Vom Konflikt…
Der Klassiker der Konflikttheorie ist das Werk „Konfliktmanagement“ des österreichischen Ökonomen Friedrich Glasl [4]. Glasl liefert eine Konflikttheorie, welche die Dynamik von Konflikten und ihre Eskalation bis hin zum allseits vernichtenden Konflikt erläutert und dabei Strategien liefert, wie eine Deeskalation möglich ist – wenn diese denn nur gewollt ist. Glasl unterscheidet 3 Ebenen und 9 Stufen:
Ebene 1: „Win-Win“: Stufe 1: Verhärtung, Stufe 2: Debatte / Polemik, Stufe 3: Taten statt Worte.
Ebene 2: „Win-Lose“: Stufe 4: Koalitionen, Stufe 5: Gesichtsverlust, Stufe 6: Drohstrategien.
Ebene 3: „Lose-Lose“: Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge, Stufe 8: Zersplitterung und Vernichtungsaktionen, Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund.
Wesentlich ist in jedem Konflikt die Hinterfragung der eigentlichen Motive. Viele Konflikte sind reine Stellvertreter-Kriege, während die eigentlichen Motive im Verborgenen bleiben. Dazu hat Roger Fisher mit der Harvard-Methode [5] methodische Ansätze geliefert, wie soziale Konflikte im Verhandlungswege beseitigt werden können.
Konflikte werden nicht vermieden oder bis ans Ende gekämpft, sondern „gelöst“. Dann und nur dann birgt der Konflikt ein kreatives Moment, weil Umdenken und Neudenken nicht ohne Anlass passieren. Und manchmal ein „reinigendes Gewitter“ notwendig ist, da ansonsten alles beim Alten bleibt und verkrustet. Auf jeden Fall gehören Konflikte und Verhandlungen geplant und vorbereitet.
Es geht um eine lösungsorientierte Konfliktkultur. Wenn die Motive, Ziele und Positionen klar sind, wird und muss es auch möglich sein, eine Lösung zu finden, mit welcher sich alle Seiten zufrieden geben können. Das Chaos entsteht dort, wo weder Motive, Ziele, noch Positionen klar sind und die pure Emotion den Blick auf die Vernunft trübt. Leider ist letzteres die Regel.
Wesentlich ist der konstruktive Wille zum gemeinsamen Projekterfolg. Wichtig ist es dann vielleicht auch, destruktive und toxische Kräfte als solche zu benennen und auszugrenzen, weil diese nicht nur das sprichwörtliche „Sand im Getriebe“ sind, sondern die Leistung ganzer Teams desavouieren und Einzelne bremsen und hindern. Man gewinnt kein Projekt, wenn man ständig damit beschäftigt ist, die Wogen in den eigenen Reihen zu glätten.
… zur Krise
Krisen haben die Eigenschaft der Unkontrollierbarkeit.
Kernelemente von Krisen sind:
Relative Unerwartbarkeit: Krisen sind unerwartete Situationen, die innerhalb oder außerhalb des Systems verursacht werden.
Existenzbedrohende Entwicklung: Bei Krisen handelt es sich um problematische Entwicklungen mit weitreichenden Folgen, die die Existenz der betreffenden Systeme bedrohen oder zumindest die Zielerreichung gefährden.
Zeitdruck: Krisen vollziehen sich innerhalb eines eng begrenzten Zeitrahmens, der den Beteiligten wenig Zeit zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen lässt.
Ambiguität: Krisen sind Situationen voller Ambiguität, d.h. ihre Ursprünge und Kausalitäten sind nicht spontan und eindeutig zuord- und ergründbar.
Öffentlichkeit: Eine Krise ist ein aktueller Vorgang, der die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht.
Die potenzielle Krise stellt die erste Phase dar. Diese ist quasi ein Normalzustand im Sinne eines Krisenmanagement.
In einer zweiten Phase wird die Krise als solche latent erkennbar. „Wegen der in dieser Phase noch bestehenden, relativ großen Bandbreite von Handlungsmöglichkeiten und einem noch nicht akuten Entscheidungs- und Handlungszwang, kommt dieser Phase im Rahmen eines (aktiven) Krisenmanagements eine besondere Bedeutung zu“ [1].
Die latente Krise schwelt weiter in Richtung akuter, wahrnehmbarer, aber beherrschbarer Krise als dritter Phase.
„Bei fortschreitender Vernichtung von Handlungsmöglichkeiten, unmittelbarem Zeitdruck und Handlungszwang erhöhen sich hier die Krisenbewältigungsanforderungen an ein (reaktives) Krisenmanagement. Dennoch kann in dieser Phase die akute Krise konstruktiv bewältigt werden, da das vorhandene und/ oder hinzugewonnene Krisenbewältigungspotenzial noch ausreicht, um die akute Krise zurückzuschlagen“ [1].
Es folgt die vierte Phase.
„Gelingt die (konstruktive) Bewältigung der Krise nicht, so tritt der Krisenprozess in die vierte Phase der akut/nicht beherrschbaren Unternehmenskrise. In dieser Phase übersteigen die Krisenbewältigungsanforderungen das vorhandene Bewältigungspotenzial“. Die destruktiven Wirkungen machen weitreichende Konsequenzen notwendig.
…zur Krisenkommunikation
Proaktives Verhalten ist der Versuch, die Deutungshoheit zu erobern und setzt bestenfalls frühzeitig an, indem die strukturellen Gegenmechanismen im Falle einer Krise geschaffen werden. Ziel ist es, gar nicht erst in eine defensive Position gedrängt zu werden und die Krise nicht zur „Krise“ werden zu lassen.
Die Krisenkommunikation minimiert Unwissenheit und Spekulation, weil dadurch die Krise in der öffentlichen Wahrnehmung potenziert wird (der investigative Journalist liebt den Graubereich, der die Phantasie anregt), und kommuniziert tatsachenbasiert mit der relevanten Öffentlichkeit.
Krisenkommunikation unter Extremsituationen lehrt die Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit als so genannte „Litigation PR“. Unterschieden wird dabei gemäß der Freund-Feind-Polarisation im Streitfall zwischen Angriffsmandat und Verteidigungsmandat.
Bei Angriffsmandaten werden die Argumente gezielt öffentlich transportiert. Damit schwingt auch eine Drohung mit: Dem Gegner droht ein imageschädigender öffentlich-medialer Prozess. Dieser Druck, der auf den Gegner ausgeübt wird, soll eine verhandlungstechnisch günstigere Ausgangslage verschaffen. Der Gegner wird in die Defensive gedrängt, sodass die öffentliche Wahrnehmung beeinträchtigt und dadurch ein Druck von außen erzeugt wird. Darüber hinaus bewirkt Druck Irritationen und Anspannungen, die zu Fehlern führen.
Auf Seiten der Verteidigung wird durch die Krisenkommunikation hingegen versucht, den Schaden zu begrenzen und entgegen zu wirken. Öffentliches Vertrauen und Akzeptanz durch die Öffentlichkeit befriedigen nicht nur das Ego, sondern sind die Grundlage für wirtschaftliche, politische und soziale Handlungsfähigkeit. Wo dieses Vertrauen schwindet, schwindet die Handlungsfähigkeit, die Krise ist dann nicht mehr kontrollierbar und es werden extreme Einschnitte notwendig. Meistens sind personelle Konsequenzen vonnöten, weil mit dem „geköpften“ Gesicht die symbolische Ebene erreicht ist.
Glaubwürdigkeit ist die wesentliche Grundlage für zielführendes Agieren in der Krise. Bestenfalls ist die Krise in ein glaubhaftes Krisenpräventionsprogramm eingegliedert. Systematische Konsequenzen geben der Krise den Anschein und das Wesen der Alltäglichkeit und Erwartbarkeit, sodass auch gesteuerte Gegenmaßnahmen authentisch sind.
Warnungen, die als Drohungen aufgefasst werden, sind allenfalls das letzte Mittel und münden potentiell in der Eskalationsspirale sowie in der gegenseitigen Destruktivität. Außer, man agiert aus einer Machtposition heraus, womit das Problem der strukturellen Macht ausgesprochen ist, das sich mit einer liberalen Gesellschaft wenig verträgt, aber zur Wirklichkeit gehört.
Wesentlich ist die ausreichende Krisenvorsorge in der ersten Phase des Krisen-Managements, die die Krise letztlich auf ein „Restrisiko“ reduziert, das nie auszuschalten ist. Ganz am Ende der Debatte, vor Gericht und vor einer kritischen Öffentlichkeit, zählt die proaktive Vorsorge. Restrisiken sind immer vorhanden.
Nur mit einem implementierten Konflikt- und Krisenmanagement sind komplexe Bauvorhaben erfolgreich zu einem Abschluss zu bringen. Oftmals sind die Fronten hart, die Verhandlungen extrem. Dann gilt es umso mehr, in Verhandlungen und in den Projekterfolg zu investieren.
Wesentlich ist wie immer eine möglichst starke Position im Prozess der öffentlichen Debatte. Dabei ist die strukturelle Macht durch den bevorzugten Zugang zu Medien und Öffentlichkeit kein Nachteil. Wenngleich es den gleichberechtigten oder gleichen Zugang in der Praxis nicht gibt. Deshalb ist die veröffentlichte Meinung nicht die öffentliche Meinung und auch nicht die objektive Objektivität.
Literatur
[1] Ansgar Thießen (Hrsgb.): „Handbuch Krisenmanagement“, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2014
[2] Bernd Kochendörfer , Jens H. Liebchen , Markus G. Viering: „Bau-Projekt-Management – Grundlagen und Vorgehensweisen“, Springer Verlag, Wiesbaden 2021
[3] Falk Würfele , Bert Bielefeld , Mike Gralla: „Bauobjektüberwachung Kosten – Qualitäten – Termine – Organisation – Leistungsinhalt – Rechtsgrundlagen – Haftung – Vergütung“, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2012
[4] Friedrich Glasl: „Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“, Haupt Verlag, Bern 2013
[5] Roger Fisher: „Das Harvard Konzept – Der Klassiker der Verhandlungstechnik“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013


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