Risse im Hochbau können das optische Erscheinungsbild einer Fassade beeinträchtigen, sie können aber auch die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks betreffen und nicht zuletzt statische Probleme verursachen, sodass die Tragfähigkeit gefährdet ist.
Es liegt folglich an einem Sachverständigen, zu beurteilen, inwiefern ein Riss eine Gefahr darstellt, aber auch der Frage nachzugehen, inwiefern im Neubau ein Mangel vorliegt.
Bevor die Frage auftaucht, ob ein Riss eine potenzielle Einsturzgefahr darstellt, indem das Gesamtbauwerk oder Bauwerksteile gefährdet werden, ist die Rissursache zu erforschen. In vielen Fällen fällt diese nicht eindeutig aus, weil sich verschiedene Rissursachen überlagern (können).
Die Rissursache ist aus einem Grund relevant: Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Rissbildung bereits abgeschlossen ist oder ob sich Baugrund oder Bauwerksteile weiter bewegen.
Im Bereich der Rissdiagnostik geht der Bauingenieur wie ein Arzt vor. Aus statischen Gründen meinte mein Professor an der Technischen Universität Wien im Bereich Ertüchtigung und Erneuerung von Bauwerken, dass ein Problem erst dort auftrete, wo ein Finger in die Rissfuge passe.
Optische Risse sind nicht zu bagatellisieren. Verständlicherweise ist ein optischer Riss gegenüber einem strukturellen Riss gravierender, bezahlt allerdings ein Kunde für eine bestimmte Leistung und weicht die erbrachte Leistung von der vertraglich erwarteten Leistung ab, liegt ein Mangel vor, der Ansprüche geltend machen kann.
Problematisch ist, dass Risse an und für sich nicht genormt sind.
Bei optischen Rissen und bei der Bewertung der Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit ist ähnlich, wie bei Sichtbetonoberflächen vorzugehen, indem nämlich die Relevanz zu beurteilen ist:

Insbesondere der Zusammenhang Außenwand, Wärmedämmung und Verputz ist aufgrund der unterschiedlichen Temperaturlage sowie der materialbedingten, unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten, für Risse anfällig. Während die Außenwand innenseitig beispielsweise eine Oberflächentemperatur von 25 Grad Celsius haben kann, kann eine Fassadenoberfläche Temperaturen von 70 bis 80 Grad Celsius erreichen. Es erklärt sich von selbst, dass dadurch Spannungen entstehen.
Das Sachverständigenwesen hat sich damit zu beschäftigen, welche Risse letztlich vermeidbar wären.

Im Bereich der strukturellen Risse sind die folgenden Unterscheidungen gegeben:
- Baugrundbedingte Risse, die aus Spannungsumlagerungen sowie aus Setzungen im Baugrund resultieren
- Konstruktive Risse, die auf die konstruktive Eingriffe zurückzuführen sind
- Untergrundbedingte Risse, die aus dem Wandmaterial entstammen
- Putzbedingte Risse, die aus der Putzverarbeitung oder aus dem Putzsystem resultieren.
Wesentlich ist die Erkenntnis, dass sich der Riss mehr oder weniger senkrecht zur mechanischen Beanspruchung öffnet.
Die Thermographie stellt im Bauwesen eine wichtige, zerstörungsfreie Untersuchungsmethode dar, mittels welcher Hohlstellen lokalisiert werden können.
Liegen die Ursachen im Baugrund, ist entweder der vorhandene Baugrund zu ertüchtigen oder es wird die Bauwerksgründung durch eine Nachgründung verstärkt, etwa durch Unterfangungen, Pfähle, Düsenstrahlverfahren oder Injektionen.

Konstruktiv bedingte Risse werden – aufwändig – durch Rückbau und Neubau beseitigt, durch das Beschichten oder Füllen der Risse, insofern keine Rissbreitenänderungen zu erwarten sind oder durch das Herstellen von Fugen (Dehnfugen), die eine Bewegung zulassen.
Risse, die einen konstruktiven Hintergrund haben, können verankert oder vernadelt werden, um das Mauerwerk zu stabilisieren und die Tragfähigkeit (Horizontalkräfte) nachträglich zu erhöhen. Die Anker werden in das Mauerwerk eingelegt und durch Injektionsmörtel verfestigt. Eingesetzt werden auch Spannanker, die das Mauerwerk unter Druckspannung setzen, die sich auftretenden Zugspannungen entgegensetzen. Einsetzbar sind auch Klebeanker (Kunstharzmörtel) sowie Spreizanker.
Bedeutend ist insgesamt die Frage, ob ein Riss abgeschlossen ist, dieser folglich überdeckt werden soll, oder ob die Rissentwicklung noch nicht abgeschlossen und folglich zu überbrücken ist.
Literatur:
[1] Frank Frössel: „Risse in Gebäuden – Damit aus einer Fassade kein Ris(s)iko wird“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2025
[2] Guido F. Moschig: „Bausanierung – Grundlagen, Planung, Durchführung“, Springer Verlag, Wiesbaden 2014


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