Die Politik in Südtirol hat in den letzten Jahren einen extremen Abwärtstrend vollzogen, der – schaut man sich die letzten Vorkommnisse und Entwicklungen an – fast schon besorgniserregend und beängstigend ist. Viele Menschen machen sich in Südtirol heute ernstzunehmende Sorgen über den politischen Verlauf unseres Landes.
Stand jetzt ist die politische Stabilität exakt bei jenen politischen Kräften fraglich und fragil, die in den letzten Jahrzehnten immer das „Zusammenhalten“ einforderten, um vermeintlich „stabil“ regieren zu können, was die entsprechende Argumentation ad absurdum führt. Allzu oft haben auch vermeintliche „Oppositionelle“ die Opposition allzu gerne verlassen, um – angeblich – „seriös“ politisch arbeiten zu können, was Stand jetzt fast schon zum Treppenwitz der Geschichte wird.
Abseits der politischen Oberflächlichkeit sind die Hintergründe für den heutigen Verfall komplex:
- Der allgemeine Verlust der Fähigkeit zum Denken in ideologischen Kategorien. Abseits anderslautender Versprechungen sind ideologische Kategorien essenziell, weil selbst die sachlichste „Sachpolitik“ letztens Wertentscheidungen trifft und diese mangels Fähigkeit, ideologisch zu denken, stets ideologisch einseitig ausfallen. Hierzu bereits 2014 meine Überlegungen, die gerne überhört wurden, sich aber immer wieder aufdrängen.
- Eine grassierende gesellschaftliche Individualisierung ohne die Fähigkeit, Persönliches hinten anzustellen und sich auch im Krisenfall hinter eine Gemeinschaft zu stellen, anstatt laufend den Versuch zu unternehmen, persönlich auf Kosten aller anderen zu profitieren und das eigene Ego nach vorne zu drängen.
- Als Ursache wirkt auch das verzerrte Ego, das die eigene Rolle vollkommen überbewertet und jene der Gemeinschaft zu vernachlässigen versucht, was grob an der Wirklichkeit vorbei zielt. Historisch betrachtet sind Gemeinschaften – meistens – konstant, während Einzelne kommen und gehen und meistens auch noch austauschbar sind.
- Es bedarf im Politischen der Geduld und der Resilienz, es wird niemals eine hundertprozentige Zustimmung geben, noch nicht einmal mit sich selbst, sondern nur eine Festlegung auf grundsätzliche Richtungen, zu denen es konstruktiv beizutragen gilt. Wenn es um die grundsätzliche Richtung geht, dann sind Abspaltungen und Parteineugründungen und allerlei andere Versuche, sich neu zu verwirklichen, eher Problem als Lösung.
- Damit einher muss die Verantwortung für eine historische Gesinnungsgemeinschaft gehen, indem jeder Versuch zu unterlassen ist, persönliche Kleinkriege nach außen hin zu tragen und damit genau jenen in die Hände zu spielen, die die eigene Gesinnung kontrastieren. Abseits alltäglicher Launen sind es die prinzipiellen politischen Lager, die nicht nur eine politische Bewegung bilden, sondern eine Familie der Gleichdenkenden, eine soziokulturelle Einheit, die im Vorpolitischen und Metapolitischen gilt und für das Gemeinwesen integriert.
- Das Politische nährt sich aus politischem Realismus, aus der realen Fähigkeit, Veränderungen durchzusetzen. Ideale sind zwar die Triebfeder, die Politik besteht allerdings in der „Kunst des Möglichen“, in einem realpolitischen Versuch, den Lauf der Dinge zu verändern, ist ansonsten nur leere Symbolik.
- Jede Ablehnung einer egoistischen Klientelpolitik und einer Politik für die Lobbys: Es geht um das Land als Ganzes und in diesem Sinne um einen solidarischen Patriotismus.
Das alles ist leichter gesagt als getan. Wesentlich ist die Fragestellung, was passiert, wenn nachgegeben wird, wenn Einzelne nicht mehr ihre Verantwortung für die Gemeinschaft und die öffentliche Sache verspüren und lieber egoistischen Trieben nachgehen. Dann steht Größeres auf dem Spiel, die Politik wird nur noch zum Erfüllungsgehilfen egoistischer Launen sowie wirtschaftlicher Interessen und zur Debatte steht das gesamte Gemeinwesen mit seiner spezifischen Souveränität. Wesentlich ist hingegen, Stand halten, auch wenn es schwierig ist, und nur nicht nachgeben.
Mit Idealismus und Liebe zur Heimat, mit dem klein strukturierten Arbeiten an der Heimat, mit der Akzeptanz für Rückschläge und individuelle Ausfälle, mit einer langfristigen Beharrlichkeit und Ruhe, mit klaren Zielen, die Stück für Stück anvisiert werden, mit einer Rückführung der Debatte auf die wirklich wichtigen Fragestellungen, die uns alle angehen, ist die Trendumkehr möglich. Die Menschen müssen wieder das Gefühl haben, dass beständig und zielgerichtet an politischen Lösungen gearbeitet wird, dass es keine Ablenkungsmanöver mehr gibt und dass auch unangenehme Probleme aktiv angegangen werden.
Das Gemeinschaftliche ist wesentlich, die akute Gefahr für das Gemeinschaftliche ist konkret und drängend, umso entscheidender ist, dass sich Einzelne für dieses Gemeinsame einsetzen. Und es muss endlich wieder um die Liebe zur Heimat gehen und auch um den Stolz auf die Heimat und auf das Gemeinwesen, wenngleich und gerade weil linke Ideologen die Mär verbreiten, man könne nicht stolz auf ein Land sein.


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