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Das Bundwerk: Tragwerk und Ästhetik

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Oftmals ist es ein Impuls von außen, der zum Nachdenken anregt. Ein Architekturstudent in Venedig wird auf meine Ausführung zum Bundwerk aufmerksam, befasst sich mit dem bodenständigen Bauen in Südtirol und fragt mich, weshalb sich die Stäbe beim Bundwerk nicht im Knoten treffen, sondern versetzt sind.

Im bayrischen Raum wurden Form und Technik seit dem Barock als Einheit verstanden. Das Bundwerk ist ausgehend vom Blockbau und Fachwerkbau eine Weiterentwicklung im Holzbau, die erstmals im 17. Jahrhundert auftaucht. Statt der Verwendung massiver Rundhölzer wird die Konstruktion in Ständerbauweise ausgeführt. Steher und Riegel sind für die Aussteifung des Gebäudes allerdings nicht ausreichend. Notwendig ist zumindest eine biegesteife Ecke durch ein Schrägholz, also Kopf- oder Fußbänder. Dazwischen werden die Flächen vertäfelt.

Während es beim Fachwerk statisch darum geht, unverschiebliche Dreiecke zu bilden und die Kräfte stabförmig in Zug- und Druckstäbe aufzuteilen, besteht das Bundwerk in einer Holzständerbauweise. Durch Schräghölzer, die so genannten Kopf- und Fußbänder sowie über Andreas-Kreuze wird die Konstruktion konstruktiv ausgesteift. Die Knoten sind traditionell formschlüssig ausgeführt und über Holzdübel gesichert.

Doch zurück zur Anfangsfrage: Meine Interpretation und Erfahrung ist es, dass es im Rahmen des einfachen Bauens günstig ist, Stäbe nicht in einem Knotenpunkt zu vereinen, sondern die Knoten aufzulösen. Gerade beim Holzbau wird dadurch der Zuschnitt vereinfacht, aber auch die Ausbildung der Knoten, die handwerklich hergestellt sind und nicht auf vedeckten Stahlblechern basieren.

Hinzu kommt, dass die Ausbildung von Kopfbändern und Fußbändern die Knicklängen der Vertikalstäbe minimiert. Das ist wahrscheinlich auch schon der technische Hintergrund: Geht man gedanklich von Kopfbändern und Fußbändern aus, dann vereinen sich diese im Andreaskreuz. Dieses Denken in Holzständern, die durch Kopf- und Fußbänder gesichert sind, mag sich dann in ein ästhetisches Stilprogramm übersetzt haben, bei dem die versetzte Anordnung der Knoten im Andreaskreuz die stilistische Gleichförmigkeit garantiert.

Literatur:

[1] Günther Knesch: „Das Bundwerk – meisterhafte Bautechnologie des 19. Jahrhunderts“ in „Kultur & Technik“, Deutsches Museum, 9. Jahrgang, Heft 2, München 1985

[2] Paul Werner: „Das Bundwerk in Bayern – Die schönste Zimmermannskunst der bäuerlichen Baukultur“, Verlag Anton Plenk, Berchtesgarden 2000

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