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Verkehrsstudie: Dreispuriger Ausbau der Pustertaler Straße

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Eine alternierende dritte Spur löst die Verkehrsprobleme entlang der Pustertalerstraße teilweise auf und hebt die Verkehrsqualität in einen annehmbaren Bereich. Kosten-Nutzen-Rechnungen sind notwendig, um die Konsequenzen zu erheben. Eine Diskussionsgrundlage.

Von Wirtschaftsseite, aber auch vonseiten der Gemeinden im Pustertal werden verkehrstechnische Lösungen gefordert, um der ständigen Überlastung der Pustertalerstraße entgegenzuwirken. Die Lage ist verzwickt: Im Gegensatz zur Schnellstraße Meran – Bozen wurde ein Ausbau der Pustertalerstraße bewusst nicht umgesetzt.

Darüber hinaus hat sich längst die Gewissheit durchgesetzt, dass der Ausbau von Straßen zusätzlichen Verkehr bewirkt. Demgegenüber wirken Überlastung und Staus beeinträchtigend bis abschreckend. Freilich wird sich ein Verkehrsaufkommen nur innerhalb bestimmter Grenzen des Wachstums ergeben und es stellt sich die Frage nach den konkurrierenden Routen.

In Betracht zu ziehen ist vor allem auch der öffentliche Verkehr, dessen Lösungspotenzial realistisch einzuschätzen ist. Alle Probleme wird der öffentliche Verkehr, auch mit verbessertem Angebot, nicht lösen. Dazu wären strukturelle Veränderungen notwendig, die individuelle Verhaltensweisen verändern, die allerdings langfristig angelegt sein müssten.

Dass ein Ausbau von Straßen tendenziell zu Lasten des öffentlichen Verkehrs geht, liegt auf der Hand. Es ist aber nicht ohne Weiteres so, dass jeder Verkehr verlagerbar ist.

Verkehrsaufkommen entlang der Pustertalerstraße SS49 bei St. Lorenzen

Die vorliegenden Betrachtungen stellen kein „Verkehrsgutachtem“ dar, wozu umfangreiche Analysen vor Ort notwendig wären. Es handelt sich stattdessen um eine Verkehrsstudie, um die Auswirkungen dreispuriger Straßenabschnitt entlang der Pustertalerstraße grundsätzlich zu erörtern und um eine Diskussionsgrundlage zu erarbeiten.

Die Verkehrsdaten der Pustertalerstraße SS49 bei St. Lorenzen ergeben den folgenden durchschnittlichen Tagesverkehr je Monat (Vergleichsdaten 2016 und 2024, Summe beider Richtungen). Daraus wird die Verkehrszunahme seit 2016 ersichtlich, die alle Monate, bis auf Dezember, betrifft:

Der Vergleich der Daten an den Zählstellen Vintl, St. Lorenzen und Welsberg verdeutlicht, dass die Verkehrsflüsse zwischen Vintl und St. Lorenzen relativ ähnlich sind, der Anteil des Binnenverkehrs zwischen St. Lorenzen und Vintl folglich gering sein wird (Durchschnittsdaten 2024, Summe beider Richtungen):

Bemessung einer alternierenden Überholspur

Zwischen 7.00 und 19.00 Uhr verkehren an der SS49 bei St. Lorenzen im Schnitt rund 50 Schwerverkehrsfahrzeuge je Stunde und Richtung. Im Schnitt verkehren schwere LKWs mit ca. 55 km/h. PKWs sind hingegen in jenen Stunden, in denen kaum ein Schwerverkehr verkehrt, durchschnittlich mit rund 75 km/h unterwegs.

Werden die mittleren Verkehrsstärken im Jahresverlauf (2024) betrachtet, wird klar, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 7.00 und 17.00 Uhr unter 60 km/h liegt. Im August 2024 liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 10 und 11 Uhr sogar unter 50 km/h.

Durchschnittsgeschwindigkeiten 2024 im Tagesverlauf [km/h]

Die Tagesspitzen betragen für den August 2024 über 1.000 KFZ pro Stunde und Richtung zwischen 17.00 und 19.00 Uhr. Zwischen 10.00 und 12.00 Uhr sind es knapp unter 1.000 KFZ pro Stunde.

Durchschnittlicher Stundenverkehr 2024 im Tagesverlauf [KFZ/h]

Verkehrt ein Langsamfahrzeug auf einem 2.000 Meter langen Abschnitt ohne Überholmöglichkeit mit 55 km/h, ergibt sich rechnerisch bei einer Verkehrsstärke von 800 KFZ pro Stunde, was dem höchsten stündlichen Verkehrsaufkommen bezogen auf den Durchschnittsverkehr im Jahr 2024, entspricht, und einer Durchschnittsgeschwindigkeit der PKW von 75 km/h, eine Kolonne von 18 Fahrzeugen.

Um diese Kolonne bei gegebenem Verkehrsaufkommen wieder abzubauen, ist bei einer Projektgeschwindigkeit, die im Überholbereich mit 80 km/h angenommen wird, eine 2.000 Meter lange Überholspur notwendig.

Literaturangaben definieren Überholspuren sinnvollerweise mit einer Länge zwischen 1.000 und 2.000 Metern.

Werden die durchschnittlichen Stundenverkehrsstärken im August 2024 angenommen, wird die Verkehrsstärke von 800 KFZ/h zwischen 10.00 und 20.00 Uhr überschritten, also in den meisten Stunden des Tages.

Wird ein Wert von 910 KFZ/h angenommen, der dem Mittelwert im August 2024 in den Stunden zwischen 10.00 und 20.00 Uhr im August 2024 entspricht, entsteht im einspurigen Bereich eine Kolonne von 23 KFZ, folglich können in einem 2.000 Meter langen Überholstreifen nicht alle KFZ das Langsamfahrzeug überholen. Notwendig wären 2.500 Meter Überholspur.

Wird hingegen die höchste stündliche Verkehrsstärke, die im Durchschnitt für den August 2024 bei 1.025 KFZ/h liegt, angenommen, wäre mit den gleichen Annahmen ein Überholstreifen von 3.350 Metern notwendig.

In der Bemessung von Straßen ist es allerdings kaum sinnvoll, Höchstwerte anzunehmen. Es gilt, ein abgestimmtes Zielniveau festzulegen.

Wahscheinliche Kolonnenlänge und notwendiger Überholstreifen

Fazit: 3-spurige Abschnitte mit 2.000 Metern Länge je Fahrtrichtung bewirken einen Abbau des Kolonnenverkehrs und tragen zu einem effizienten Verkehrsablauf bei.

Bemessung einer durchgehenden dritten Spur

Dreispurige Straßenausbauten bilden Alternativen zu vierspurigen Straßenausbauten. Alternierend entsteht ein einstreifiger Abschnitt mit Überholverbot sowie ein zweistreifiger Abschnitt mit Überholmöglichkeit. Die Abschnittslänge berechnet sich nach dem erwartbaren Fahrzeugpulk (Fahrzeugkolonne) hinter einem Langsamfahrzeug.

Eine durchgehende dritte Spur ist entlang der Pustertalerstraße in weiten Teilen technisch nicht realisierbar. Die Umfahrungstunnels sind für zwei Spuren ausgelegt. Darüber hinaus ist eine dritte Spur, was den notwendigen Raum als auch die Umwelteinwirkungen betrifft, problematisch.

Wird die Verkehrsqualität für eine Bemessungsverkehrsstärke von 800 KFZ pro Stunde für eine zweispurige Landstraße berechnet, ergeben sich mittlere Fahrtgeschwindigkeiten, die sich mit den Durchschnittswerten decken, die bei einer entsprechenden Verkehrsstärke bei rund 55 km/h liegen.

Die Bemessungsdiagramme gehen von 51 km/h aus, allerdings werden für die wesentlichen Parameter Kurvigkeit und Steigung pauschal Werte angenommen (Steigungsklasse 2 und Kurvigkeitsklasse 2).

Zur Beurteilung der Verkehrsqualität werden die Qualitätsstufen nach HBS verwendet:

Die Verkehrsqualität ist für den gegebenen Fall der Pustertalerstraße bei St. Lorenzen mit Bemessungsverkehrsstärke von 800 KFZ nicht ausreichend (Qualitätsstufe E).

Wird hingegen eine 3-spurige Straße betrachtet, die alternierend in 5 Teilstrecken je Richtung 2.000 Meter lange 3-spurige Abschnitte vorsieht, ergibt sich insgesamt eine deutliche Verbesserung mit Qualitätsstufe C und einer mittleren PKW-Fahrtgeschwindigkeit von 72,6 km/h.

Fazit: Eine alternierende dritte Spur löst die Probleme teilweise auf, indem die Kapazität abschnittsweise deutlich angehoben und Überholvorgänge ermöglicht werden. Allerdings ist in Betracht zu ziehen, dass eine Kapazitätserhöhung die Attraktivität der Verkehrsroute steigert. Die langfristigen Auswirkungen auf die Verkehrssteigerung wären mittels Verkehrswertanalysen zu prüfen. Kosten-Nutzen-Rechnungen sind notwendig, um Vorteile, Investionsumfang und Konsequenzen zu erheben und abzuwiegen. Insgesamt tragen Modellrechnungen und Analyseverfahren dazu bei, verkehrspolitische Debatten zu versachlichen.

Realistisch ist ein 3-spuriger Ausbau in Abschnitten.

Literatur:

[1] Michael Demanega: „Das Verkehrswertmodell als Grundlage für eine intelligente und transparente Verkehrsplanung am Beispiel Südtirols“, Technische Universität Wien 2017

[2] „Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen“ (HBS), Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen – Kommission Bemessung von Straßenverkehrsanlagen

[3] Werner Schnabel & Dieter Lohse: „Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung: Band 2 Verkehrsplanung“, Beuth Verlag, Berlin 2011

[4] Werner Schnabel & Dieter Lohse: „Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung: Band 1 Straßenverkehrstechnik“, Beuth Verlag, Berlin 2011

[5] Hermann Knoflacher: „Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung“, Böhlau Verlag, Wien 2007 und 2012

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