Bauen ist bei Weitem kein banaler Vorgang, sondern ein elementarer Prozess. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Architektur begriffsgemäß als die „erste“ Kunst gilt.
Bauen bedeutet Verortung. Wir verbinden uns dauerhaft mit dem Ort. Das Gebaute gründet auf dem Boden. Es nimmt gleichzeitig aber auch eine Stellung zur Umgebung ein, es besetzt einen physischen Raum, der immer exklusiv ist – in unserer dreidimensionalen Welt kann ein und derselbe Raum immer nur durch ein Objekt besetzt werden –, und das Gebaute gliedert, markiert, unterteilt und verändert den Raum.
Diese Territorialität, also die Verbundenheit mit einem bestimmten Raum, ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Bei anderen Wesen sprechen wir selbstverständlich vom „territorialen“ Verhalten. Beim Menschen sind die Dinge etwas komplizierter. Und doch ist die Beziehung zum Territorium grundlegend.
Gerald R. Blomeyer und Barbara Tietze unterstreichen diesen Umstand: „Das menschliche Bedürfnis nach Identität steckt Territorialitäten ab, exklusive Ansprüche auf den Ort (mein Platz, meine Wohnung, unser Stammtisch, unsere Straße, etc.), die ein wesentliches Mittel zur sozialen Strukturierung der Welt sind“ [1].
Die eigentliche Aufgabe des Bauwerkes besteht begriffsgemäß im Schutz. Damit ist gleichzeitig auch die Fähigkeit des Gebauten gemeint, dem Menschen einen gegebenen Raum zu gewähren, den er als „seinen“ einrichtet und mit dem er sich von der Außenwelt abgrenzt. Das „Haus“ bezeichnet im Althochdeutschen das „Bedeckende“ und meint gewissermaßen eine Schutzwirkung durch die Umhüllung.
Das Schutzbedürfnis, das sich dem Menschen mit dem gebauten Raum ergibt, ist ein vielfaches. Der Begriff der „Geborgenheit“ ist zutreffend. Einerseits ist damit der physische Schutz gemeint. Andererseits ein emotionales Wohlgefühl.
„Geborgenheit“ bezeichnet einen Zustand des Sicherheits- und Wohlbefindens. Etwas, das „geborgen“ ist, ist aufgehoben, sicher, beschützt, verwahrt. Geborgenheit meint sowohl eine physische als auch eine emotionale Seite.
Das Gegenteil von Geborgenheit ist die Verletzlichkeit. Geborgenheit ist die Grundlage für Intimität. Dadurch, dass ein Grundvertrauen gegeben ist, können wir uns hingeben, ohne dass die Gefahr der Verletztheit droht.
Der italienische Kunsthistoriker Marco Bussagli schreibt zu den grundlegenden Anforderungen an das Gebaute: „Die Architektur, im ursprünglichen Sinn des Planens und Bauens, ist eines der Mittel, die dem Menschen zur Verfügung stehen, um seinen Lebensraum zu gestalten. Mittels der Baukunst schaffen wir Räume, die funktionieren, indem sie kollektive und individuelle Bedürfnisse befriedigen. Der Drang des Menschen, sich eine dauerhafte, standfeste Behausung zu schaffen, ist elementar und uralt“ [2].
Es sind die menschlichen Bedürfnisse – und vorerst jene nach Schutz und nach Wohlbefinden –, die den Menschen zur Umgestaltung seiner materiellen Umgebung bewegen.
„Die Beziehung des Menschen zu seinem Lebensraum wird von seiner anatomischen Struktur konditioniert“ schreibt Marco Bussagli. Damit ist gemeint, dass der Mensch, der sich im Raum bewegt, den Raum im menschlichen Maßstab umgestaltet.
Literatur:
[1] Gerald R. Blomeyer & Barbara Tietze: „In Opposition zur Moderne – Aktuelle Positionen in der Architektur“, Vieweg & Sohn Verlag, Braunschweig 1980
[2] Marco Bussagli: „Was ist Architektur – Epochen, Stile, Techniken von der Antike bis zur Moderne“, Kaiser Verlag, Klagenfurt 2004


Hinterlasse einen Kommentar