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Wer war Adolf Pichler?

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Adolf Pichler, der am 4. September 1919 in Erl geboren wurde, hätte ein ganz einfacher Tiroler „Patriot“ werden können. Doch sein Geist drang weiter.

Pichler stammte aus sehr einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Zollbeamter, wurde alle paar Jahre versetzt. Die Pichlers waren späte Nachfahren eines ehemals wohlhabenden Bauerngeschlechtes mit Ursprung in Neumarkt im Südtiroler Unterland.

Der Schriftsteller Franz Kranewitter beschreibt die Jugend Adolf Pichler mit der Einsamkeit, der junge Pichler war durch „Stand und Dialekt“ überall ein „Fremder“. Gerade aus dieser Außenseiterposition heraus entwickelte Adolf Pichler eine Tiefe, die er in seiner unmittelbaren Umgebung, im Boden, in der Vergangenheit, fand.

Dass Adolf Pichler überhaupt in Innsbruck am Gymnasium studieren konnte, lag an der Unterstützung durch Verwandte. Am Bergisel las der Junge Adolf Pichler Schillers „Wilhelm Tell“, befasste sich mit der klassischen Antike und dem Philhellenismus und interessierte sich für die verbotene Literatur, darunter für die Werke Johann Senns. Es war seine Stellung am Rande der Gesellschaft, die ihn weiter, tiefer und höher blicken ließ.

Johann Senn war es, der mit seinem leidenschaftlichen Freiheitsgefühl, für das er persönliche Opfer einzugehen bereit war, sowohl Adolf Pichler als auch Hermann Gilm in die politische Dichtung einführte. In Innsbruck verkehrte Pichler mit Johann Senn, mit dem Geologen, Arzt und Schriftsteller Michael Stötter, der ein Pionier der geologischen Erkundung Tirols war, sowie mit dem Archivar Johannes Schuler, der zu jener einer der führenden Tiroler Freiheitlichen war.

Weil ihm die finanziellen Mittel fehlten, um in Wien Medizin zu studieren, studierte Adolf Pichler vorerst Rechtswissenschaften in Innsbruck. In Innsbruck gründete er die literarischen Vereine „Eiche und Buche“ und den „Verein der Nibelungen“. Studentische Verbindungen waren in Zeiten der politischen Repression strengstens untersagt.

Erst 1842 hatte Pichler die finanziellen Möglichkeiten, um in Wien zu studieren, kam von den Tiroler Alpen in die Weltstadt. Doch Adolf Pichler wollte immer mehr, studierte neben Medizin auch noch Geschichte und Philosophie, befasste sich mit Naturwissenschaften, stand im Austausch mit literarischen Größen wie Friedrich Hebbel und Franz Grillparzer.

In Wien wurde Pichler 1845 Hauslehrer des Tiroler Juristen Andreas Gredler, der 1823 Burschenschafter wurde (Libera Germania Innsbruck), Abgeordneter zur Frankfurter Nationalversammlung, zum Reichsrat und zum Tiroler Landtag war. Gredler war es, der den Landesverteidigern Tirols 1848 nicht nur eine schwarz-rot-goldene Fahne, sondern auch Waffen schenkte. Dessen Sohn, Ludwig Gredler, wurde 1846 Mitglied einer Schulkompanie, wirkte 1848 an der Revolution in Wien mit, stand 1859 sowie 1866 als Offizier an der Tiroler Front, heiratete in Trient und verstarb auch dort.

Adolf Pichler schrieb Gedichte, wollte eine Anthologie über die Jungtiroler Dichtung verfassen, veröffentlichte aufgrund der drückenden Zensur aber nur die „Frühlieder aus Tirol“. 1848 promovierte Pichler in Medizin.

Als die Revolution nahte, entwuchs aus der Lyrik die Tat:

Das ganze Deutschland soll es sein! Der deutsche Barde hat‘s gesungen.

Adolf Pichler

Ein Volk, das seines Königs Frevel duldet

In feiger Zagheit und ihm mutig nicht

entgegenhält den Erzschild des Gesetzes

Mitschuldig wird es selbst an jedem Frevel,

und reif zur Sprache, bis es sich ermannt.

Adolf Pichler

Bereits im März 1848 war Pichler an studentischen Vorbereitungen zur Revolution beteiligt.

Als sich die Italiener in der Lombardei gegen die österreichische Herrschaft auflehnten, motivierten Italiener aus Rovereto und Trient die italienischen Freischärler, nach Norden zu drängen. Die Brennergrenze war 1848 eine kühne italienische Vision. Adolf Pichler trommelte die Tiroler Studenten in Wien zusammen. 135 Tiroler Studenten in Wien bildeten die erste Studentenkompanie. Seit 1815 war die Landesverteidigung in Tirol nämlich nur eine theoretische Angelegenheit, viel zu sehr misstrauten im Vormärz die Herrscher ihrem Volk.

Am 5. April 1848 wurde in Wien Adolf Pichler zum Hauptmann gewählt. Die Kompanie zog über Graz, Klagenfurt, Lienz, Brixen und Bozen nach Süden. In Bozen stießen Tiroler Studenten aus Graz dazu. In Bozen wurden die Studenten durch Erzherzog Johann begrüßt, der dabei war, freiwillige Tiroler Schützenkompanien als Grenzwacht zu organisieren.

Bei Storo lieferte sich die Studentenkompanie Gefechte mit den italienischen Freischärlern. Nicht alle waren in Tirol begeistert. In Umlauf gebracht wurde das Gerücht, die Akademikerkompanie würde revolutionäres Gedankengut aus Wien nach Tirol bringen. Pichler musste das Gerücht in einer öffentlichen Stellungnahme entkräftigen. Als Adolf Pichler ins Inntal zurückkehrte, erfuhr er, dass die österreichische Regierung ihn und seine Kampfgenossen polizeilich observieren ließ. Studentenverbindungen wurden behördlich aufgelöst.

1848 war im Zuge der Revolutionen die Zensur gefallen. Jetzt erst setzte jene politische Lyrik an, die in den Jahrzehnten zuvor behördlich unterdrückt wurde. Freilich war dieses kurze freiheitliche Aufblühen von kurzer Dauer. Österreich entwickelte sich zum neoabsolutistischen Staat.

Der Deutsche Bund befand sich seit 1848 im Konflikt mit Dänemark betreffend Schleswig-Holstein. Auf Druck Russlands musste Preußen Schleswig-Holstein aufgeben. Die Schleswig-Holsteiner waren auf sich alleine gestellt. Im August 1850 reiste Adolf Pichler nach Schleswig-Holstein, sicherte dem „unterdrückten kleinen deutschen Bruderstamm“ militärische Unterstützung zu, bereitetet daraufhin in Tirol ein Freiwilligen-Korps vor. Die Regierung in Tirol witterte die Pläne und gab Adolf Pichler zu verstehen, dass die entsprechenden Aktivitäten zu beenden seien, andernfalls mit Konsequenzen zu rechnen sei.

Vergeblich bemühte sich Adolf Pichler um Professuren an der Universität Innsbruck. Durch seine literaturgeschichtlichen Untersuchungen zum „Drama des Mittelalters in Tirol“ (1850) war Pichler ein anerkannter Germanist. 1851 wurde Adolf Pichler – nur – ordentlicher Lehrer am Obergymnasium in Innsbruck, wo er Deutsch und Naturgeschichte unterrichtete.

Das genügte ihm nicht. Die Anstellung als Lehrer war gut genug, um daneben allerlei Studien nachzugehen. Insbesondere befasste er sich mit Geologie und Mineralogie. In umfangreichen Wanderungen beobachtete Adolf Pichler das Gestein, sammelte Steine und erstellte geologische Karten.

„Adolf Pichler, dessen Denkmal auf dem gleichnamigen Platze inmitten der Landeshauptstadt steht, war nicht nur einer der bedeutendsten Tiroler Dichter, sondern auch ein großer Naturforscher. Tirol verdankt seiner unermüdlichen Tätigkeit auch den Ausbau und die Ordnung der geologischen Sammlung im Gebäude der Alten Universität“ schreibt Franz Zangerl im Werk „Heimatboden“.

Adolf Pichler erkundete die Nördlichen Kalkalpen, unterteilte die Trias zur Identifizierung der Gesteine in 12 Abschnitte, legte besonderen Wert auf Erkundung von Fossilien. Auf der anderen Seite befasste sich Pichler ausgiebig mit Erstarrungsgesteinen, darunter mit dem Bozner Quarzporphyr, mit dem Diorit von Klausen, dem von ihm entdeckten Diorit von Lüsen sowie mit den Basalten im Gardaseegebiet.

Gegenüber kühnen geologischen Thesen verhielt sich Adolf Pichler reserviert, bezog sich auf das Nachweisbare. Wichtig war ihm die Ausarbeitung geologischer Karten. Insgesamt widmete er der Geologie ein halbes Jahrhundert, erarbeitete unentbehrliche Grundlagen, sodass der Geologe Adolf Pichler dem Literaten in nichts nachsteht.

Geologische Karte der Innsbrucker Gegend, Adolf Pichler

Im Jahr 1855 suchte Pichler um einen Bildungsurlaub an, stattetet Alexander von Humboldt einen Besuch ab, besuchte München, Berlin, Dresden und Istrien. Zu den Klerikalen stand Adolf Pichler stets auf Distanz. Pichler wurde aufgrund eines Romans sogar wegen „religiöser Aufhetzung“ verurteilt. Die Klerikalen waren es auch, die – wie immer – durch Intrigen einen Lehrstuhl Pichlers für Geologie lange Zeit verhinderten.

Erst 1867 wurde Pichler zum ordentlichen Professor für Mineralogie und Geologie an der Universität Innsbruck ernannt, besetzte den Lehrstuhl bis zu seinem Ruhestand 1890.

Adolf Pichler begeisterte sich stattdessen für Bismarck und Preußen, bedauerte es, dass 1866 statt des deutschen Krieges nicht die Tiroler Fahne Andreas Hofers in Paris flatterte.

Tief im Fühlen, hoch im Denken; Fest bei allen Wetterschlägen; Mild dem Schwachen, stolz dem Frechen, Sollst du dich zum Manne prägen.

Adolf Pichler

Klar das Auge, stark die Hand, Treu dir selbst, dem Vaterland; Lieber brechen, als sich schmiegen; So muss Recgt und Rechtes siegen.

Adolf Pichler

Adolf Pichler gelang es in seinem literarischen Werk, die antike Klassik mit der Naturwissenschaft und Tirol zu verbinden. In seiner Poesie, so Adolf Pichler rückblickend, würden Realismus und Idealismus in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen.

Adolf-Pichler-Wohnbaus in der Müllerstraße 33 in Innsbruck

Adolf Pichler verstarb am 15. November 1900 – vor 125 Jahren – in Innsbruck im Alter von 81 Jahren. Burschenschaften und deutschnationale Studentenverbindungen hielten die Totenwache.

Ist der Tod nicht Auferstehung? Durch des Grabes offenes Tor; Schweben wir auf lichten Schwingen, Aus der Erdennot empor.

Adolf Pichler

Franz Kranewitter stellt Adolf Pichler und Andreas Hofer als die beiden Ecksteine der Freiheit Tirols dar. Der eine, Andreas Hofer, kennzeichne die gemütliche und ethische Seite, der andere, Adolf Pichler, den „erkennenden und schaffenden Geist“, einen „Bannerträger des Geistigen“. Andreas Hofer soll sich vor seinem Tode gekränkt durch Kaiser Franz gezeigt haben, Adolf Pichler wurde nach seinem Einsatz an der Südgrenze durch die staatlichen Behörden unter Polizeiaufsicht gestellt.

Adolf-Pichler-Denkmal (Wikimedia gemeinfrei)

In Innsbruck steht am Adolf-Pichler-Platz ein imposantes Denkmal für den Universalgelehrten Adolf Pichler.

Literatur:

[1] Joseph E. Wackernell & Anton Dörrer: „Adolf Pichler (1819 – 1900). Leben und Werke“,Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1925

[2] Robert von Srbik: „Adolf Pichler als Geologe“, Berichte des Naturwissenschaftlichen-Medizinischen Vereins Innsbruck, Innsbruck 1931

Eine Antwort zu „Wer war Adolf Pichler?”.

  1. Avatar von Die Verteidigung der Südgrenze Tirols 1848 – Demanega

    […] Adolf Pichler hielt zum Tiroler Grenzkampf überschwänglich fest: „Nicht als Tiroler wollen wir angesehen sein, die ausziehen, um die Marken einer Provinz zu schützen, wir sind Deutschlands Grenzsoldaten, und darum flattert die schwarz-rot-goldene Fahne vor unsern Reihen“. […]

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