Würde ich mich allzu sehr an den Betreuer meiner Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien, Hermann Knoflacher, halten, müsste ich die Frage, was Verkehrsqualität ist, dahingehend beantworten, dass der beste Verkehr gar nicht erst stattfindet, sondern in Verkehrsvermeidung besteht. Daran ist nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil.
Gerade wenn es um Lösungen im Bereich Verkehr geht, sind jedoch eher kurzfristige Maßnahmen von eher langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden. Freilich, die Lösung besteht langfristig in der Planung nachhaltiger Umgebungen und Quartiere, die in erster Linie zu Fuß und mit dem Fahrrad begangen werden, weil vor Ort kleine Kreisläufe am Leben sind.
Weil langfristige Lösungen lange dauern und vielfach auch nur anzunähern sind, entsteht alleine durch die arbeitsteilige Gesellschaft ein Verkehrsaufkommen, das die Kapazitätsgrenzen der bauliche Infrastruktur erreicht und überschreitet. Weil Stau keine nachhaltige Option ist, sind da und dort, bis langfristige Konzepte greifen, kurzfristige Eingriffe notwendig, um die Verkehrsqualität zu sichern.
Verkehrsqualität:
Die Verkehrsqualität ist eine rechnerische Größe, die ermittelt, ob eine neue Straße die erwartete Verkehrsbelastung mit einer angestrebten Qualität abwickeln kann, indem eine festgelegte Reisegeschwindigkeit erreicht wird.
In den Vereinigten Staaten bildet der Highway Capacity Manual (HCM) seit 1950 die Grundlage für die Bewertung der Verkehrsqualität. In Deutschland wurde auf der Grundlage des HCM das das Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS) ausgearbeitet. Dahingehend wird von der „Knoflacher-Schule“ kritisiert, dass diese Art der Bewertung von Verkehrswegen kontraproduktiv sei, weil die Überlastung von Straßen den Ausbau von Straßen und die weitere Verkehrszunahme bedingen würde, was vielfach nachgewiesen wurde.
In Italien wird in zahlreichen Publikationen unmittelbare auf den amerikanischen HCM verwiesen, wobei die Bezugnahme auf das deutsche HBS wohl naheliegender wäre. Verkehrsstudien der Brennerautobahn A22 zur Dritten Spur zwischen Verona und Modena (2009) haben sowohl auf HCM als auch auf HBS Bezug genommen.
Stufe der Angebotsqualität (Level of Service):
Analog zum HBC definiert das HBS Stufen der Angebotsqualität bzw. Verkehrsqualität. Im Wesentlichen wird, ausgehend von der Verkehrsdichte, also der Frage, wie viele Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem Kilometer Straßenabschnitt verkehren, die Verkehrsqualität definiert. Es erklärt sich von selbst, dass dann, wenn die Verkehrsdichte zu hoch ist, jeder Verkehrsteilnehmer in seinem individuellen eingeschränkt ist, die Reisegeschwindigkeit nicht mehr frei wählbar ist und kurzfristige Bremsmanöver bei fortschreitender Verkehrsdichte ausreichen, um den Verkehrsfluss zu destabilisieren (Kolonnenverkehr bis Stau).
Die Logik dahinter ist die folgende: Wird für einen Straßenabschnitt nachgewiesen, dass die erforderliche oder gewünschte Verkehrsqualität nicht erreicht wird, wird – gemäß dieser Logik – ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur notwendig. Nicht beachtet wird dabei der Umstand, dass sich durch die erhöhte Kapazität die Attraktivität der Verkehrsverbindung erhöht und damit das (potenzielle) Verkehrsaufkommen.
Die Stufen der Angebotsqualität werden wie folgt definiert (HBS 2015):

Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV):
Die Verkehrsdichte definiert das Verkehrsaufkommen auf einem bestimmten Straßenabschnitt (KFZ pro Kilometer). Die Verkehrsstärke definiert das Verkehrsaufkommen pro Zeitabschnitt (zum Beispiel KFZ pro Stunde)
Das tägliche Verkehrsaufkommen auf dem Zählabschnitt in Kfz / 24h idte der Durchschnitt des gesamten Jahres. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke wird zusätzlich nach Tagesgruppe und Fahrzeugart differenziert ausgegeben.
Maßgebende stündliche Verkehrsstärke (MSV):
Die maßgebende stündliche Verkehrsstärke wird auch als Bemessungsverkehrsstärke bezeichnet. Sie gibt für den Zählabschnitt das Verkehrsaufkommen der 50. (oder 30.) höchstbelastetsten Stunde des Jahres in Kfz/h an. Der MSV wird in der Regel ermittelt, indem die 8760 stündlichen Verkehrsstärken eines Jahres der Größe nach sortiert werden. Sinn und Zweck der 30. oder 50. stündlichen Verkehrsstärke ist es, dass eine Straße selbstverständlich nicht auf ein absolutes Höchstmaß des Verkehrsaufkommens bemessen und bewertet wird, sondern in Bezug auf ein annehmbares Maß, das statistisch 29 bzw. 49 Stunden im Jahr überschritten wird.
Alternativ wird die maßgebende stündliche Verkehrsstärke über Dauerlinienfaktoren berechnet, welche, multipliziert mit dem DTV, den MSV ergeben. Der MSV wird als Spitzenstunde oftmals pauschal mit einem Wert von 10 Prozent des DTV angenommen.
Literatur:
[1] Michael Demanega: „Das Verkehrswertmodell als Grundlage für eine intelligente und transparente Verkehrsplanung am Beispiel Südtirols“, Technische Universität Wien 2017
[2] „Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen“ (HBS), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen – Kommission Bemessung von Straßenverkehrsanlagen
[3] Werner Schnabel & Dieter Lohse: „Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung: Band 2 Verkehrsplanung“, Beuth Verlag, Berlin 2011
[4] Werner Schnabel & Dieter Lohse: „Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung: Band 1 Straßenverkehrstechnik“, Beuth Verlag, Berlin 2011
[5] Hermann Knoflacher: „Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung“, Böhlau Verlag, Wien 2007 und 2012


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