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Die Antike als Erhöhung der Erde und als Wille zur Form

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Kunst ist im klassischen Sinne das Resultat ästhetischer Betätigung. Immer ist Kunst Anstoß zu Reflexion und schöpferischer Leistung, weil sie das Verborgene zum Vorschein bringt, das Unaussprechliche, das nur annähernd Erfassbare.

Der Begriff „Architektur“ geht aus den griechischen Begriff „archè“ für Anfang oder Ursprung und „téchne“ für Handwerk oder Kunst hervor. Die Architektur bezeichnet folglich gewissermaßen die erste Kunst, weil sie die erste Reflexion der Landschaft im Kunstwerk und der Kunst in der Landschaft ist.

Bauen ist im Gegensatz zu anderen Künsten keine rein geistige Tätigkeit. Das Resultat erfasst sich immer in einer materiellen Wirklichkeit. Die Materie, aus der Natur bezogen, wird durch die Konstruktion – eine materielle und eine ästhetische – in Szene und in Form gesetzt.

Beim Bauen geht es in hohem Maße um Repräsentation. Repräsentation ist ein menschliches Bedürfnis, das untrennbar mit unserer Identität zusammenhängt. Wir definieren uns nicht nur durch uns selbst und durch das, was wir ausdrücken, sondern vor allem auch durch den erweiterten Persönlichkeitsraum.

Die erste Ebene umfasst unsere Haut, die zweite Ebene unsere Kleidung und die dritte Ebene sodann schon die Räume um uns herum, so die Theorie bei Gottfried Semper.

Wenn es beim Bauen um Repräsentation geht, stellt sich allerdings notgedrungen die Frage, ob es nur um Repräsentation alleine geht und ob überhaupt ein Verhältnis zwischen Ausdruck und Wirklichkeit besteht.

Formen sind in der Folge immer Bedeutungsträger. Manchmal rein funktionell. Sodann symbolisch. Darin besteht auch das Wesen von Kultur.

In der Antike findet erstmals eine Unterscheidung zwischen jenen Bereichen statt, die dem Boden zuzuordnen sind – und sich als „Natur“ bezeichnen – und jenen Bereichen, die einer geistigen und künstlerischen Betätigung entspringen und als „Kultur“ zu bezeichnen sind. Die beiden Bereiche sind von ihrem Ursprung her kein Widerspruch. Das vom Menschen Gestaltete verstand sich zwar in Kontrast zur ursprünglichen Natur, aber auch im Dialog und in Evolution.

Die Natur kennt keine Erinnerung, es ist Aufgabe der Kultur, Erinnerung zu stiften und am Leben zu halten.

Die Antike war somit Beginn und Anfang im Sinne einer bewussten Gestaltung des Umgebenden. Nach Gottfried Benn stellte die Antike keine reine Eingliederung in die gegebenen natürlichen Verhältnisse dar, sondern eine „Aufstufung und Erhöhung der Erde“. Damit ist eine andere Qualität gemeint, nämlich ein innerer Anspruch nach Größe und Höhe. Etwas entsteht aus der Erde und überhöht diese Erde.

Zum Tragen kommt mit der Antike ein wesentliches Motiv des Kulturmenschen, nämlich das Gestalten-Wollen als Maßnahme zur Weitergabe der eigenen Kultur. Ernst Cassirer erachtet den Willen zur Form als lebens- und kulturimmanent: „Leben ist nicht blinder Drang, es ist Wille zur Form, Sehnsucht nach Form“. Nach Cassirer kennzeichnet das Formen und Umformen das Leben selbst. Es handelt sich folglich um ein Lebensprinzip des Kulturmenschen. Das „eigentliche Leben der Natur“ bestehe „im Übergang, in ihrer Entwicklung und Umbildung“.

Das Vermögen zur Form ist dabei vielmehr eher ein Drang zur Form: „Als der Grundzug alles menschlichen Daseins erscheint es, dass der Mensch in der Fülle der äußeren Eindrücke nicht einfach aufgeht, sondern dass er diese Fülle bändigt, indem er ihr eine bestimmte Form aufprägt, die letzten Endes aus ihm selbst, aus dem denkenden, fühlenden, wollenden Subjekt herstammt“. Das Dargestellte erlangt dabei die Qualität der „Dauerhaftigkeit“.

Ähnlich stellt auch Rüdiger Safranski fest: „Es ist der Wille zur Form, der eine streng umgrenzte Sinnzone schafft, die wir dann Kunst nennen und vom übrigen Alltag unterscheiden. Kunstwerke, die diesen Namen verdienen, sind formal geschlossen und ermöglichen so die Erfahrung von offener Weite in enger Begrenzung. Sie zeigen Fülle in Begrenzung und können deshalb eine Schule für ein Leben sein, das sich nicht verzetteln möchte. Der ästhetische Sinne gibt einen Vorgeschmack auf die Lust der Souveränität“.

Die natürliche Umgebung ist die eine Seite. Was Menschen daraus machen, indem sie ihre Umgebung physisch umwandeln und verwandeln, die nächste. Durch welche Bilder, Symbole und Moden Menschen dabei zu verschiedenen Zeiten geprägt werden, stellt die Dinge in einen bestimmten kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, gibt der Landschaft allerdings auch eine Bedeutung und eine entscheidende Prägung.

Allen Anfang macht die Antike. Durch ihre Ästhetik oder Wahrnehmung, aber auch Repräsentation, stellt sie den Einschnitt dar. Im Gegensatz zur wirklichen Natur begründet die Antike eine menschliche Natur oder Kultur, die einer „inneren Natur“ und einem inneren Gesetz der Dinge folgt, sich in Harmonie, Proportion und Maßstäblichkeit ausdrückt.

Der Architekt Paul Bonatz schreibt zu diesem Kontrast, der sich mit der Antike eröffnet: „Alles in der Landschaft ist frei bewegt, geschwungen, gerundet, Hügel, Buchten, knorrige Olivenbäume, Felsen, gewundene Wege, es gibt nichts Regelmäßiges. Also muss das Werk der Menschenhand das Gegensätzliche werden: Geometrie, die Regel, die Strenge, die Horizontale und die Vertikale. Eine rechtwinklige Plattform aus großen Steinquadern, um einige Stufen erhöht, hat für sich allein schon eine so große Ordnungskraft, dass von hier aus „das Weltbild bestimmt wird““.

Literatur:

[1] Gottfried Benn: „Kunst und Macht“, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1934

[2] Ernst Cassirer: „Zur Metaphysik der symbolischen Formen“, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1995

[3] Safranski, Rüdiger: „Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?“, Fischer Taschenbuch, Berlin 2010

[4] Paul Bonatz: „Leben und Bauen“, Engelhornverlag Adolf Spemann, Stuttgart 1950

Eine Antwort zu „Die Antike als Erhöhung der Erde und als Wille zur Form”.

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