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Bauen im Fels: Felsmechanik und geotechnische Rechenmodelle

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Mit dem Boden, ob lockerer Boden oder Fels, wachsen die Geheimnisse. Während in unserer technischen Welt – mehr oder weniger alles – analytisch erfassbar ist, sammeln sich in der Geologie die Geschichten und Schichten. Alles wird undurchsichtig und geheimnisvoll. Aufgrund dessen meiden wir vielfach das Terrain Boden. Oder verbleiben im Allgemeinen, beim „Üblichen“, bei üblichen Annahmen, die aber auch Risiken oder ineffizientes Bauen bedeuten.

Und klar, wenn wir in exponierter Lage bauen wollen, müssen wir hinaus in den Fels.

Leopold Müller kontrastierte die Geotechniker seiner Zeit, indem er den Baugrund Fels „berechenbar“ machte und sich damit jenen Zeitgenossen in den Weg stellte, die davon ausgingen, dass Bauen im Fels Erfahrung und nicht Wissenschaft sei.

Das Bauen im festen (oder lockeren) Boden setzt Untersuchungen voraus, die systematisch und nicht zufällig sein sollen und müssen. Dadurch wird das Risiko berechenbar, aber auch vergleichbar und es stellt sich erst die Frage, ob der notwendigen geotechnischen Sorgfaltspflicht nachgekommen wurde. Im Nachhinein eröffnen sich damit aber auch die Fragen nach der Verantwortlichkeit.

Ohne sorgfältige Untersuchungspflichten wird das Bauen für den Auftraggeber ein nicht händelbares, weil zu teures, Risiko. Aus der analytischen Untersuchung werden Schichten, Klüfte, potentielle Mechanismen und Möglichkeiten erfassbar. Die Unklarheiten lösen sich langsam auf. Der Aufwand ist groß, die Erkenntnis aber auch.

Das Bauen im Grundbau ist ein Bauen mit den Naturzusammenhängen, die stets dynamisch sind. Da und dort greifen wird in das Gewachsene ein, schichten und formen neu, formen um und beobachten, wie die Natur auf unsere Beiträge reagiert, ob sie diese annimmt oder dagegen aufbegehrt. Im letzteren Fall beginnen wir mit unseren Planungen neu, wenngleich wir es auch so tun könnten, wie viele konventionelle Zeitgenossen, die wie die Walze über das Naturgewachsene drüber fahren und die Schäden – entrückte Natur, dysfunktionale Zusammenhänge, zerstörte Vegetation, verscheuchte Fauna, verschwundene Quellen – der Allgemeinheit anlasten.

Das Bauen in der Natur und mit der Natur ist dynamisch und konstruktiv. Gewachsener Boden, Wasserhaushalt, Fels, dynamische Gleichgewichtszustände und menschliche Infrastruktur stehen oft im Widerspruch, müssen aber in einen Einklang gebracht werden. Wir arbeiten an exponierter Lage. Dort, wo die Dinge rau und schroff sind, die Kräfte gewaltig und unsere Rolle als Gestalter eine möglichst passive.

Werkstoff Fels

Das Trennflächengefüge definiert in der Felsmechanik das Großgefüge. In Sedimentgesteine sind die Trennflächen häufig schichtparallel. Bei Tiefengesteinen treten häufig Lagerklüfte parallel zur Geländeoberfläche auf, die auf unterschiedliche Volumenänderungen zurück zu führen sind. In metamorphen, aber auch in Sedimentgesteinen entstehen durch tektonische Bewegungen Falten, also Verkrümmungen. In Bezug zu den Falten entstehen Quer-, Längs- und Diagonalklüfte. Ebenso entstehen beim Erkalten und Erstarren magmatischer Gesteine Klüfte.

Trennflächen im Fels werden über ihre Raumstellung geometrisch erfasst. Das Streichen ist der Winkel zwischen Höhenlinie und der Nordrichtung. Das Fallen ist der Winkel zwischen der Falllinie der Trennfläche und der Horizontalen.

Weiters wesentlich sind:

  • Der Abstand zwischen benachbarten Trennflächen
  • Der Grad der Durchtrennung der Trennflächen
  • Die Rauigkeit der Oberflächen, die Oberflächenform und die Art der Füllungen

Für Walter Wittke lautet die Definition für Fels: „Fels ist innerhalb eines bestimmten Homogenbereiches ein durch eine oder mehrere Scharen annähernd ebener, zueinander paralleler Trennflächen zerteilter homogener Festkörper, der ein richtungsloses, flächiges oder lineares Gefüge haben kann. Störungen treten in der Regel als Einzelelemente auf“ [1].

Felsmechanik

Bei Untersuchungen im Fels sind Spannungsbetrachtungen wesentlich. Insbesondere geht es um das Spannungsdehnungsverhalten des Gesteins. Häufig wird die Annahme getroffen, dass sich Gesteine mit richtungslosem Korngefüge im elastischen Bereich isotrop und solche mit flächigem Gefüge oder linearem Korngefüge transversal isotrop verhalten. Die Festigkeit definiert den Bereich, in dem die Elastizitätstheorie gilt. Bei Erreichen der Festigkeitsgrenze stellt sich ein Bruchkriterium, etwa jenes von Mohr-Coulomb, ein.

Zu beachten ist auch, dass Festigkeitsüberschreitungen im isotropen Gesten ein zeitabhängiges Verhalten aufweisen, wozu ein viskoplastisches Verhalten angenommen wird. Im Gestein stellen sich Spannungsumlagerungen ein [2].

Es liegt auf der Hand, dass Trennflächen einen wesentlichen Einfluss auf die Verformbarkeit und Festigkeit des Felses haben. In der Regel stellt sich in Rissnähe eine Spannungskonzentration ein.

Entlang der Trennflächen ist der Gebirgszusammenhalt aufgehoben und die Schubspannungen können nur über Reibung übertragen werden. Wesentlich ist folglich die Beurteilung der Reibung in der Kontaktfläche. Mit der Überschreitung der Trenflächenfestigkeit entstehen irreversible Verformungen.

Aus den Ausführungen folgt, dass die Abbildung von Fels in numerischen Berechnungen eine komplexe Angelegenheit darstellt. Diskrete Modelle wie die Modellierung als Finite Elemente stellt Felskörper und Trennflächen gesondert dar. Allerdings kommt der Modellannahme und folglich der detaillierten Untersuchung eine wesentliche Rolle zu.

Als Alternative kommen homogene Modelle zur Anwendung. Beispielsweise wird der Boden nicht als Zusammenwirken von Gesteinskörnern, Luft und Wasser modelliert, sondern als homogenes System mit mittleren Spannungen und Verformungen. Diese Homogenisierung gilt allerdings nur so lange, wie die Homogenisierung mechanisch sinnvoll ist. Ähnlich sind im Felsbau homogene Modelle formulierbar.

Im homogenen Modell erfolgt eine Abminderung des Elastizitätsmoduls des Felses senkrecht zur Trennflächenschar und des Schubmoduls parallel zur Trennflächenschar. „Ähnlich wie eine Schieferung stellt eine derartige Trennflächenschar innerhalb des Felses nicht nur eine Ebene abgeminderter Festigkeit dar, sondern sie führt auch zu einer Anisotropie des Spannungsdehnungsverhaltens für Beanspruchungen unterhalb der Festigkeit. Sofern im Fels nur eine Trennflächenschar vorhanden ist, die die Verformbarkeit deutlich beeinflusst, und das Gestein selbst isotrop ist, kann dieser Einfluss mit der transversal isotropen Spannungsdehnungsbeziehung erfasst werden“ [1].

Die Anwendungen sind verschieden. In diskreten Modellen werden die Trennflächen auf das System verschmiert. Die mechanischen Eigenschaften werden anhand des Verlaufs der Trennflächen modifiziert. Dadurch wird der Rechenaufwand minimiert. Die Genauigkeit ist gegeben, wenn das Trennflächengefüge in Relation zum betrachteten System klein und engmaschig ist. Ansonsten werden diskrete Modelle angewandt.

Letztlich ist es schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, ob diskrete oder homogene Modelle zu realistischeren Ergebnissen führen. Da in beiden Fällen die felsmechanischen Annahmen entscheidend sind, hängt die Exaktheit des Modells immer von diesen Annahmen ab. Da in beiden Fällen zahlreiche Vereinfachungen zur Anwendung kommen, handelt es sich ohnehin um eine theoretische Angelegenheit, die nur in Überprüfung in der Praxis verifiziert werden kann.

Neben diesen Untersuchungen des Spannungsdehnungsverhaltens sind im Felsbau immer auch Stabilitätsbetrachtungen notwendig, die durch Modelle kaum hinreichend untersucht werden können. Insbesondere bei Böschungen entstehen durch die Trennflächen Felskeile, die durch Translations- und Rotationsbewegungen gefährdet werden. Die Beurteilung erfolgt über Starrkörpermechanismen.

Neben Spannungsdehnungsbetrachtungen sind Sickerströmungen von essentieller Bedeutung, um die Standfestigkeit zu beurteilen.

Literatur:

[1] Walter Wittke: „Felsmechanik – Grundlagen für wirtschaftliches Bauen im Fels“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1984

[2] Leopold Müller: „Der Felsbau – Felsbau über Tage 1. Teil“, Springer Verlag, Heidelberg 1963

[3] Leopold Müller: „Der Felsbau – Felsbau über Tage, 2. Teil“, Springer Verlag, Heidelberg 1992

[4] Leopold Müller: „Der Felsbau – Felsbau über Tage, 2. Teil“, Springer Verlag, Heidelberg 1995

[5] Leopold Müller: „Der Felsbau – Band 3 Tunnelbau“, Springer Verlag, Heidelberg 1978

4 Antworten zu „Bauen im Fels: Felsmechanik und geotechnische Rechenmodelle”.

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