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Zyklopenmauern: Bemessung und Ausführung

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Grundsätzlich regeln die „Norme tecniche per le costruzioni“ (zuletzt von 2018) auch die Geotechnik, indem auf den Eurocode 7 Bezug genommen wird. Zum Anwendungsgebiet zählen der Baugrubenverbau, Stützmauern und gemischte Strukturen. Eurocodes und „Norme tecniche“ sehen Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit vor. Diese umfassen geotechnische Nachweise (GZT – GEO) und strukturelle Nachweise (GZT – STR). Erstere betreffen die geotechnischen Versagensmechanismen, letztere das strukturelle Versagen der Tragwerksteile.

Im Bereich der technischen Normen in Italien kann von „nicht-strukturellen“ Stützbauwerken die Rede sein, insofern das Tragwerk monolithisch ist und/oder aus nebeneinander liegenden Elementen besteht, die untereinander durch einfachen Kontakt verbunden sind. In diesem Sinne kann auf theoretische Analysen verzichtet werden und es wird auf die Mechanik der starren Körper zurückgegriffen. Faktisch ist dies ein Weg, der im Bereich der Felsmechanik üblich ist. Erfahrungsgemäß gehen Versagensmechanismen im Felsbau weniger vom Versagen des Felsmaterials aus und vielmehr vom Versagen der Starrkörper und deren Kinematik entlang der Trennschichten.

Zu derartigen nicht-strukturellen Stützbauwerken zählen: Schwerkraftstützwände, die aus einer Gründung und einem Stützbauwerk bestehen, sowie Zellen- und Gabionenwände, die ebenso aus einer Gründung und dem zellenartigen Bauwerk bestehen. In der Regel handelt es sich um wichtige Bauweisen im Landschaftsbau, allerdings übernehmen derartige Bauwerke häufig auch strukturelle Zwecke, etwa im Interaktionsbereich zwischen Böschung und Bauwerk.

Gemäß den „Funktionellen und geometrischen Normen für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Mobilitätsinfastrukturen“ (2006) der Autonomen Provinz Bozen stellen Zyklopenmauern typische Elemente der Kulturlandschaft dar. Infolgedessen ist die sichere und dauerhafte Planung wesentlich.

Die Stützbauwerke müssen den Erddruck, den hydrostatischen Druck (sowie allfälligen Strömungsdruck), statische und dynamische Auflasten, etwa aus Bauwerken oder Verkehr sowie Erdbebenblasen widerstehen. Die hydrostatische oder hydrodynamische Belastung hängt im Wesentlichen davon ab, ob Dränagemaßnahmen diese verhindern oder nicht.

Zyklopenmauern sind im Wesentlichen Trockenmauern, die aus großen Blöcken bestehen. Zyklopenmauern werden im Wesentlichen wie folgt definiert: Sie bestehen maximal 3 Blöcken pro Kubikmeter [2].

Lucia Simeoni hält fest, dass Zyklopenmauern – anders als häufig angenommen – keine Starrkörper darstellen. Wichtige Erkenntnisse im Bereich von Trockenmauern sind, dass

  • Umso dichter die Wand gebaut ist und umso weniger Fugenöffnungen vorhanden sind, umso geringer ist die Möglichkeit, dass die Blocke rotieren
  • Die Form der Blöcke beeinflusst die Kinematik
  • Die Kinematik der Blöcke beeinflusst die Versagensmechanismen

Theorien zur Beurteilung des Tragverhaltens stützen sich vielfach auf die Stützlinie, welche von einer starren Gründung ausgeht. Die Stützlinie (auch Drucklinie genannt) beschreibt den Verlauf der resultierenden Kräfte innerhalb der Mauer. Um die Standsicherheit zu gewährleisten, muss die Stützlinie innerhalb des Mauerquerschnitts liegen, idealerweise innerhalb des mittleren Drittels der Mauerbasis. Falls die Stützlinie außerhalb dieses Bereichs verläuft, besteht die Gefahr, dass sich Teile der Mauer lösen oder die Mauer kippt.

In der Realität ist weder die Gründung starr, noch sind die Einzelelemente starr: Der Mauerfuß kann rotieren und sich setzen, die gesamte Mauer kann rotieren, die Fugen können sich durch Relativverdrehungen öffnen, die Fugen können sich ausdehnen und komprimieren. Das Tragverhalten wird durch die Neigung und Exzentrizität des Stützbauwerkes sowie durch Baugrundsetzungen beeinträchtigt. Die Verdichtung und Stabilisierung des Baugrunds sowie die Richtung der resultierenden Kraft sind folglich die Handlungsspielräume, die der Planer im Wesentlichen hat.

Querkraftversagen besteht, insofern die Blöcke sich relativ verschieben. Der Mechanismus ist darauf zurückzuführen, dass der Erddruck mit der Tiefe zunimmt, aber der Widerstand nicht entsprechend wächst. Am Fußpunkt können Kriechen und Anschwellen des Baugrundes Querkraftversagen bewirken.

Auf Berechnungsebene zahlt es sich aus, Starrkörpermechanismen diskret zu modellieren, um die Versagenskriterien abzubilden. Allerdings hängt die Zuverlässigkeit der Ergebnisse wesentlich von den Modellparametern ab, die nicht immer eindeutig festlegbar sind.

Grundsätzlich sind äußere Tragfähigkeitsnachweise und innere Tragfähigkeitsnachweise zu führen.

Äußere Tragfähigkeit:

  • Trockenmauern sind grundsätzlich sehr durchlässig, sodass sich kaum ein Wasserdruck aufstaut,
  • Der passive Widerstand aufseiten des Mauerfußes wird nicht berücksichtigt, weil dieser häufig von geringer Qualität ist,
  • Der Nachweis betrachtet die Mauer als ein Kontinuum, nachgewiesen werden Gleiten, Kippen und Grundbruch

Innere Tragfähigkeit:

  • Gleiten für jede einzelne Fuge,
  • Kippen für jede einzelne Fuge.
Innerer Tragfähigkeitsnachweis: Gleiten [2]
Innerer Tragfähigkeitsnachweis: Kippen und mittleres Drittel [2]

Das Versagen der einzelnen Steine ist – in der Regel – nicht nachzuweisen, weil diese von erheblicher Tragfähigkeit sein sollten. Die Konzentration von relativ hohen Kräften auf begrenztem Raum minimiert allerdings die Oberflächenrauheit der Steine und in der Folge die Steifigkeit der Fugen. Gerade aus diesem Steifigkeitsverlust ergibt sich lokales Versagen durch Aufquellen oder Ausbauchen der Mauer. Es ist folglich wichtig, dass der Krafteinleitungspunkt innerhalb des mittleren Drittels des Querschnitts liegt. Die beiden Nachweise, der Nachweis für das Kippen sowie der Nachweis des mittleren Drittels kann auf Momentenebene geführt werden, insofern der Krafteinleitungspunkt für das Moment mit der entsprechenden Exzentrizität gesetzt wird.

Die Wahl der Parameter ist im Modellierungs- und Berechnungsprozess entscheidend.

Dazu können In-Situ-Tests durchgeführt werden, um die Rauheit der Oberflächen (Profilometer bzw. Barton-Kamm) sowie die Druckfestigkeit (Rückprallhammer bzw. Schmidt-Hammer) zu ermitteln. Zu simulieren ist dabei sowohl der Kontakt Stein-Stein als auch der Kontakt Stein-Stein mit eingelagerter Füllerde, die einen relativ hohen Feinkornanteil haben wird, um realistische Gegebenheiten abzubilden. Die Ergebnisse der Studie ergeben Inklinationswinkel von 30 bis 40 Grad, die mit Reibungswinkeln von Laborversuchen mehr oder weniger koinzidieren.

Die Interpretationen sind:

  • Ohne Erdfüllung entspricht der Reibungswiderstand,
  • Mit Erdfüllung entspricht der Reibungswiderstand dem Reibungswiderstand des Steins, insofern dieser Wert unterhalb des kritischen Reibungswiderstandes des Füllmaterials liegt
  • Andernfalls entspricht der Reibungswiderstand dem kritischen Reibungswiderstand des Füllmaterials.

Die Theorie von Rankine-Coulomb ist im Bereich von Trockenmauern nicht anwendbar, weil in der Theorie davon ausgegangen wird, dass die Reibung zwischen Baugrund und Mauer durch den Reibungswinkel des Bodens definiert wird, der im Auffüllbereich der Wand liegt. Zudem besteht die Hypothese, dass das Innenparament der Wand vertikal sei. Die Theorie wurde durch Müller-Breslau sowie Fellenius auf den allgemeinen Fall ausgelegt.

Literatur:

[1] Piergiuseppe Froldi: „Progettazione geotecnica delle opere di sostegno non strutturali secondo le NTC 2018 e gli Eurocodici, Ordine regionale dei geologi del Piemonte, 16 marzo 2022

[2] Lucia Simeoni: “Presentazione delle linee guida per il calcolo dei muri in massi ciclopici – Vorstellung der Richtlinien für die Berechnung von Zyklopenmauern”, Fortbildungsseminar der Ingenieurkammer Bozen, 26. November 2020

[3] Conrad Boley: „Handbuch Geotechnik – Grundlagen, Anwendungen, Praxiserfahrungen“, Vieweg Teubner, Wiesbaden 2012

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