Demanega

#ingenieurbaukultur

Abstandsregelungen und Mindestabstände laut Raumordnung in Südtirol

Published by

on

Raumordnung ist allgemein eine komplexe Angelegenheit, weil Gesetze auf eine Art und Weise geschrieben sind, dass diese sich nur schwerlich – und schwerlich ohne Zweifel – ohne Weiteres auf die materielle Wirklichkeit umlegen lassen.

Die Raumordnung wird in Südtirol durch folgende Akte geregelt:

  • Das neue Südtiroler Raumordnungsgesetz als Landesgesetz 9 vom 10.07.2018 (Landesgesetz „Raum und Landschaft“)
  • Das Gemeindeentwicklungsprogramm für Raum und Landschaft (Artikel 51 Raumordnungsgesetz) definiert räumliche und sozioökonomische Entwicklungsziele
  • Der Gemeindeplan für Raum und Landschaft (Artikel 52 Raumordnungsgesetz) sieht die Flächenwidmungen sowie Bauvorschriften und Nutzungsvorschriften inklusive Abstandsregelungen vor
  • Die Gemeindebauordnung (Artikel 21 Raumordnungsgesetz) sieht Bestimmungen zur Bauweise, zur Gestaltung, zu Sicherheit und Überwachung vor
  • Durchführungspläne und Wiedergewinnungspläne (Artikel 57 Raumordnungsgesetz) sehen Gebäudeabstände innerhalb des Gebietes, zu den Gebietsgrenzen und zu den Gebäuden außerhalb des Gebietes vor.

Ein grundsätzlich interessantes Thema in der Raumordnung sind Abstandsregelungen. Steht ein Grundstück im eigenen Eigentum und darf grundsätzlich darauf gebaut werden, so bedeutet das noch lange nicht, dass die Grundstücksgrenzen gänzlich für das Bauwerk beansprucht werden können.

Abstandsregelungen entstammen zweier Rechtsbereiche: Das Privatrecht fördert die nachbarschaftlichen Beziehungen, während das öffentliche Recht die Entwicklung des Territoriums im Sinne der Raumordnung regelt.

Laut Artikel 9 des M.D. Nr. 1444/1968 („Limiti inderogabili di densità edilizia, di altezza, di distanza fra i fabbricati e rapporti massimi tra gli spazi destinati agli insediamenti residenziali e produttivi e spazi pubblici o riservati alle attività collettive, al verde pubblico o a parcheggi, da osservare ai fini della formazione dei nuovi strumenti urbanistici o della revisione di quelli esistenti”)

Das Landesraumordnungsgesetz in Südtirol hat, trotz primärer Kompetenz des Landes Südtirol in Raumordnungsfragen, diesen Bestimmungen zu entsprechen, worauf Urteile des Verfassungsgerichtes, beispielsweise das Urteil 114 vom 07.05.2012, hinweisen.

Aus dem Decreto ministeriale 2 aprile 1968, n. 1444 ergeben sich die nachfolgenden Bestimmungen:

  • Für A-Zonen (Wiedergewinnungszonen) sind im Rahmen von Sanierungen die bestehenden Distanzen nicht zu unterschreiten.
  • Grundsätzlich gilt eine Mindestdistanz von 10 Metern zwischen gegenüberliegenden Wänden mit Fenstern jeglicher Art.
  • In C-Zonen (Erweiterungszonen) gilt zudem, dass – insofern sich die Fassaden auf einer Länge von mehr als 12 Metern gegenüberstehen – die Mindestabstand der Höhe des größeren Gebäudes entsprechen muss.

Erlaubt sind Ausnahmen und zwar immer dann, wenn es Detailplanungen gibt, die die Baukörper volumetrisch darstellen, es also einen Durchführungsplan gibt.

Da neue Erweiterungszonen zwingend über einen Durchführungsplan verfügen, kann in den Bestimmungen von den gemäß MD 1444/1968 definierten Abständen abgerückt werden. Es gelten allerdings 10 Meter Mindestabstand zu Gebäuden außerhalb der Zone mit Durchführungsplan.

Für alle Zonen mit Durchführungsplan gilt auf jeden Fall Art. 873 des Zivilgesetzbuches: Eingeführt wird das 3-Meter-Kriterium, mit welchem sichergestellt ist, dass nicht jener Grundstückseigentümer, der zuerst baut, sich einen Grenzvorteil verschafft, weil der jeweils andere Grundstückseigentümer sich in jedem Fall an die Bestimmungen zu den Gebäudeabständen halten müsste.

Auskragungen, die darauf ausgerichtet sind, den Gebäudebestand zu erweitern (Balkone, Außenstiegen, Erker) und die Teil des Gebäudes bleiben, sind im Rahmen der Berechnung der Mindestabstände zu berücksichtigen.

Gerade bei Aufstockungen ergibt sich durch den gesetzlichen Rahmen die Erfordernis, dass die entsprechenden Grenzabstände zwar nicht für den Bestand, aber für den Erweiterungsteil einzuhalten sind.

Straßen haben Auswirkungen auf die Abstände. Grundsätzlich sind die Mindestabstände – mit oder ohne Straße -, also die 10 Meter, einzuhalten. In Abwesenheit eines Durchführungsplans gelten laut M.D. 1444/68 5 Meter bis Straße mit einer Breite von 7 Metern, 7,5 Meter insofern die Straße bis zu 15 Meter breit ist und andernfalls 10 Meter. Mit Durchführungsplan ist auch bis an die Straße zu bauen möglich, allerdings gelten die Mindestabstände zu anderen Gebäuden.

Gemäß Artikel 878 des Zivilgesetzbuches sind Begrenzungsmauern („muro di cinta“), die eine Höhe von weniger als 3 Meter aufweisen, nicht zur Berechnung der Mindestabstände heranzuziehen, sodass Artikel 873 nicht gilt. Die Begrenzungsmauer muss nicht notwendigerweise den Zweck erfüllen, die Grundstücksgrenzen zu erfassen, sondern kann aus Sicherheitsgründen und Privacy-Gründen angeordnet werden.

Eine Grenzmauer („muro di confine“) wird hingegen unmittelbar an der Grundstücksgrenze angeordnet und hat den Zweck, zwei Grundstücke zu trennen.

Eine Stützmauer stellt hingegen ein eigenständiges Bauwerk dar und unterliegt der Bauordnung.

Hohe Bäume sind laut Artikel 892 des Zivilgesetzbuches 3 Meter von der Grenze, weniger hohe Bäume 1,5 Meter und Sträucher, Reben und Hecken mit einer maximalen Höhe von 2,5 Metern, dürfen maximal 50 cm von der Grenze gepflanzt werden.

Artikel 79 Absatz 1 des Einheitstextes zum Bauwesen 380/2001 (Testo unico delle disposizioni legislative e regolamentari in materia edilizia) erlaubt die Durchführung von Arbeiten zur Beseitigung architektonischer Barrieren abweichend von den in der Bauordnung vorgesehenen Abständen. In diesem Sinne gilt DM 1444/1968 nicht, es gelten aber die Artikel 873 (oben angeführt) und 907 des Zivilgesetzbuches. Letzterer ist Analog zu Artikel 873.

3 Antworten zu „Abstandsregelungen und Mindestabstände laut Raumordnung in Südtirol”.

  1. Avatar von Ausweisung von Bauland in Südtirol, oder: Wie wird ein Bauleitplan abgeändert? – Demanega

    […] Gebietsbereiche bezogenen Regelung. Festgelegt werden auch Mindestabstände zwischen Bauwerken, die die grundsätzlich geltenden 10 Meter unterschreiten. Der Gemeindeplan beinhaltet den Bericht, die Flächenwidmungspläne, […]

    Like

  2. Avatar von Aufstockungen und Gebäudeabstände laut Raumordnung in Südtirol – Demanega

    […] Mindestabstände sind in der Raumordnung eine wesentliche Fragestellung, weil sich dadurch entscheidet, was mit einem Baugrundstück konkret getan werden kann und was nicht. Kassationsurteile haben auch die Südtiroler Raumordnung zurück auf den Boden der Tatsache geholt und trotz primärer Gesetzgebungskompetenz im Bereich Raumordnung untermauert, dass das M.D. 1444/1968, das Mindestabstände regelt, als übergeordnet zu betrachten ist. Genauso sind die Bestimmungen des italienischen Zivilgesetzbuches bindend. […]

    Like

  3. Avatar von Bau eines Schwimmbades in Südtirol und Italien: Mindestabstände und Baugenehmigung – Demanega

    […] Abstandsregelungen und Mindestabstände laut Raumordnung in Südtirol […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..