Das Krisenmanagement bezieht sich auf die „Orientierung am Ernstfall“. „Krise“ bedeutet eine Störung des Ablaufes innerhalb eines Systems. Daraus ergibt sich der Mangel an Kontrollier- und Steuerbarkeit, sodass die Krise durch äußere Umstände bestimmt wird. Krisen sind heute allgegenwärtig. Notgedrungen müssen wir mit Krisen leben lernen, die individuellen oder kollektiven Charakter haben.
„Katastrophen“ stellen hingegen einen Spezialfall von Krisen sowie deren einseitig negative – und vernichtende – Ausprägung dar. Die Krise kann potenziell abgewendet werden bevor die Katastrophe folgt.
Die Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow behandelt menschliche Motivationen, die von Grund- und Existenzbedürfnissen auf der untersten Stufe zum Sicherheitsbedürfnis auf der zweiten Stufe, zum Sozialbedürfnis auf der dritten Stufe, zu Anerkennung und Wertschätzung auf der vierten Stufe bis hin zu Selbstverwirklichung reichen. Die untersten Stufen sind die drängendsten. Sobald die untersten Stufen erfüllt sind, strebt unsere Psyche nach mehr (und mehr).
Während die Stufen 1 bis 4 als Defizitbedürfnisse bezeichnet werden, gilt die Stufe 5 der Selbstverwirklichung als Wachstumsbedürfnis. Anhand dieser Bedürfnispyramide stellt sich natürlich die Frage, worin die Motivation für einen Konflikt stehen kann. Herfried Münkler untermauert, dass Konflikte vor allem darum geführt werden, weil sich das konfliktführende Subjekt weniger Nachteile durch den Konflikt verspricht als ohne den Konflikt erwartbar sind [2]. Die Einschätzung ist immer sehr subjektiv, vielfach auch nicht rational veranlagt.
Im Bereich der Selbstverwirklichung ist natürlich der höchste soziale Standard erreicht. Wer es aus Marktsicht schafft, seinem Kunden Lösungen zu bieten, die diesem mehr Selbstverwirklichung versprechen, hat natürlich den höchsten Marktwert. Mit einer Ausnahme: Wenn wir einen erhofften Standard nicht erreichen, dann bewerten wir diesen Umstand weniger drastisch als wenn wir einen angewöhnten Standard verlieren, der uns nicht nur unsere Gewohnheiten auf den Kopf wirft, sondern auch und vor allem einem öffentlichen Gesichtsverlust entspricht.
Das Risiko des Verlustes ist folglich drängender als der entgangene Gewinn, weshalb wir gerade beim drohenden Verlust zu irrationalen Handlungen tendieren, womit das Krisenmanagement und die Krisenberatung ins Spiel geraten. Sinn und Zweck der Krisenberatung ist es, auch im Krisenmodus den kühlen Kopf zu bewahren und rational zu handeln und in diesem Sinne strategisch vorzugehen, um die Krise mit keinen oder möglichst geringen Verlusten zu beenden. Andererseits zielt gerade auch das negative Konfliktmanagement und das Schüren von Konflikten durch Provokation und Kampagnen darauf ab, dass irgend jemand die „Nerven verliert“, irrational handelt und folglich ein Vorteil auf Kosten der anderen erzielt werden kann.
Im Bauwesen sind Konflikte – und Krisen – allgegenwärtig. Der Baugrund, der immer ein Risiko darstellt. Risiken, die von natürlicher Seite und von Naturgefahren kommen. Die Kosten, die tendenziell im Steigen sind und höher ausfallen als angenommen. Fehler in der Planung bis hin zu groben Versäumnissen. Die nicht einzuhaltenden Bauzeiten. Mängel in der Ausführung. Probleme bei der Tragwerksberechnung bis hin zum drohenden Versagen. Konflikte im zwischenmenschlichen und vertraglichen Bereich. Streitfälle bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen.
Die natürliche Katastrophe, die unsere gesamte gebaute Umgebung betrifft, ist in der Pyramide nach Maslow ganz unten anzusetzen. Die Schäden werden ohnehin – auf die eine oder andere Art und Wese – auf viele Schultern verteilt. Die drohende Vernichtung von einzelnen Beteiligten im Bereich von großen Projekten, die mit öffentlich-medialer Beschädigung zu rechnen haben und deren Reputation – vielleicht ungerechtfertigt – zur Debatte steht, ist zuerst ganz oben anzusiedeln, wirkt sich allerdings in einem ausgeprägten Absturz aus und wirkt sodann in den unteren Ebenen.
Daraus folgt die immense Bedeutung eines Krisenmanagements sowie die Aufstellung eines Teams, das Krisen gewachsen ist. Das Krisenmanagement stützt sich bei potenziell vernichtenden oder überlebenskritischen Problemen im Bereich von Projekten auf Experten, zu denen Juristen, Medienexperten, Medienanwälte, Krisenmanager, Bauwirtschaftler und Projektmanager – mit entsprechender Ausrichtung am Ernstfall – gehören. Zu dieser Ausrichtung gehören Charakter, Erfahrung, aber auch Standfestigkeit im Gegenwind durch Krisenerprobung.
Dem nicht mehr zu erfüllenden Projekterfolg, aber auch der drohenden Vernichtung einzelner Beteiligter durch Konflikte und Krisen, die zu sich zur Katastrophe ausweiten können, ist krisenerprobtes Personal zur Seite zu stellen, die die Krise abwenden und im Positiven zu lösen wissen, lange bevor eine „öffentliche“ Krise entsteht. Umso früher das Eingreifen, umso größer der Gestaltungsspielraum.
Literatur:
[1] Ansgar Thießen (Hrsgb.): „Handbuch Krisenmanagement“, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2014
[2] Herfried Münkler: „Die neuen Kriege“, Rowohlt , Hamburg 2004


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