In der klassischen Aufgabenverteilung endet die Tätigkeit vieler Bauingenieure mit der Fertigstellung des Rohbaus. Tragwerksplanung, Bewehrung, Bauablauf und Statik bilden den Kern der Verantwortung. Der anschließende Ausbau wird hingegen häufig in den Zuständigkeitsbereich von Architekten, Fachplanern und Ausführenden geschoben.
Die Trennung nach Leistungsbereichen ist zwar nachvollziehbar, im Sinne einer integralen Planung aber zunehmend überholt. Versteht sich der Bauingenieur nur als für den Rohbau zuständig, dann bleiben zahlreiche Schnittstellen innerhalb des Bauwerkes weit unterhalb ihrer Möglichkeiten.
Ein Bauwerk ist als ein ganzheitliches System zu begreifen. Der Rohbau bildet zwar das tragende Gerüst, doch erst im Zusammenspiel mit Ausbau, Gebäudehülle und technischer Ausrüstung entsteht die Gebrauchstauglichkeit. Aspekte wie Schallschutz, Wärmeschutz oder Brandschutz werden maßgeblich durch die Kombination von tragenden und nichttragenden Bauteilen bestimmt.
Wird die Planung konsekutiv aufgefasst, fühlt sich jeder Einzelne nur für seinen Leistungsbereich zuständig, dann entstehen zahlreiche Reibungsflächen an den vielfältigen Schnittstellen.
Erst wenn konstruktive, bautechnische, wirtschaftliche, funktionelle und ästhetische Ansprüche zusammenwirken, sind Optimierungen und Mehrzwecklösungen möglich.
Besonders im Hinblick auf bauphysikalische Anforderungen ist eine integrale Betrachtung notwendig. Feuchtigkeitsmanagement, Luftdichtheit, Schallübertragungswege oder Wärmebrücken lassen sich nicht isoliert lösen. Fehler entstehen häufig an Übergängen zwischen Roh- und Ausbau, etwa an Deckenanschlüssen, Fassadenanschlüssen oder Installationsdurchführungen.
Ingenieure, die sich frühzeitig mit dem fertigen Design befassen, können planerische Konflikte vermeiden und eine weitaus höhere Bauqualität sicherstellen.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Ausbau von zentraler Bedeutung. Die Auswahl von Materialien, die Ausführungsdetails und die Koordination der Gewerke beeinflussen nicht nur die Baukosten, sondern auch den späteren Betrieb und die Instandhaltung.
Darüber hinaus gewinnt das Zusammenspiel zwischen Technik und Design insgesamt an Bedeutung, denken wir etwa an multimediale Gebrauchsgegenstände oder an die Automobilindustrie, bei denen Funktionalität, Ästhetik und Nutzererlebnis vereint werden.
Moderne Architektur verlangt tragende Systeme, die gestalterische Freiheit ermöglichen, ohne die Funktionalität zu beeinträchtigen. Tragelemente werden dann minimiert und bewusst als Gestaltungselemente eingesetzt.
Ein Bauwerk muss und soll aber letztlich nicht mit einem modernen Fahrzeug vergleichbar sein. Bim Bauwerk ist es zielführend, wenn das Gebäude ganz von alleine, ohne ein Übermaß an Technik, funktioniert, zumal die Technik laufend zu erneuern ist und das bauliche Grundgerüst über mehrere Jahrzehnte nutzbar sein soll.


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