Aus neoliberaler Sicht würde man behaupten, der Markt regle auch den Denkmalschutz ganz von alleine, weil der Markt den künstlerischen Wert eines Objektes von selbst erkennen und anerkennen würde. Dass es vielfach nicht so ist, sondern der Denkmalschutz weitgehend als ein „Laster“ aufgefasst wird und alle lieber abreißen und neu bauen würden, liegt auf der Hand.
Es sind in den letzten Jahrzehnten unzählige historische Bauwerke abgerissen, historische Stuben herausgerissen und Baudenkmäler dem Erdboden gleichgemacht worden. Und es ist selten bis nie Gleichwertiges an deren Stelle gesetzt worden. Im Rückblick stellt sich vielleicht da und dort das Bewusstsein ein, dass sich der Erhalt vielleicht ausgezahlt hätte. Andererseits können diejenigen dankbar sein, die über einen Bestand verfügen, der seinesgleichen sucht.
In den meisten Fällen entstehen modernistische Allerweltsbauwerke, die nach 30 Jahren wieder verschwinden, ohnehin nur eine Laune der Mode darstellen, und genauso schnell wieder fort sind. Das soll keine allgemeine Kritik am modernen Bauen darstellen, sondern ein Aufruf zu mehr Qualität und Dauerhaftigkeit. Denkmalschutz hat infolgedessen den Ruf, sinnlos, teuer, restriktiv zu sein.
Wenn alle so denken würden, wäre unsere Landschaft um zahlreiche Zeugen ärmer und letztlich würden wir alle draufzahlen. Wenn alle auf sich selbst schauen, braucht es auch jemanden, der aufs Ganze schaut. Diese Lücke schließt der Denkmalschutz.
Der Denkmalschutz wird in Südtirol über zwei Gesetzestexte geregelt:
Den Kodex der Kultur- und Landschaftsgüter (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 42 vom 22. Jänner 2004, „Codice dei beni culturali e del paesaggio“, ai sensi dell’articolo 10 della legge 6 luglio 2002, n. 137): Es handelt sich um ein Staatsdekret, durch welches sich die Republik verpflichtet, im Sinne der Verfassung, den Schutz und die Aufwertung des kulturellen Erbes zu garantieren
Das Landesgesetz 14 vom 18. Juli 2023 (Landesgesetz für Kulturgüter) setzt die folgenden Ziele:
- Denkmalschutz als Dialog mit der Raumordnung, dem Landschaftsschutz, der Landwirtschaft und dem Tourismus
- Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung
- Anerkennung der Kulturgüter und Denkmäler als allgegenwärtiger Kulturleistung
- Vermittlung einer lebendigen Geschichte
- Erhalt der kulturellen Identität
- Bewahrung von Kunstfertigkeit, Schaffenskraft und intellektueller Leistung der Menschen
Wesentlich ist das Ziel: Das „Erhalten, Restaurieren, Erforschen, Auf[1]werten, denkmalverträgliche Weiterbauen und Vermitteln von Denkmälern und Kulturgütern wird als Teil des geschichtlich gewachsenen Erbes und der Gegenwartskultur gefördert“.
Von den Zielen zu den Verpflichtungen: Öffentliche und private Eigentümer denkmalgeschützter Kulturgüter haben gemäß Kodex der Kultur- und Landschaftsgüter eine gesetzliche Erhaltungspflicht. Darüber hinaus können mangelhafte Erhaltungspflichten vom Landesdenkmalamt durchgeführt und den Eigentümern in Rechnung gestellt werden. Letztere Bestimmung basiert auf dem Kodex sowie aus dem Gesetz 26 vom 12. Juni 1975, mit welchem das Landesdenkmalamt geschaffen wurde.
Andererseits sind bauliche Veränderungen bei geschützten Denkmälern laut Kodex durch das Landesdenkmalamt zu ermächtigen. Es ist zwingend eine Baugenehmigung erforderlich.
Wichtig ist mit Bezug auf denkmalgeschütze Bauwerke, dass Gebäude, die direkt an denkmalgeschützte Gebäude angrenzen, wie denkmalgeschützte Bauwerke zu behandeln sind.
Die Grundlage jedes Projektes ist eine präzise Bauaufnahme der Gebäudestrukturen, wobei auch der statische und konstruktive Zustand zu untersuchen ist. Bei wichtigen Baudenkmälern ist vor der Planung eine baugeschichtliche Analyse durchzuführen. Zugelassen sind laut staatlicher Gesetzeslage ausschließlich Architekten, wobei es sich von selbst erklärt, dass im Rahmen der statischen Maßnahmen Bauingenieure mitarbeiten.
In diesem Zusammenhang haben Urteile des Verwaltungsgerichts (sentenza n. 3718 del 5 giugno 2018, Tar della Campania) festgestellt, dass Projektierung und Bauleitung denkmalgeschützter Bauwerke die Angelegenheit von Architekten ist. Der Gesetzgeber traut Ingenieuren nicht zu, er erkennen, was „schön“ ist und wie das charakteristisch „Schöne“ im Sinne der „belle arti“ zu erhalten ist.
Laut Einheitstext für das Bauwesen (DPR 380/2001) hat der Bauherr die urbanistische Gesetzeslage sowie die Baugenehmigung zu befolgen. Der Bauleiter stellt infolgedessen einen Vertreter des Bauherrn dar und steht als Koordinator und Überwacher des Projekts „super partes“. Nimmt der Bauleiter eine Übertretung der entsprechenden Bestimmungen wahr, hat er diese zu beanstanden – und bei gröberen Vergehen zurückzutreten – oder wird zum Komplizen.
Infolgedessen hat ein ernannter Bauleiter, der eine Denkmalbindung feststellt, die bisher nicht wahrgenommen wurde, Konsequenzen zu ziehen. Die Feststellung allfälliger Bindungen und urbanistischer Einschränkungen gehört zu den einleitenden Aufgaben des Bauleiters.
Maßnahmen an Bau- und Kunstdenkmälern erfordern:
- ein vom Architekten unterschriebenes und ausgearbeitetes Projekt bei größeren baulichen Eingriffen
- eine genaue Fotodokumentation des Gebäudes mit allen wichtigen Details wie Gewölbe, Stuben, Dekorationen, Fenster, Türen.
Jeder Eingriff an Bau- und Kunstdenkmälern muss vom zuständigen Amt vorab genehmigt werden. Die Arbeiten dürfen erst nach erfolgter Ermächtigung durchgeführt werden.
Die Denkmalpflege wird durch Landesbeiträge unterstützt. Dadurch wird das öffentliche Interesse unterstrichen.
Während sich der Denkmalschutz auf das einzelne Denkmal, auf das Einzelgebäude, bezieht, befasst sich der Ensembleschutz mit der lokalen und regionalen Identität, also dem Gesamtbild. Das Landesraumordnungsgesetz 9/2018 legt fest: „Ensembles, das sind Liegenschaftskomplexe, die ein charakteristisches Bild von ästhetischem und traditionellem Wert ergeben, einschließlich der historischen Ortskerne und Gebäudeansammlungen“. Auf der Grundlage des Ensembleschutzes legen die Gemeinden spezielle Bauvorschriften fest.
Baugenehmigungen sind grundsätzlich für die folgenden Baumaßnahmen erforderlich:
- Neubaumaßnahmen
- Maßnahmen zur baulichen Umgestaltung, welche zu einem Bauwerk führen, das ganz oder teilweise vom vorhergehenden abweicht und welche zu einer Änderung der gesamten Baumasse der Gebäude oder der Außenansicht führen oder welche – soweit sie Gebäude betreffen, die sich im historischen Ortskern befinden – eine Änderung der Zweckbestimmung bewirken, sowie die Maßnahmen, welche Änderungen der äußeren Form von Gebäuden bewirken, welche unter Denkmal-, Landschafts- oder Ensembleschutz stehen
- die Erweiterung bestehender Bauten, durch die neue Baumasse oder Bruttonutzflächen auch außerhalb der bisher bestehenden Bausubstanz entstehen (mit Ausnahmen)
Da der Denkmalschutz aus der Verfassung resultiert, sind die strafrechtlichen Sanktionen denkbar hoch. Laut Artikel 169 / Kodex werden rechtswidrige Bauten „mit einer Haftstrafe zwischen sechs Monaten und einem Jahr und einer Geldbuße zwischen 775 und 38.734,50 Euro wird bestraft“. Gleiche Sanktionen gelten nach Artikel 171 für „rechtswidrige Unterbringung oder Verlegung“, wobei sich die Unterbringung auf den Aufenthaltsort bezieht. Ebenso gelten die Sanktionen laut Artikel 172 für „Nichtbeachtung der Vorschriften über den indirekten Schutz“.
Letztlich ist Denkmalschutz eine Haltung und eine Frage der Kultur: Für viele mag der Kunstdruck aus China den selben Zweck erfüllen wie der Caravaggio, nach 20 Jahren und spätestens mit der nächsten Generation ist der Wert aber ein gänzlich anderer, wahrscheinlich tendenziell null.
Während der Denkmalschutz konkret ist, ist der Ensembleschutz eher abstrakt, denn was sollte den Einzelnen das Ganze interessieren? Denkt man wiederum weiter, dann lautet die Antwort: Viel, weil es letztlich um die kulturellen Grundlagen für uns alle geht.
Beim Denkmalschutz geht es letztlich aber auch um etwas Lebendiges: Wird der Schutz zu rigide angewandt, so verhindert dieser jedes Auskommen und letztlich bleibt das Bauwerk leer oder wird aufgelassen, ist letztlich nur noch museal, was kaum Sinn und Zweck der Sache sein kann. Zu finden ist folglich stets ein sinnvoller Kompromiss. Und zu schärfen ist das Bewusstsein für das historisch Schöne.


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