Im November gedenken wir traditionell der Verstorbenen und Gefallenen. Im Bewusstsein des Todes verändern wir den Blick auf das Leben. Wir erinnern uns an die Sterblichkeit, an die Vergänglichkeit und – vor allem – an das, was bleibt.
Der Tod gehört zum Leben, wirft uns aus der Bahn, versetzt uns in Leid, ermahnt uns aber auch, dass wir dazu verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass unser Leben als Ganzes und vom Ende her gedacht, seinen Sinn ergeben muss, und dass wir hinterlassen (müssen).
Fernab biederer religiöser Abstraktionen geht es um elementare Zusammenhänge, die in Boden, Stein, Fels und Landschaft übergehen, indem wir die Vergänglichkeit durchbrechen und uns in die Ewigkeit eingliedern.
Das Hinterlassen vollzieht sich im Raum, aber nicht nur. Das Hinterlassen vollzieht sich biologisch, indem wir Leben stiften. Das Hinterlassen vollzieht sich natürlich auch geistig, nur sind immaterielle Dinge eine flüchtige Angelegenheit. Und das Hinterlassen vollzieht sich materiell im Raum. Das Materielle – und es geht dabei nicht um Besitz und Bestand, sondern um ein kulturelles Erbe – weckt Vertrauen, lässt sich anfassen und leistet Widerstand, wenn wir dagegen drücken. Letztlich vertrauen wir ja nur dem, das Widerstand leisten kann.
Landschaft und Raum materialisieren Erinnerungen, überdauern die Zeit und erwecken Erinnerungen in uns. Die Orte unserer Kindheit, die Ausflüge mit der Familie, die Zeit mit unseren Eltern und Großeltern: Die Erinnerungen sind nicht fort, nur vergraben und überlagert durch tausende Alltagsgedanken. Kehren wir an die Orte zurück, an denen sich die Erlebnisse konzentrieren, werden die Erinnerungen wieder wach und sind lebendiger denn je, mit Wehmut, aber auch mit Freude. Gaston Bachelard spricht von den Orten „verdichteter Zeit“.
Im Raum lebt das Erbe derjenigen fort, die von uns gegangen sind. Die Toten werden begraben, gehen in den Boden und in die Erde über und sind nicht fort, sondern eins mit dem Raum.
Daraus ergibt sich die enge Verbundenheit zu Land und Boden, zu Erde und Fels, zu Landschaft und Baukultur.
Ernst Jünger schreibt zum Geist der Ahnen: „Wenn wir vom hohen Sitze auf die Stätten schauten, wie sie der Mensch zum Schutz, zur Lust, zur Nahrung und Verehrung sich errichtet, dann schmolzen die Zeiten vor unserem Auge innig ineinander ein. Und wie aus offenen Schreinen traten die Toten unsichtbar hervor. Sie sind uns immer nah, wo unser Blick voll Liebe auf altbebautem Lande ruht, und wie in Stein und Ackerfurchen ihr Erbe lebt, so waltet ihr treuer Ahnengeist in Feld und Flur“.
Freilich, das Bewusstsein, dass sich das Leben – auch nach dem Tod – im Boden, in der Landschaft und im Gebauten konserviert, ist mit der Verantwortlichkeit verbunden, anders zu bauen, nachhaltiger zu leben, sorgsamer mit dem Bestehenden umzugehen, Erinnerungen im Raum zuzulassen und zu stärken. Schwierig, in durchtechnisierten und durchliberalisierten Zeiten, aber Anstoß zur Handlung.


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