Irgendwo in Südtirol verläuft eine unsichtbare Grenze. Südlich davon werden Wurstwaren luftgetrocknet, nördlich davon werden sie geräuchert. Insbesondere beim Törggelen in Südtirol werden die Hauswürste verköstigt, verglichen und durch ein kritisches Publikum bewertet.
„Seit Jahrhunderten stehen sich nördlich und südlich der Alpen zwei Traditionen der Fleischkonservierung gegenüber. Im Norden wird Schweinernes üblicherweise geräuchert, damit es haltbar wird. Südlich des Alpenhauptkamms hingegen an der Luft getrocknet – ganz ohne Rauch. Wo genau die Grenze verläuft zwischen diesen beiden uralten Konservierungsmethoden, ist nur schwer zu bestimmen: Grenzen lassen sich bekanntlich auch überschreiten, werden bisweilen erweitert, manchmal sogar verschoben“.
Früher stand in den Küchen eine offene Feuerstelle, sodass das Räuchern von Speck und Wurst durch das Kochen von alleine vor sich ging. Der Dampf vom Kochen versorgte die Würste mit der notwendigen Luftfeuchtigkeit. In der Räucherkammer erfolgte das Räuchern hingegen gezielter.
Man sagt, die besten Südtiroler Hauswürste kommen aus dem Südtiroler Unterland. Mit Polenta (Plent) und geschmolzenem Käse ist ein typisches Unterlandler Bauerngericht zubereitet („Plent und Wurst“). Die Unterlandler Wurst wird vorwiegend luftgetrocknet.
Die Würste wurden traditionell aus Fleischresten hergestellt, es handelte sich um eine bäuerliche Resteverwertung. Die Hauswurst wird heute in der Regel aus Schweinefleisch gefertigt, weil das Fett als Geschmacksträger wirkt. Daraus folgend wird Rindfleisch bei Würsten in der Regel in Kombination mit Schweinefleisch verwertet. Das Fleisch wird durch den Fleischwolf getrieben, die „Wurstpasta“ wird mit Salz, Pfeffer, Gewürzsamen, Knoblauch und Kräutern gewürzt und im feuchten Darm, möglichst ohne Luft, verfüllt. Um die Durchlüftung zu fördern, wird der Darm in der Folge mit Nadeln durchlöchert.
Die frischen Hauswürste werden sofort verzehrt, indem diese in heißem Wasser nicht kochen, sondern rund 10 Minuten ziehen oder – besser – zuvor 2 bis 3 Tage kühl gelagert, damit diese ihr volles Aroma entfalten. Zur längerfristigen Lagerung eignen sich Einfrieren, Räuchern oder Lufttrocknen.
Die Zutaten für gute Würste sind neben frischem Fleisch und den Gewürzen die frische Bergluft. Zum Lufttrocknen ist ein geeigneter Reifekeller notwendig, der über eine hohe Luftfeuchtigkeit (Bodenfeuchte) verfügt. Daz ist es baulich natürlich vorteilhaft, in den Hang und in das Erdreich zu bauen. Baukultur trifft Geologie.
Das Schlachten und das Wursten finden traditionell im Winter statt, die Kälte macht den Kühlschrank obsolet, reicht die Feuchte im Keller nicht aus, kann ein Haufen Schnee nachhelfen.
Die Bilder aus der eigenen Kindheit vom elterlichen Labdrischhof oberhalb Salurns sind in bester Erinnerung. Gewurstet wurde in Oma Hedwigs Küche. Das Fleisch wurde durch den Fleischwolf getrieben, Onkel Herbert, Onkel Karl und mein Vater studierten die handschriftlichen Rezepte, würzten das Fleisch in den Fleischerkisten ausgiebig, die Luft war schwer vom vielen Pfeffer. Das Abfüllen im Darm war recht hektisch, die Würste wurden abgebunden und abgschnitten. Am besten schmeckten stets die ersten frischen Würste, obwohl das gar nicht stimmt. Die restlichen Würste wurden in den alten Gewölbekeller gehängt, am Boden die Glut und zuweilen ein wenig Schnee. Wenn dann die Würste zu viel schimmelten, war das Drama perfekt.
Als Faustregel gilt [2]:
- Gute Durchlüftung
- Relative Luftfeuchtigkeit von rund 80 Prozent, die die Würste vor dem Austrocknen schützt
- Konstante Temperatur von rund 10 Grad Celsius.

Rund um das Reifen, um aus den frischen Hauswürsten eine Salami heranreifen zu lassen, entwickeln sich die Geheimrezepte.
Die Bildung von weiß-grauem Schimmel ist für den Erhalt der Feuchtigkeit, die Reifung und die Geschmacksbildung wesentlich. Die Phasen unterteilen sich in die anfängliche Erwärmung auf 18 bis 26 Grad, was nützliche Bakterien anregt, die anschließende Trocknung bei ungefähr 16 Grad für einige Tage bei einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent bei stetem Luftwechsel und schließlich die Alterung bei 10 bis 12 Grad im Winter und 14 bis 16 Grad im Sommer mit einer Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent. Der Reifeprozess dauert mehrere Monate.
Literatur:
[1] Georges Desrues: „Was die Luft aus der Sau macht“, Der Standard, 06.04.2013
[2] Paul Thuile: „Pauls Wurstfibel“, Raetia Verlag, Bozen 2022


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