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Wasserkraft in Südtirol: Die „Heimholung“ der Energie

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Ende des 19. Jahrhunderts beginnt in Südtirol das Stromzeitalter. Die Hochphase des Ausbau der Wasserkraft begann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Staaten wie Österreich strebten durch die Wasserkraft eine zunehmend autarke Energieversorgung an. Infolgedessen errichtete Italien mehrere Wasserkraftwerke zur staatlichen Energieversorgung, darunter in Südtirol.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden, bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung, weitere Kraftwerke errichtet. Nach der Katastrophe am Vajont verzichtete Italien allerdings auf weitere Großprojekte im Bereich Wasserkraft.

Im Jahr 1962 wurde mit dem Verstaatlichungsgesetz der staatliche Energiekonzern ENEL (Ente Nazionale per l’Energia Elettrica) gegründet,der die Ausübung der Tätigkeiten in den Bereichen Produktion, Import/Export von elektrischer Energie, Transport, Umwandlung, Verteilung und Verkauf auf dem gesamten Staatsgebiet vorbehalten war.

Mit dem Zweiten Autonomiestatut erhält Südtirol die Zuständigkeit der Konzessionsvergabe für Wasserableitungen. 1999 begann mit dem Bersani-Dekret die Liberalisierung des Strommarktes im europäischen Sinne. Dies führte zu einer Unternehmensumstrukturierung von Enel mit der Trennung der Aktivitäten in den Bereichen Produktion, Übertragung, Verteilung und Verkauf von Energie. Dadurch entstand der Netzbetreiber TERNA. 1998 wurde die Südtiroler Landesenergiegesellschaft SEL AG gegründet, die 2001 operativ wurde.

Als „Heimholung der Energie“ wird in Südtirol die Ablöse der staatlichen Energiekonzerne durch Südtiroler Energiebetriebe bezeichnet. Dazu verhandelt das land Südtirol in den Jahren 1999 und 2000 mit der Enel und der Edison. Dabei ringt das Land Südtirol um die Großkraftwerke.

Die Verhandlungen mit der italienischen Mitte-Links-Regierung laufen relativ gut. Am Ende wird bezugnehmend auf die Enel keine Einigung erzielt, während mit der Edison eine Einigung zustande kommt. Durch die darauffolgende Mitte-Rechts-Regierung sind die Verhandlungen betreffend Enel getrübt. Eine Einigung wird 2008 erzielt, die ab 2011 greift.

Da das Land Südtirol nun sowohl die Konzessionen vergibt als auch als Landesenergiegesellschaft auftritt, entstehen im Bereich der Konzessionsvergabe Konflikte, die als SEL-Affäre in die Südtirol-Geschichte eingehen. Im Jahr 2016 wird das Energieversorgungsunternehmen Alperia gegründet, das zu 54,45 % der Autonomen Provinz Bozen, zu 21 % der Gemeinde Meran, zu 21 % der Gemeinde Bozen und zu 3,55 % der SELFIN (Gemeindenverband) gehört.

Die Alperia VIPOWER AG besteht aus der Alperia und Vinschger Gemeinden, die am elektrischen Strom beteiligt sind. Die SF Energy GmbH besteht zu 50 Prozent aus der Alperia Greenpower GmbH und zu 50 Prozent der Dolomiti Energia Holding AG, dem Trentiner Pendent zur Alperia.

Auf Grundlage der jährlichen Nennleistung werden die Wasserkraftwerke in kleine Ableitungen (bis 220 kW), mittlere Ableitungen (220 kW – 3000 kW) und große Ableitungen (über 3000 kW bzw. 3 GW) unterteilt. Die Großkraftwerke sind nachfolgend aufgelistet:

Die Leistungsfähigkeit der Südtiroler Wasserkraft wird im Kontext des Energiebedarfs an elektrischem Strom ersichtlich: Südtirol verbraucht ungefähr 3500 GWh an elektrischer Energie, produziert allerdings rund 6000 bis 8000 GWh.

Entsprechend Artikel 13 des Autonomiestatuts regeln die Autonomen Provinzen die Modalitäten und die Verfahren für die Vergabe der Konzessionen für große Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie mit Landesgesetz. Während ein Teil der Großkraftwerke über eine Konzession bis 2040 verfügt, werden andere demnächst ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgt innerhalb von 2 Jahren ab Konzessionsverfall.

Die 8 Großkraftwerke Barbian, Naturns, Bruneck, Graun, Lappach, Marling, Pfitsch und Prembach werden infolgedessen neu ausgeschrieben. Dabei ist das Land Südtirol bestrebt, die Ausschreibungskriterien so auszulegen, dass Vorteile für die umliegenden Gemeinden und die Umwelt entstehen. Es steht folglich nicht die Rendite im Mittelpunkt.

Andererseits kann das Land Südtirol die Teilnahmebedingungen an der Ausschreibung im Rahmen des rechtlich Möglichen dahingehend definieren, dass bestimmte Zugangsvoraussetzungen an die Wirtschaftsteilnehmer gestellt werden, zumal es sich um langfristige Ausschreibungen handelt, die 20 bis 40 Jahre betragen können.

Zu den Einheiten:

  • 1 Kilowatt (kW), gleich 1.000 Watt, bezeichnet die Einheit der elektrischen Leistung (W=J/s) und stellt die Energiemenge (J=Joule) in Zeit (s=Sekunden) dar.
  • 1 Gigawattstunde (GWh) entspricht 10⁶ kWh; 1 kWh ist die Energie, die benötigt wird, um eine Stunde lang ein Kilowatt (kW) Strom zu liefern. Elektrische Energie, ob erzeugt oder verbraucht, wird im Allgemeinen in Wattstunden angegeben.

Literatur:

[1] Christoph Gufler: „Südtirol unter Strom der Ausbau der Wasserkraft in Südtirol von der k.u.k. Zeit bis heute“, Athesia Verlag, Bozen 2015

[2] Christoph Franceschini: „SELf Service: Ein Südtiroler Skandal“, Raetia Verlag, Bozen 2014

Eine Antwort zu „Wasserkraft in Südtirol: Die „Heimholung“ der Energie”.

  1. Avatar von Das Wasserkraftwerk Sankt Florian und der Stramentizzo-Stausee – Demanega

    […] Fallhöhen geeignet sind. Die mittlere Jahresproduktion beläuft sich auf ca. 400 GWh. Das ist rund 1/20 der gesamten Produktion in Südtirol und 1/10 des […]

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