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Sachverständigenwesen im Strafrecht: Recht und Rechtsbruch im Rechtsstaat

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Dass das Recht vom Staat als zentraler Gewalt ausgeht und dabei allgemeinen, gleichberechtigten Grundsätzen zu entsprechen hat, ist eine fundamentale Errungenschaft des Rechtsstaates.

Im Zivilrecht geht es darum, einen Schaden festzustellen, indem eine faktische sowie eine juridische Kausalität festgestellt wird. Dazu bedienen sich sowohl die Verteidiger als auch der Richter technischer Sachverständiger.

Im Strafrecht geht es nicht um den Zusammenhang zwischen Schaden und Kausalität, sondern um die Feststellung eines juristischen Vergehens, also einer Schuld. Der Vorwurf, der im Raum steht, ist folglich weitaus fataler, weil ein allgemeiner Rechtsbruch zur Debatte steht. Während die zivilrechtliche Verantwortung letztlich an Versicherungen abgetreten werden kann, ist die strafrechtliche Verantwortung persönlich und steht unter dem Damoklesschwert der Haftstrafe, also dem Entzug der Freiheitsrechte auf Zeit.

Im Strafrecht ist in diesem Sinne immer eine Hierarchie zwischen Rechtsstaat und Angeklagtem gegeben. Dabei bedient sich sowohl die Anklage in Form der Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung der technischen Sachverständigen. Aus dieser Hierarchie resultiert der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagte“, woraus sich auch die Beweispflicht der Anklage ergibt.

Insofern die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, Ermittlungen zu eröffnen, wird eine Akte angelegt und es werden sowohl die Gerichtspolizei als auch Sachverständige beauftragt. Der Sachverständige der Staatsanwaltschaft wird dabei beauftragt, festzustellen, ob eine Straftat vorliegt. Im Rahmen der Ermittlungen wird der Sachverständige folglich durch die Gerichtspolizei begleitet und kann Vorsichtsmaßnahmen anordnen. Aufgrund der gegebenen Hierarchie im Strafrecht besteht folglich eine große Verantwortlichkeit.

Nach Beendigung der Ermittlungen wird die Rechtsangelegenheit entweder archiviert oder es erfolgt eine Einlassung auf ein Gerichtsverfahren .

Während es im Zivilrecht vorausschauend im Projektablauf immer ratsam ist, sich eines juristischen Projektmanagements zu bedienen, weil juristische Auseinandersetzungen mit der Projektgröße zunehmen und absehbar sind, geht man grundsätzlich eher nicht davon aus, dass es strafrechtliche Problematiken geben könnte oder sollte.

Gibt es sie doch, so ist man natürlich gut beraten, auf den Anwalt des Vertrauens, aber auch auf den technischen Sachverständigen des Vertrauens zurückgreifen zu können. Beide schätzen den Ernst der Lage zielführend ein und erarbeiten im Ernstfall eine rechtliche Strategie. Insbesondere im Zusammenhang mit folgenschweren und öffentlichkeitsrelevanten Vorwürfen in Richtung Strafgerichtsbarkeit ist dabei eine bedachte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der „Litigation PR“ wesentlich, wozu auch die technische Zuarbeit zählt, um auf Grundlage klarer technischer Zahlen und Fakten argumentieren zu können.

In der Rolle des technischen Experten trifft der Sachverständige keine juristischen Bewertungen, sondern nimmt im juristischen Prozess eine funktionelle Rolle ein, die sich auf die Feststellung und Darlegung der Fakten unter Bezugnahme auf das technische Hintergrundwissen bezieht. 

Grundsätzlich besteht beim Planen die Fragestellung, ob eine Ergebnispflicht oder eine Handlungspflicht gegeben sind. Die Tendenz geht im Rechtswesen eher zur Auffassung, dass eine Ergebnispflicht gegeben ist, weil der Projektant mit der Konzeption eines „Opus perfectum“. Demgegenüber ergibt sich im Falle der Bauüberwachung eine Handlungspflicht. Grundsätzlich besteht nach römischem Recht eine Sorgfaltspflicht („diligentia“). Andernfalls liegt Fahrlässigkeit vor. Für die Bauüberwachung gilt die „diligentia quam in concreto“, sodass keine allgemeine Sorgfaltspflicht, sondern nur eine spezifische Handlungspflicht gilt. 

In der Praxis werden durch das konkrete Handeln stets öffentliches Recht, Privatrecht und gegebenenfalls auch das Strafrecht berührt. Beim Planen und Bauen werden eine Vielzahl technischer Normen vorausgesetzt, die folglich teilweise verbindlich gültig, teilweise aber auch „nur“ allgemein erwartbar sind, sodass sich die Begriffe der anerkannten „Regeln der Technik“, der „Stand der Technik“, aber auch der weiter reichende „Stand der Wissenschaft“ ergeben. 

Die am juristischen Prozess Beteiligten können in vielen Fällen vielleicht nicht den exakten technischen Sachverhalt nachvollziehen, stützen sich aber auf Sachverständige, die sie nach den folgenden Charakteristika einordnen: 

Autorität des Experten; 

Wissenschaftliche Einordnung der angewandten Erkenntnismethoden; 

Logik der Argumentation und Beweislegung; 

Kohärenz der Argumentation und Beweislegung.

Der technische Sachverständige des Richters im Strafprozess wird im Italienischen als „Perito“ bezeichnet, wohingegen der technische Sachverständige der Staatsanwaltschaft als „Technischer Sachverständiger der Staatsanwaltschaft“ und jener des Angeklagten als „Parteiensachverständiger“ bezeichnet wird.

Literatur:

[1] Karl-Heinz Keldungs, Joachim Ganschow, Norbert Arbeiter: „Leitfaden für Bausachverständige: Rechtsgrundlagen – Gutachten – Haftung“, Springer, Wiesbaden 2018

[2] Manfred Maiwald: „Einführung in das italienische Strafrecht und Strafprozessrecht“, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2009

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