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Konstruktiver Lehm-Hybrid-Bau

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Lehmbaustoffe haben in den letzten Jahren als ökologisches Baumaterial zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie zeichnen sich durch ihre Nachhaltigkeit, regionale Verfügbarkeit und bauphysikalischen Vorteile aus.

Das Faszinierende am Lehm ist der Umstand, dass der Aushub vor Ort wiederverwendet, aufbereitet oder ergänzt und folglich konstruktiv wieder eingesetzt werden kann. Anstatt Baustoffe einzusetzen, die importiert werden, wird das Lokale in Form gesetzt. Dadurch ergeben sich wesentliche Impulse für das ökologische Bauen.

Hinzu kommt nämlich, dass Lehm – ob als Stampflehm oder als Leichtlehm – bauphysikalische Eigenschaften hat, die mehr als erwünscht sind, nämlich die Atmungsfähigkeit, die Feuchteregulierung, die Wärmekapazität sowie vorteilhafte schallschutztechnische und brandschutztechnische Eigenschaften.

Damit Lehmprodukte im Bauwesen sicher und normgerecht eingesetzt werden können, sind in den Normen klare Anforderungen und Prüfverfahren festgelegt. Maßgeblich hierfür sind die Normen DIN 18945 (Lehmsteine), DIN 18946 (Lehmmauermörtel) und DIN 18947 (Lehmputzmörtel).

Die Anforderungen unterscheiden sich je nach Produktart (z. B. Lehmsteine, Mörtel oder Putze), umfassen aber im Kern folgende Merkmale:

  • Rohdichte und Rohdichteklassen geben Aufschluss über Gewicht und Tragfähigkeit der Baustoffe
  • Festigkeitseigenschaften: Dazu gehören Druckfestigkeit, Zugfestigkeit und Scherfestigkeit. Diese Parameter bestimmen die Eignung für tragende oder nicht tragende Bauteile
  • Wasserbeständigkeit: Lehm ist nicht wasserresistent. Prüfungen zur Wasseraufnahme und Tauchtests sichern die Mindestanforderungen an Dauerhaftigkeit
  • Haftfähigkeit: Bei Putz- und Mauermörteln ist die Haftfestigkeit entscheidend, um eine ausreichende Verbundwirkung mit Lehmsteinen oder Untergründen zu gewährleisten
  • Brandverhalten: Lehmbaustoffe gelten als nicht brennbar; für Konstruktionen wird der Feuerwiderstand nach DIN 4102 bzw. DIN EN 13501 ermittelt

Um die Einhaltung der Anforderungen zu sichern, sind eine Reihe von standardisierten Prüfungen vorgeschrieben:

Mechanische Prüfungen

  • Druckfestigkeit: Prüfung an Würfeln oder Zylindern unter Normbedingungen
  • Spaltzugfestigkeit: Belastung bis zum Bruch mittels spezieller Vorrichtungen (nach ARSO)
  • Stoßfestigkeit: Fallversuche aus definierter Höhe zur Beurteilung des Bruchverhaltens
  • Scherfestigkeit: Bestimmung an Mauerwerksverbänden oder Stampflehmproben nach MOHR-COULOMB

Bauphysikalische Prüfungen

  • Kapillare Wasseraufnahme: Messung nach DIN EN ISO 15148
  • Tauchprüfung: Ermittlung der Wasserbeständigkeit von Lehmsteinen (DIN 18945)

Haftfestigkeitstests

  • Für Lehmmörtel nach DIN 18947 auf Grundlage der DIN EN 1015-12

Die Normung und Prüfung von Lehmbaustoffen stellt sicher, dass diese technisch zuverlässig im Bauwesen eingesetzt werden können. Die Anforderungen an Festigkeit, Haftung, Feuchte- und Brandbeständigkeit sowie die dazugehörigen Prüfverfahren schaffen die Grundlage für eine gesicherte Qualität.

Moderne Einsatzmöglichkeiten: Moderner Lehm-Hybridbau

Man darf sich Lehm und Leichtlehm nicht (nur) als ökologischen Baustoff vorstellen, der in Altbau und Sanierung eingesetzt wird. Derzeit stehen wir auf dem Sprung in Richtung hochtechnologischem Werkstoff Lehm, der genau jene Schwächen ausgleicht, über die das Holz verfügt. Man müsste folglich von modernen Holz-Lehm-Hybridkonstruktionen sprechen.

Neben vorgesetzten Fassaden aus Lehm, Innenverkleidungen aus Lehm oder Lehmplatten, sind freilich in begrenztem Ausmaße auch tragende Bauteile aus Lehm denkbar, wobei Lehm im Vergleich zu Beton mechanisch kaum konkurrenzfähig ist.

Denken wir aber an eine moderne Holzkonstruktion oder Holz-Hybrid-Konstruktion, dann ergibt sich mit dem Lehm die Möglichkeit, dass im Bereich der Holzständerbauweise oder Skelettbauweise der Lehm zum Ausfachen der Wände, der Decken und der Dächer eingesetzt wird. Historisch betrachtet werden Lehmdecken als Wickeldecken eingesetzt, indem Lehm-Stroh-Gemische auf Staken eine Wickeldecke bilden oder Lehm auf verlorenen Schalungen als inerter Baustoff eingesetzt wird.

Videoausschnitt der Technischen Universität München: „Timber Earth Slab“

Die Technische Universität München arbeitet an dem Projekt „Timber Earth Slab – Industriell gefertigte Net-Zero Holz-Lehm-Decken für den mehrgeschossigen Holzbau“, setzt den Lehm dabei im modernen Holzbau industriell ein. Lehm und Holz treffen folglich auf die Digitalisierung und Automatisierung. Die Projektbeschreibung untermauert die Potenzialität: „Mithilfe Robotertechnik wird ein filigraner Holzgitterrost erstellt, in dessen Zwischenräumen der Lehm eingebracht und durch mechanische Verzahnung fixiert wird. Die Kombination wird durch neuartiger Materialtechnologien, welche Lehm mit geringen Wassergehalten ermöglichen, realisiert“ (Link).

Lehm birgt aber auch im Bereich der Flächenkühlung und Flächenwärmung Vorteile, indem nämlich die feuchteregulierenden Eigenschaften und die Wärmekapazität zusammenspielen. Folglich wird der Lehm zur Bauteilaktivierung eingesetzt, speichert die Wärme vergleichsweise lange, das gleiche gilt für die Kühle, und speichert die Feuchtigkeit ein.

Die Problematik liegt allgemein in der Thermodynamik: „Ein bauphysikalischer Knackpunkt bei Kühldecken ist der Raumluftfeuchtigkeitsgehalt, der sich je Grad Temperaturabsenkung um zirka 6% erhöht, und die sich daraus ergebende Gefahr einer Kondenswasserbildung. Um dies zu vermeiden, ist es Usus, die Raumluft mechanisch zu entfeuchten.“

Und weiter (Link):

„Beim Lehmklima-Kühlsystem von ArgillaTherm wird dagegen die Raumluftfeuchte durch den Einsatz von Lehmbauplatten konstant gehalten: Steigt die Raumluftfeuchtigkeit über 50%, nehmen die Tonminerale die Feuchtigkeit auf. Bei abfallender Raumluftfeuchte wird die Feuchtigkeit wieder abgegeben. Konkret rechnet der Hersteller mit folgenden Werten:

  • Zur Vermeidung des Feuchteanstiegs beim Kühlen müssen der Raumluft je 3° Kelvin 2 g/m³ Wasserdampf entzogen werden. Gleichzeitig wird so der Taupunkt automatisch mit abgesenkt.
  • Die Lehmmodule mit mindestens 35% Anteil an dreischichtigen Tonmineralien können über 500 g/m² Wasserdampf aufnehmen. Dies wurde von der Material­forschungs- und -prüfanstalt (MFPA) an der Bauhausuniversität Weimar geprüft und zertifiziert.
  • Bei der Abgabe von 100 g Wasser entstehen pro Quadratmeter 62,5 Wh Verdunstungskälte.“

Infolgedessen setzt Lehm auch im Bereich Haustechnik neue (ökologische) Maßstäbe.

Literatur:

[1] Horst Schroeder: „Lehmbau. Mit Lehm ökologisch planen und bauen“, Springer Verlag, Berlin 2019

[2] Felix Hilgert: „Bauen mit Stampflehm“, Detail Verlag, München 2025

[3] Franz Volhard: „Bauen mit Leichtlehm. Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm“, Birkhäuser Verlag, Basel 2021

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