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Nachhaltige Geotechnik und der Mangel an Sand an unseren Stränden

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Passend zur Urlaubszeit liegen wir im besten Fall an einem Strand dieser Welt und denken darüber nach, wie sich so ein besonderes Ökosystem eigentlich einstellen kann und wie verschieden die Strände dieser Welt doch sind, weiß, rot, braun, schwarz und sogar grün. Mit dieser und jener Vegetation.

Wenn wir geotechnisch tätig sind – was bei fast jedem Bauwerk der Fall ist -, in den Boden und Baugrund eingreifen, Boden ausheben, umschichten, Baugruben sichern und Fundamente und Stützmauern verwirklichen, greifen wir in Ökosysteme ein, die sich in weit größeren Zeiträumen erneuern, als es unser menschlicher Zeithorizont zu überblicken vermag.

Jedes Bauwerk muss folglich so sparsam wie möglich mit der Ressource Boden umgehen. Das ist dann abseits der vielzitierten Versiegelung nicht nur eine Frage der Geotechnik, sondern des gesamten Hochbauentwurfs: Welches Tragwerk, welche Eigenlasten, welche Werkstoffe? Der Leichtbau sowie das Bauen mit Holz versprechen einen geotechnisch schonenenden Eingriff. Das grüne Bauen ist vor allem aber auch eine Frage der Geotechnik, wo Stahlbeton für die Fundamente nun einmal weitgehend alternativlos ist und es folglich darauf ankommt, die weitreichenden Konsequenzen jeden Eingriffes in den Baugrund abzuschätzen.

Hinzu kommen vielfach geotechnische Aufschüttungen, der Einbau von Filterschichten und frostschutzsicheren Tragschichten oder der Bodenaustausch.

Aber zurück zum Strand. Am Strand werden uns die Prozesse der Sedimentation und Bodenbildung direkt und unmittelbar bewusst. Aber auch die Gefährdungen.

Besonders akut ist das Thema mit der Ressource Boden beim Mangel an Sand. Sand sedimentiert nur durch komplexe hydromechanische Prozesse. Das Stokes-Gesetz liefert zwar den hydromechanischen Hintergrund, doch nicht die geologischen und ökologischen Voraussetzungen.

Der für den Baubereich notwendige Sand muss zudem genügend Oberflächenreibung haben, was bei Fluss- und Meersand der Fall ist, nicht aber bei Wüstensand, der durch den Wind geglättet wird und dadurch bautechnisch ungeeignet ist.

An unseren Küsten lagert sich Sand in spezifischen mechanischen Prozessen ab. Als stärkste Kraft wirken die Wellen sowie die Gezeiten, die die widerstandsfähigen Felsen zertrümmern und das Sedimentationsmaterial transportieren. Wellen werden durch den Wind erzeugt.

Die Strandlinie bildet den Übergang von Meer zu Land. Die Wellen gehen vom Sturmzentrum aus, nach und nach in immer gleichmäßigere, rundere Wellen über, die so genannte Dünung. Im Bereich der Strandlinie werden die Wellen scharfkantiger und brechen in der Brandungszone und zwar dort, wo die Wassertiefe deutlich geringer ist als die Wellenlänge, weil die Wellen durch die Geländeneigung zu steil zu werden drohen und vorher der Schwerkraft nachgeben müssen. Bei steilem Gelände brechen die Wellen später als bei flachen Küsten, bei Felsküsten prallen sie an die Felsen.

In der Schwallzone, unmittelbar an der Strandlinie, brechen die Wellen erneut. Dort entsteht ein Sog, der das Material zurücktransportiert. Der Übergangsbereich zwischen Meer und Strand ist gekennzeichnet durch den Schelfbereich im Meer, den Vorstrand, bestehend aus Brandungszone, Schwallzone und nassem Strand, durch den trockenen Strand sowie den Dünengürtel.

Neben Wellen und Gezeiten charakterisieren Küstenversetzungen, also die Geomorphologie, sowie Sturzfluten als Extremereignisse die Strandbildung.

Ausgehend von Primärdünen bilden sich durch die Ablagerung von Vegetationsresten verschiedene Entwicklungsstadien von Dünen, die den Humus für eine reichhaltigere Vegetation bilden und sodann durch Vegetation gegen Erosion geschützt sind.

Durch bauliche Eingriffe und den Abbau der Dünen sind unsere Strände der Erosion ausgesetzt. Der Sand, der dann für die Idylle fehlt, muss andernorts wieder abgebaut werden. Ein Negativ-Kreislauf. Der Traumstrand ist vielfach nur noch künstlich machbar, indem Sand vom Meeresgrund auf die Strände befördert wird. Die Erosion wird dadurch erst entfacht.

Sandstrand

Wie entstehen aber Sandstrände? Durch Sedimentation aus Flussfracht oder durch Zertrümmerung von Felsen gelangen die Sandpartikel ins Meer. Bis sich ein Sandstrand vom Ursprung bis zur Ablagerung neu bildet, vergehen faktisch tausende Jahre. Ob sich dann effektiv ein Sandstrand bildet, hängt vom Wellengang und von der Wellenmechanik ab, aber auch von der Verfügbarkeit an Sedimentationsmaterial. Damit sich die feinen Sandpartikel ablagern, müssen sich nach dem Stokesgesetz entsprechend ruhige Bedingungen einstellen, die sich erst an flacheren Küsten einstellen. Bei starkem Wellengamg werden hingegen weitaus gröbere Partikel aufgewirbelt, mitgetragen und abgelagert.

Weißer Sandstrand besteht aus Kalkmineralien, gelber aus Quarz, Eisen färbt rot, schwarze und grüne Strände sind in vulkanischer Umgebung der Fall.

Daraus wird klar, dass unsere Lockerböden immer Geschichte und Geschichten materialisieren. Nicht nir an Stränden, sondern vor allem auch an vergangenen Stränden, verborgen im Baugrund, nur nicht so unmittelbar und dynamisch.

Akut ist der Sandmangel vor allem auch deshalb, weil der weltweite Bedarf an der Ressource Sand immens ist. Mit Flussregulierungen, Flusssperren sowie Entsandungen am Flussbett geht vielen küstennahen Meerbereichen der Sandnachschub abhanden.

Indem Sand in großem Stil abgebaut wird, werden aber auch empfindliche Eingriffe in das Ökosystem vorgenommen. Der Grundwasserspiegel sinkt, das Hochwasserverhalten variiert stark, Strände erodieren, die Probleme nehmen drastisch zu. Gerade quartäre Ablagerungen, die aus Kies und Sand bestehen, bilden wichtige Grundwasserleiter.

Infolgedessen nehmen der Raubbau an der Natur, der illegale Sandabbau sowie ökologisch extrem fragwürdige Sandimporte aus Fernost heute stark zu.

Das Sandproblem lösen wir nur dann, wenn wir erstens mit deutlich weniger Sand bauen, zweitens den Sand, der in Bestandsgebäuden eingebaut ist, rezyklieren. Und drittens, geotechnisch abseits von Stränden und Dünen arbeiten, die Küste schützen und dadurch auch gegen Naturgefahren vorsorgen.

Das Bauen am Strand in unmittelbarer Küstennähe befriedigt zwar die wachsenden Anforderungen des globalen Tourismus, kontrastiert aber den Küstenschutz und Umweltschutz. In diesem Sinne zerstört der Tourismus das, was er sucht, indem er es findet. Vielleicht wächst aber auch der Bedarf am grünen Tourismus.

Sand wäre als grobkörniger Boden eigentlich ein hervorragender Baugrund, weshalb er nicht nur als Zuschlagstoff im Beton, sondern auch als geotechnisches Auffüllmaterial gefragt ist. Nur nicht in den Bedingungen, die am Strand mit gleichförmigen Bodenkörnern vorliegen, bei denen aufgrund der Gleichförmigkeit keine Verdichtung und Verzahnung mit Aktivierung der Reibungsanteile möglich ist. Es kommt auf die „richtige“ Mischung an.

Literatur:

[1] Wolfgang Dachroth: „Handbuch der Baugeologie und Geotechnik“, Springer Verlag, Berlin 2017

[2] Helmut Prinz und Roland Strauß: „Ingenieurgeologie“, Springer Spektrum, Berlin 2017

[3] John Grotzinger · Thomas Jordan: „Press /Siever: Allgemeine Geologie“, Springer Nature, Berlin Heidelberg 2017

2 Antworten zu „Nachhaltige Geotechnik und der Mangel an Sand an unseren Stränden”.

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