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Strohdächer in Südtirol: Denkmal und Konstruktion

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Am Tschögglberg zwischen Bozen und Meran, den Sarntaler Alpen und dem Etschtal, sind im Bereich historischer Bauernhöfe steile Dachformen mit Strohdeckung vereinzelt noch verbreitet. Gemeint sind die Gemeinden Jenesien, Mölten, Vöran und Hafling.

In der Regel wurde das Wohnhaus beim Paarhof flach mit Legeschindeln gedeckt und das Futterhaus mit scharfem, strohgedecktem Walmdach [1].

Das Stroh ergab sich in Südtirol als Abfallprodukt des Roggenanbaus. Dazu waren allerdings Roggensorten notwendig, die eine entsprechende Halmlänge ausbilden, was bei modernen Roggensorten vielfach nicht der Fall ist. Zudem bedingt die Errichtung eines Strohdaches, dass eine arbeitsintensive Pflege und Instandhaltung stattfinden.

Hostorische Aufnahme, Hugo Atzwanger

Die „Neuen Tiroler Stimmen“ schreiben 1884: „In Südtirol liebt man die Strohdächer, in Nordtirol die Schindeldächer, und die notwendige Folge dieser teuren Liebhaberei ist diese, dass Dorf um Dorf oft bis auf wenige Häuser zusammenbrennen“.

Das Land Südtirol hält mit Blick auf die Beiträge im Bereich Denkmalschutz und Landschaftspflege fest:

„Strohdächer gehören zu den schönsten Schöpfungen bäuerlicher Architektur und sind in Südtirol vorwiegend noch auf dem Tschögglberg, dem Ritten und im Eisacktal anzutreffen. Die lokalen Unterschiede in der Form des Daches sind gering. Das Tschögglberger Strohdach ist gekennzeichnet durch das steile Dach mit vorstehendem Giebel. Den abgeschrägten Walm hingegen findet man am Ritten und im Eisacktal. Die Steilheit des Daches, die ca. 50 Grad und mehr beträgt, ist materialbedingt. Das rasche Abfließen des Regenwassers gewährleistet nämlich die Haltbarkeit dieser einzigartigen Dachhaut. Die Strohdecke wird von einem einfachen Lattenrost mit Fachweiten von 30 – 40 cm getragen, an den die sogenannten „Dachschab“ mit dünnen Birken-, Erlen- oder Schlingbaumästen gebunden werden.“

In Norddeutschland werden hingegen Dacheindeckungen aus Reet (Schilf) errichtet.

Konstruktion

Schaut man sich an, wie Architekturbüros von Weltformat, wie das dänische Büro Henning Larsen, mit Stroh bauen, dann hat das Baumaterial durchaus auch in einem modernen Kontext Zukunft: „Harvesting ancient wisdom: a guide to designing with straw“.

Insbesondere im Zuge der Diskussion um baubiologische Aspekte beim Bauen mit dem Ansinnen, natürliche, unverarbeitete und atmende Baumaterialien zu verwenden, gewinnt das Stroh notwendigerweise an Bedeutung, ob als Material der Dachhaut oder als Wärmedämmung in der Holzständerbauweise.

Wie der Dachaufbau konkret aussieht, zeigen die konstruktiven Details:

Konstruktion Strohdach [2], [3]

Konkret handelt es sich beim genähten Dach um eine Drahtbefestigung an der Traglattung und beim gebundenen Dach um eine Bandstock-Befestigung.

Konstruktion Schilfdach [4]
Details [5]

Literatur:

[1] Horand Maier: „Relikte vergangener Zeiten. Die 16 Strohdächer Südtirols – Zeichen eines herausragendem Kulturgutes“, Kulturfenster, April 2012

[2] Ulf Hestermann , Ludwig Rongen: „Frick/Knöll Baukonstruktionslehre 1“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2015

[3] Ulf Hestermann , Ludwig Rongen: „Frick/Knöll Baukonstruktionslehre 2“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2013

[4] Gerhard Holzmann, Matthias Wangelin, Rainer Bruns: „Natürliche und pflanzliche Baustoffe Rohstoff – Bauphysik – Konstruktion“, Springer Verlag, Wiesbaden 2012

[5] Eberhard Schunck, Hans Jochen Oster, Rainer Barthel, Kurt Kiessl: „Dach Atlas – Geneigte Dächer“, Detail, München 2012

Foto: Volkskundemuseum Dietenheim (Facebook)

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