, Trentino-Alto Adige, Veneto, Friuli-Venezia Giulia, Emilia-Romagna
- CN Zona Centro Nord costituita dalle regioni Toscana, Marche
- CS Zona Centro Sud costituita dalle regioni Umbria, Lazio, Abruzzo e Campania
- SU Zona Sud costituita dalle regioni Molise, Puglia, Basilicata
- CA Zona Calabria
- SI Zona Sicilia
- SA Zona Sardegna
Folglich besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem PUN-Preis und dem Preis, den die Regulierungsbehörde festlegt.
Erneuerbare Energie ist eine Frage des ökologischen Zugangs zum Thema Energieversorgung. Darüber hinaus entspricht es natürlicher Intelligenz, die Potentiale, die die Natur immerwährend bietet, bestmöglich zu nutzen. Mit der optimalen Nutzung erneuerbarer Energie wird der notwendige Ausgleich zwischen Technologie und Natur geschaffen, sodass der nachfolgenden Generation eine lebenswerte Heimat hinterlassen wird.
Literatur:
[1] Panos Konstantin: „Praxisbuch Energiewirtschaft – Energieumwandlung, -transport und -beschaffung, Übertragungsnetzausbau und Kernenergieausstieg“, Springer Verlag, Berlin 2017
[2] Andreas Seeliger: „Energiepolitik – Einführung in die volkswirtschaftlichen Grundlagen“, Verlag Franz Vahlen, München 2018
[3] Christian Synwoldt: „Dezentrale Energieversorgung mit regenerativen Energien – Technik, Märkte, kommunale Perspektiven“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2021
[4] Viktor Wesselak, Thomas Schabbach, Thomas Link, Joachim Fischer: „Handbuch Regenerative Energietechnik“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2017


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