Befasst man sich mit den Sorgen und Anliegen der Menschen im Land, wird sehr schnell klar, dass die wesentliche Konstante darin besteht, dass die übergroße Mehrheit der Menschen davon ausgeht, dass Solidarität nicht „grenzenlos“ und schon gar nicht „bedingungslos“ ist.
Nur eine winzige, aber öffentlichkeitswirksame linke Minderheit postuliert im Sinne des Klassenkampfes, Solidarität sei „gratis“ und für alle da, vom ersten Tag an, ohne Gegenleistung und ohne Verantwortlichkeit.
Solidarität ist nur über politischen Zwang unbegrenzt erweiterbar. Der Soziologe Karl-Otto Hondrich untermauert, dass sich Solidarität in Solidargemeinschaften abspiele. Solidargemeinschaften sind in erster Linie Herkunftsgemeinschaften.
Neben Herkunftsgemeinschaften existieren Willensgemeinschaften, deren Solidarität in der freien Wahl einer Gemeinschaft begründet ist. Hondrich unterstellt Willensgemeinschaften weniger solidarische Bindungen ausbilden zu können als Herkunftsgemeinschaften.
Westliche Gesellschaften stellen zunehmend weder Willensgemeinschaften, geschweige denn Herkunftsgemeinschaften dar, beziehen sich weder auf Herkunft, noch auf gemeinsame Wertsetzungen, sondern auf individuelle Ansprüche gegenüber sozialstaatlichen „Dienstleistungen“.
Herkunfts- und Willensgemeinschaften stellen nach wie vor den Kitt und den Motor des Gemeinschaftlichen dar, wenngleich sich die westlichen Gesellschaften in Auflösung befinden. An den Bruchstellen, dort wo die gegenseitige Bindung durch Überfremdung ganzer Stadtteile und Bezirke zur Disposition steht, treten Verteilungskämpfe, Entgleisungen und Aggressionen auf.
Der umstrittene Grünen-Politiker Daniel Cohn Bendit erläuterte in der „Zeit“ 48/1991 zu dieser Tendenz: „Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt“.
Andererseits, die „Ausweitung der Kampfzone“ mit dem Ziel, durch rücksichtslosen, unsolidarischen Wettbewerb und Wettkampf „Dumping“-Preise im Bereich Arbeit durchzusetzen, ist das Tummelfeld, auf dem sich multikulturelle Marxisten und internationalistische Kapitalisten treffen.
Systempolitiker sind in Bezug auf die überspannte sozialstaatliche Solidarität in nahezu jeder Fragestellung „alternativlos“ und befangen, entschuldigen die eigene Handlungsunfähigkeit mit den Verpflichtungen, die die Europäische Union setzt, unterstützen andererseits auf EU-Ebene exakt jene Politiker, die derartige Verpflichtungen durchsetzen. Die Katze – oder Schlange – beißt sich sprichwörtlich in den eigenen Schwanz.
Rechtspopulisten wirken zwar als Katalysatoren. Der Trost ist allerdings ein Schwacher, insofern am Ende als vermeintliche Lösung nicht umsetzbare Maßnahmen im Realen, sondern ausschließlich „Tiktok“-Videos ohne Substanz zur Verfügung stellen.
Veränderungen werden durch eine kulturelle Rechte vorangetrieben, die das Ziel verfolgt, die Prinzipien grundsätzlich neu zu setzen und dabei die Veränderungen auf europäischer Ebene nicht aus den Augen verliert.
Benedikt Kaiser spricht von „solidarischem Patriotismus“, man könnte aber auch von „patriotischer Solidarität“ sprechen, auf jeden Fall von einer Solidarität, die nicht grenzenlos, sondern konkret und rückgebunden ist.
Im Kampf um Solidarität und Identität wird sich unser Schicksal entscheiden. Das unterstreicht jeder Austausch mit den autochthonen Menschen im Land.
Literatur:
[1] Karl-Otto Hondrich: „Der neue Mensch“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2001
[2] Benedikt Kaiser: „Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage vonnrechts“, Edition Antaios, Steigra 2020


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