Du freies Wort, des Friedens Schwert, heraus aus deiner Scheide, und wie ein Blitzstrahl niederfährt, so leuchte deine Schneide.
Hermann von Gilm wurde am 1. November 1812 in Innsbruck als Sohn des Stadtgerichtsassessors Johann Nepomuk von Gilm geboren. Die Familie zog 1815 nach Vorarlberg und 1826 zurück nach Innsbruck, wo Gilm von 1833 bis 1836 Rechtswissenschaften studierte. Anschließend trat Hermann Gilm in den Staatsdienst ein und war in Schwaz, Bruneck, Rovereto, Wien und ab 1856 in Linz tätig. 1864 verstarb er in Linz, bevor er sich nach Tirol zurückversetzen konnte, hinterließ die Frau und seinen Sohn Hermann Rudolf.
Der Schwazer Kreishauptmann Anton von Gasteiger, 1809 Hauptmann der Villanderer Schützen, war es, der Hermann Gilm nach Bruneck versetzte.
Wie stark der bleibende Einfluss Gilms war und ist, wird alleine an der Geschichte des Männergesangsvereins Bruneck bewusst: „Es war der bekannte österreichische Jurist und Dichter Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812–1864), der zwischen 1842 und 1845 in Bruneck weilte und im Jahre 1843 mit einigen Gleichgesinnten, allen voran der Brunecker Landrichter Anton Petzer (1794–1887), die „Brunecker Liedertafel“ ins Leben rief.
Im Jahr 1868 schloss sich die Brunecker Liedertafel aus finanziellen Gründen dem Deutschen Turnverein unter dem Namen „Sängerschaft“ an und am 22. Mai 1873 erfolgte die offizielle Umwandlung in einen Männergesang-Verein mit Statuten durch die k.k. Statthalterei in Innsbruck. Somit ist der Brunecker MGV der älteste Männerchor in Südtirol und gemeinsam mit Wien einer der ältesten der damaligen Habsburger Monarchie.“
Seine freiheitlichen Gedichte konnte Herrmann Gilm aufgrund der metternichschen Repression zu Lebzeiten nicht unter seinem Namen veröffentlichen. Der metternichsche Polizeistaat unterdrückte jede freiheitliche oder republikanische Gesinnung radikal. In den anonymen Gedichten kritisierte er den Polzeistaat Metternichs sowie die Jesuiten als Symbol der klerikalen Ordnung scharf. Der Bezug „ultra“ ist auf den Ultramontanismus bezogen.

Der Ultramontanismus von ultramontan bzw. transmontan „jenseits der Berge oder Alpen“ kommend, bezeichnet den romtreuen politischen Katholizismus, dem die Konservativ-Klerikalen, vor allem aber die Jesuiten, politisch anhingen.
Hermann von Gilm gilt als wichtigster Tiroler Dichter des Vormärz und vielleicht des 19. Jahrhunderts.
In „Sonette aus dem Pusterthale“ schreibt Gilm „Deutschland erwacht, wenn auch vom fremden Spotte, Und wird zum Volk, zum mächtigen Vereine“ und ermahnt Tirol: „Tirol, reib‘ dir den Schlaf aus deinen Augen! Steh‘ auf vom alten Lotterbett: es taugen nicht welke Blätter für den frischen Morgen. Du kannst nicht ewig vom Vergang’nen borgen, Selbstmörderisch am eignen Blute saugen, Die Zeit ist da für neuen Ruhm zu sorgen.“
An Georgine schreibt er, in Anlehnung an die deutschen Befreiungskriege: „Ich bin ein deutscher Sänger und lieb‘ mein Vaterland. Das Fremde führt uns länger nicht mehr am Gängelband. Nicht mehr dem fremden Klange beugt sich der deutsche Geist, doch nach dem deutschen Sange da lieb‘ ich dich zumeist.“ Due Anspielungen sind (wohl) durchaus erotischer Natur.
Hermann Gilm war eng mit Josef Streiter befreundet, vermied aufgrund der politischen Repression eine öffentliche Parteinahme sowie eine Fraternisierung mit Adolf Pichler. In einem Brief an Streiter gesteht Gilm, nicht ins Etschland reisen zu wollen, weil ihm die staatlichen Behörden gewiss eine Verschwörung mit Streiter unterstellen und ihn bedrängen würden. So viel zur „Freiheit“ in Tirol.
Gilm hatte Angst um seinen alten Vater, den die staatlichen Behörden gequält hätten, indem sie diesem mitteilten, es würden wieder freiheitliche Revolutionen und Umsturzversuche stattfinden. Der Sohn, Hermann, sollte dasurch politisch konditioniert werden.
In einem weiteren Brief schreibt Gilm: „In den Kampf der Zeit kann ich jetzt mit meiner Poesie nicht treten“ und in Richtung Joseph Streiter: „Es kann kein deutsches Drama mehr geben ohne Politik und Sie sind der Zukunft vorausgeeilt“.
Eine Ausnahme bildete der Gedichtband „Tiroler Schützenleben“, der 1863 unter seinem Namen erschienen waren. Darin ehrte Gilm das Erbe der Tiroler Freiheitskämpfe und setzte ein poetisches Zeichen für Heimatliebe, Standhaftigkeit und Treue. Das Gedichtband entstand zum Anlass der 500 Jahre Tirol bei Österreich, das die Freiheitlichen initiierten, während die Klerikalen im selben Jahre lieber 300 Jahre Konzil von Trient abfeierten und gegen die deutschen Protestanten hetzten.
Hermann von Gilm ehrte jene Tiroler Schützen, die 1848 Deutschtirol verteidigten und die in der habsburgischen Geschichtsschreibung, aus dynastischen Gründen, letztlich vergessend gemacht wurden. Bis heute.

An den Tiroler Schützen appelliert Gilm: „Raff‘ dich auf, du Mann im Loden, Bist du doch ein deutscher Schütz‘; Freies Wort und freier Boden sind der Deutschen Erbbesitz„.
Und weiter:
Singt im Tal, singt auf den Almen,
Auch das Lied wird einmal Tat;
Gleichet ihr auch jetzt den Halmen,
Die der Regen niedertrat . . .
Nun ihr wisset, wie die Saaten
Langsam aufstehn in der Nacht —
Singt ihr deutschen Grenzsoldaten,
Deutscher Freiheit Gemsenwacht.Schützenlieder
Eine ganze Reihe patriotischer Gedichte wurde erst im Nachlass veröffentlicht, so etwa „Die Schützenfahne“, nachfolgend unzensiert:


Gilm bewies politisches Gespür:
Wir bleiben deutsch, so deutlich wie dieser See,
Wenn auch vier Fürsten und zwei Republiken
In das Ultramarinblau der Kamee
Verschiedenartig ihre Wappen drücken.
Ja, Brüder, ja, ihr kennt das Land Tirol,
Das alpengrüne, gletschereisdurchglänzte,
Den Schmuck- und Blumentisch und die Konsol,
Wo deutsche Freiheit ihre Schläfe kränzte.Zwar gibt’s noch viel Entbehrende des Lichts,
Und viele heucheln Blindheit — das ist ärger!
Wenn wir nicht Deutsche sind, so sind wir nichts,
Das merkt, Tiroler und Vorarlberger!
Gelobt es hier bei diesem deutschen Wein,
Der droben reift am Hügel der Ardetzen;
Kein deutsches Blut soll einen deutschen Stein
Im Bruderkampfe sündhaft mehr benetzen.Das erste Kaiserschießen in Bregenz
In Rovereto war Gilm Vorstand der deutschen Gesellschaft.
Gilm fand erst nach seinem Tod die Ehre, die ihm Habsburg und die Klerikalen verwehrten. Darüber hinaus unterstreicht Gilm als Zeitzeuge die deutschbewusste und politische Gesinnung, die die Tiroler Schützen 1848 und in der Folge an den Tag legten, ehe habsburgisch-klerikale Propaganda die Vereinnahmung für „Gott und Kaiser“ sicherstellte und mit dem „Vaterland“ nur noch die dynastischen Interessen Habsburgs meinte.
Hermann von Gilm wurde öfters als „erster Jung-Tiroler“ bezeichnet. Unter dem Begriff „Jung-Tirol“ wird später eine Gruppe freiheitlich gesinnter, deutschnationaler, anti-klerikaler Tiroler Dichter der Jahrhundertwende bezeichnet. Mentor war Adolf Pichler (1819-1900), die Gruppe Jung-Tirol wurde durch Hugo Greinz und Heinrich Schullern ins Leben gerufen.
Zwischen Adolf Pichler und der Witwe Gilms sowie den Gilmforschern entstand zwischen 1889 und 1903 die „Gilm-Fehde“, da Adolf Pichler den Vorwurf erhoben hatte, Gilm habe sich zu Lebzeiten mit den Jesuiten arrangiert.
Die sechs Gedichte „Der Tiroler Landtag“ machten aus Gilm zweifelsfrei den größten politischen Dichter Tirols:

1912 gab die Innsbrucker Burschenschaft Suevia eine Festschrift zum 100. Geburtstag Herrmann Gilms heraus, um damit jenen Dichter zu ehren, der wie kaum ein zweiter in Tirol deutschfreiheitliche Gedanken verbreitete. Das Festbuch wurde durch Max von Esterle gestaltet. Gilm wird darin als „größter Dichter Tirols“ erklärt, der „sterben musste, um berühmt zu werden“.



Die Gilm-Jubilare unterstreichen, dass Tirol im 19. Jahrhundert in Deutschlands Drang nach Freiheit, bedingt durch den Kulturkampf der Klerikalen, das am weitesten zurückgebliebene Land darstellte, aber dank Gilms Freiheitslieder aufzuschließen vermochte.
Eduard Erler lobte im Namen der jungdeutschen Vereinigung in seinem Beitrag im Festbuch „unseren großen Freiheitsdichter“ Gilm, der „das Licht des Geistes in strahlender Pracht die Schatten der Finsternis für alle Zeiten verscheuche“.
Gottfried Benn verehrte Herrmann Gilm. Richard Strauß vertonte 1885 acht Gedichte Herrmann Gilms.
Darunter „Allerseelen“:
„Stell’ auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag’ herbei
Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst im Mai.“
Nach Hermann von Gilm ist in Bruneck seit 1992 der Gilmplatz benannt. In Bozen ist eine Straße in der Nähe des derzeitigen Stadttheaters nach Hermann von Gilm benannt. Die Grundschule Obermais sowie ein Weg in Meran sind nach Gilm benannt. In Wien-Hernals existiert die Gilmgasse.
Literatur:
[1] Burschenschaft Suevia Innsbruck: „Festbuch zum hundersten Geburtstag Hermann von Gilms“, Burschenschaft Suevia, Innsbruck 1912


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