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Die geotechnische Standsicherheit von Böschungen

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Die nachfolgenden Absätze bilden die Ausführungen Karl von Terzaghis („Die Bodenmechanik in der Baupraxis“) zum Thema Standsicherheit von Böschungen ab. Es handelt sich um Zitate Terzaghis:

Jede unterhalb einer abgeböschten Geländeoberfläche oder unterhalb der abgeböschten Wände eines künstlichen Einschnittes befindliche Bodenmasse hat die Tendenz, sich unter dem Einfluss der Schwerkraft nach unten und nach vorn zu bewegen. Wenn die Scherfestigkeit des Bodens dieser Tendenz das Gleichgewicht halt, ist die Böschung standsicher_ Andernfalls tritt eine Rutschung ein.

Rutschungen in einem natürlichen Boden können durch äußere Störungen, wie Unterschneiden des Fußes einer vorhandenen Boschung oder Ausschachten einer Grube mit nicht abgestützten Wänden verursacht werden. Anderseits können sie auch ohne einen äußeren Anlass bei Böschungen, die viele Jahre hindurch stabil gewesen sind, auftreten. Rutschungen dieser Art sind entweder auf ein zeitweiliges Anwachsen des Porenwasserdruckes zurückzuführen oder auf eine fortschreitende Verminderung der Festigkeit des Bodens.

Trotz der Vielfalt der Ursachen, die eine Rutschung auslösen können, lässt fast jede Rutschung die dargestellten Merkmale erkennen. Dem Bruch geht die Bildung von Zugrissen im oberen Teil der Boschung oder hinter der oberen Böschungskante voraus. Während der Rutschung senkt sich der obere Teil der Böschungsfläche, während der untere Teil, die Zunge, sich aufbaucht. Wenn die ursprüngliche Oberfläche der Boschung eben war, wird das Profil der Geländeoberflache in der Achse der Rutschung also zu einer S-förmigen Kurve verformt. Die Form der Zunge ist im gewissen Maß von der Art der rutschenden Massen beeinflusst. Homogener Ton mit einer geringen Empfindlichkeit gegen Strukturstörungen wird sich in der Regel aufwölben. Dagegen wird ein Ton mit einer sehr empfindlichen Struktur oder Ton mit Sandlinsen, in der Regel wie eine Flüssigkeit ausfließen.

Unter dem Begriff Detritus oder Verwitterungsschutt (Hangschutt) versteht man eine lockere Anhäufung von relativ gesunden Gesteinstrümmern, die mit vollständig verwitterten vermischt sind. Der Verwitterungsschutt kann eine Decke bilden, welche eine mäßig geneigte Felsböschung in einer Dicke bis zu etwa 6 m überlagert oder er kann als Schuttkegel am Fuß eines steilen Felshanges liegen. Wenn er trocken ist oder ständig entwässert wird, ist jeder Verwitterungsschutt in der Regel so standsicher, dass die Standardböschungsneigungen ohne Schwierigkeiten beibehalten werden können. Böschungen im Verhältnis 1 : 1 sind nicht ungewöhnlich und ihre Standsicherheit wird nicht unbedingt durch Schichten beeinträchtigt, die gelegentlich Wasser führen. Es gibt jedoch wichtige Ausnahmen von dieser Regel. Der Verwitterungsschutt einiger Gesteinsarten wird durch eine Durchnässung so weitgehend verändert, das er selbst auf flachen Böschungen zu fließen beginnt, sobald seine Durchnässung ein bestimmtes Maß erreicht hat.

Aus Erfahrungen weiß man, dass Rutschungen im Verwitterungsschutt auf schwach geneigten Hängen sich nur in Schuttmassen ereignen, die aus weichen, mürben, teilweise zersetzten Bruchstücken blattriger Schiefertone oder verschiedenartiger Schiefer zusammengesetzt sind. Sie sind in Verwitterungsschuttmassen besonders häufig vertreten und enthalten Bruchstücke von Chlorit-, Glimmer- und Talkschiefer. In jeder trockenen Jahreszeit zerfallt ein Teil dieser Bruchstücke. In der darauffolgenden nassen Jahreszeit werden einige dieser Bruchstücke unter der größer gewordenen Belastung durch die Wassersättigung zerstört und übertragen ihre Belastung auf das Wasser. Die wirkungsvollste Maßnahme zur Verhinderung von Schuttrutschungen in schwach geneigten Böschungen ist eine ausreichende Entwässerung. Da die Schuttschicht jedoch gewöhnlich nur dünn ist, kann ein leichtes Schuttfließen auch durch das Einrammen von Pfählen durch das sich bewegende Material bis in den festen Untergrund aufgehalten werden. Gewöhnlich werden mehrere Pfahlreihen rechtwinklig zur Richtung des Böschungsfließens eingerammt.

Rutschungen an steilen Hängen treten weitverbreitet bei Schneeschmelze und weniger häufig bei großen Regenfallen auf. Die Art der Trümmer scheint hierbei keinen besonderen Einfluss zu haben. Nachdem eine Rutschung ausgelost ist, gleitet und rollt das wassergesättigte Material als schnell dahinfließender Schuttstrom das Tal hinunter, wobei es Felsbrocken bis zu mehreren Kubikmeter Größe mitreißt, Brücken auf seinem Weg verschiebt und sich in der Mündung des Tales fächerförmig ausbreitet. Diese Rutschungen, die als Schlamm- oder Schuttströme oder Muren bezeichnet werden, sind in hohen Gebirgsketten in allen Teilen der Welt verbreitet. Da derartige Rutschungen unabhängig von der Lagerungsdichte und den petrografischen Eigenschaften des Trümmerschuttes eintreten, und nur an steilen Böschungen, ist es wahrscheinlich, dass sie ausschließlich durch den Strömungsdruck des Sickerwassers verursacht werden. In den Alpen ist beobachtet worden, dass dem Herabkommen der Schuttstrome häufig ein Versiegen von Quellen vorausgeht, die im oberen Teil der von den Schuttmassen bedeckten Flache austreten. Dieses Phänomen lässt auf eine zeitweilige Zunahme des Porenvolumens in diesen Massen vor dem Abscheren schließen, ähnlich der Zunahme des Porenvolumens einer dichten Sandprobe vor dem Eintreten des Bruches beim Scherversuch.

Da im Verwitterungsschutt keine Rutschung ohne einen Überschuss an Wasser eintreten kann, lässt sich die Gefahr leichter Rutschungen dadurch beseitigen, dass jede zeitweilige Wassersättigung verhindert wird. Dies kann durch den Einbau einer tiefen Dränung entlang der oberen Grenze der zu schützenden Flache und durch Abdecken der Oberflache mit einer relativ undurchlässigen Bodenschicht erfolgen. In vielen Fällen wird die Dränung allein die gewünschte Wirkung haben.

Jeder ständig oberhalb des Wasserspiegels befindliche Sand kann als standsicherer Baugrund angesehen werden, in dem Einschnitte mit Standardböschungen ausgeführt werden können. Dichte und mittlere Sande sind unterhalb des Wasserspiegels gleichfalls standsicher. Rutschungen können nur in lockeren, wassergesättigten Sanden eintreten. Sie werden durch eine plötzliche Verflüssigung ausgelost, wie in Abschn. 17 beschrieben wurde. Die zur Auslosung einer Sandrutschung notwendige Einwirkung kann entweder eine Erschütterung oder eine schnelle Veränderung der Lage des Wasserspiegels sein. Wenn die Bewegung einmal begonnen hat, fließt der Sand wie eine Flüssigkeit und kommt erst zum Stillstand, wenn der Böschungswinkel kleiner als 10° geworden ist.

Da Fließrutschungen in Sand nur eintreten, wenn der Sand sehr locker ist, kann die Neigung zum Rutschen durch Vergrößerung der Lagerungsdichte des Sandes verringert werden. Dies kann auf verschiedene Weise erreicht werden, beispielsweise durch Einrammen von Pfählen oder durch Auslösen kleiner Sprengladungen an vielen Punkten innerhalb der Sandmassen.

Wenn Löß sich ständig oberhalb des Wasserspiegels befindet, stellt er einen sehr standsicheren Boden dar, der allerdings leicht durch Erosion angegriffen wird, Dagegen ist ein ständig überfluteter Löß in der Regel sehr wenig standsicher; dies ist die Folge seines großen Porenvolumens und der Auslaugung durch die Überflutung. Die Auslaugung löst die zementierende Substanz und verwandelt den Löß in eine fast kohäsionslose Masse, die nicht standsicher ist, es sei denn, dass ihre Porenvolumen weniger als 47% beträgt.

Wenn die Böschungen eines Einschnittes in einer dicken weichen Tonschicht mit der Standardneigung 1,5 : 1 angelegt werden, wird wahrscheinlich bevor der Einschnitt eine Tiefe von 3 m erreicht hat, eine Rutschung eintreten. Die Bewegung des Bodens hat den Charakter eines Grundbruches, bei dem die Einschnittsohle hochsteigt. Wenn die Tonschicht unter standsicheren Sedimenten ansteht, oder wenn sie eine steife Kruste besitzt, treten die Hebungen ein, sobald die Einschnittsohle die Oberfläche der weichen Schicht erreicht. Wird der weiche Ton dagegen in geringer Tiefe unter der Einschnittsohle durch Fels oder eine Schicht von festem Ton unterlagert, tritt der Bruch in einem Böschungsfuß- oder einem Böschungskreis ein, der die Oberfläche der festen Schicht berührt, weil die Sohle sich nicht heben kann.

Im Allgemeinen kommt die Rutschung einer Böschung in weichem Ton in einer gewissen Entfernung der Zunge vom Böschungsfuß zum Stehen. Es gibt jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Regel. Wenn die Sensitivität des Tons sehr groß ist, wird der Ton durch den Zusammenbruch seiner Struktur infolge der Durchknetung in eine dicke Suppe verwandelt. In einem solchen Ton brechen die in Bewegung geratenen Massen während des Abgleitens in SchoIlen auseinander, welche durch durchgeknetete Teile des Tons geschmiert werden. Das Gemisch aus Schollen und verflüssigtem Ton ist so beweglich, dass es wie ein Fluss selbst Hunderte von Metern auf einer fast horizontalen Fläche fließen kann. Bewegungen dieser Art werden als Tonfließen bezeichnet, obwohl ihre Ursache die gleiche, wie die der gewöhnlichen Tonrutschungen sein kann.

Fast jeder steife Ton ist von einem Netz von Haarrissen oder Harnischen durchzogen. Wenn diese Schwächungsflächen den Ton in kleine Bruchstücke von wenigen Zentimetern Durchmesser unterteilen, kann eine Boschung schon während des Bauvorganges oder kurz danach ihre Standsicherheit verlieren. Ist der Abstand der Risse dagegen größer, können viele Jahre seit der Herstellung der Böschung vergehen, ohne dass eine Rutschung eintritt. In Ton, der in kleinen Abstanden Risse zeigt, treten Rutschungen ein, sobald die Scherspannungen die mittlere Scherfestigkeit des rissigen Tones überschreitet.

Vor den Aushubarbeiten ist der Ton sehr steif und die Risse sind vollständig geschlossen. Die Verminderung der Druckspannungen während der Ausschachtung verursacht eine Ausdehnung des Tons, wodurch sich einige Risse öffnen. Dann dringt Wasser ein und weicht den Ton neben diesen Rissen auf. Durch ungleichmäßiges Schwellen entstehen neue Risse, bis die größeren Tonklumpen zerfallen und die Tonmasse in einen weichen Brei verwandelt ist, der harte Kerne enthält. Sobald die Scherfestigkeit des erweichten Tones zu klein wird, um der Schwerkraft das Gleichgewicht halten zu können, tritt eine Rutschung ein. Die meisten Rutschungen dieser Art erfolgen auf Kreisflächen, die durch den Böschungsfuß gehen. Sie erfassen einen relativ flachen Bodenkörper weil der Scherwiderstand des Tons mit zunehmendem Abstand von der freien Oberfläche sehr schnell größer wird. Das Wasser scheint nur durch die Zerstörung der Tonstruktur mitzuwirken, der Strömungsdruck scheint dagegen keine Rolle zu spielen.

Dränschlitze sind zur Verhinderung von Bewegungen in gefährdeten Abschnitten mit Erfolg angewendet worden. Sie bestehen aus Rippen aus Trockenmauerwerk, die in Graben eingebaut sind, welche die Boschung gratenartig in einem Abstand von etwa 4,5 bis 6 m durchziehen. Die Gräben werden bis in eine etwas größere Tiefe, als die Erweichungszone des Tons reicht, ausgehoben. Eine Fußmauer aus Beton stützt die unteren Enden aller Dräns ab. Die günstige Wirkung dieser Bauart wird gewöhnlich der Wirkung der Graten als Dräns zugeschrieben, aber es ist wahrscheinlich, dass die Hauptwirkung der Gräten darin besteht, einen Teil des Gewichtes der nicht standsicheren Tonmassen durch die Wandreibung auf die Fußmauer zu übertragen.

Die wichtigsten nicht homogenen Bodenarten sind geschichtete Sedimente, die aus Schichten von Sand und Ton bestehen und kohärente Boden, die unregelmäßig verteilte Sand- oder Schlufflinsen enthalten. In einem Schichtenpaket von Ton und Sand oder Grobschluff sind zumindest einige der letzteren während eines Teiles des Jahres oder ständig mit Wasser gefüllt. Wenn ein Einschnitt in einem solchen Boden ausgehoben wird, tritt an verschiedenen Punkten oder in verschiedenen Horizonten aus den Böschungen Wasser aus. Deshalb werden solche Einschnitte gewöhnlich als „nass“ bezeichnet. Sie erfordern besondere Aufmerksamkeit, insbesondere, wenn die Schichten in Richtung auf die Boschung einfallen. Die entlang der Basis der angeschnittenen Sandschichten austretenden Quellen, können Versuppungen verursachen und auch die Wirkung des Frostes kann zu Zerstörungen führen. Es ist deshalb allgemein üblich, die Wasserzuflüsse mit Dränungen abzufangen, welche auf der Sohle der wasserführenden Schichten in mindestens 1,5 m Tiefe unter der Böschung verlegt werden. Wenn die Tonschichten weich oder rissig sind, kann hierin eine weitere Ursache für das Aufweichen der Tonstruktur liegen. Daher sollte für tiefe Einschnitte eine Standsicherheitsuntersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob es ratsam ist, an der Standardböschung festzuhalten oder nicht.

Kohärente Bodenmassen, die Linsen oder Taschen von kohäsionslosen Bodenarten enthalten, sind in den Gebieten früherer Vereisung, wo die Sedimente durch schmelzendes Eis abgelagert und dann durch die Schubwirkung der zeitweilig vordringenden Gletscherzungen umgelagert worden sind, weit verbreitet. Sie werden außerdem an Stellen alter Geländerutschungen angetroffen, die in geschichteten Sand- und Tonmassen stattgefunden haben. Die Sandlinsen innerhalb des Tons dienen als Wasserbecken. In nassen Jahreszeiten können von ihnen erhebliche hydrostatische Drücke ausgehen, die eine nach außen gerichtete Bewegung der Massen, in die sie eingebettet sind, zu verursachen suchen. In dem Maß, wie die Bodenmassen sich nach außen bewegen, zerfallen sie in ein Gemisch von wassergesättigtem Schluff, Sand und Tonklumpen, das wie ein Gletscher oder wie eine dicke viskose Flüssigkeit zu fließen beginnt.

Da die Ursache der fehlenden Standsicherheit der Druck des in den Sandlinsen eingeschlossenen Wassers ist, kann eine Stabilisierung durch Entwässerungsschlitze erfolgen. Das geologische Profil ist jedoch im Allgemeinen sehr unregelmäßig und der Abstand der Dräns sollte erst festgelegt werden, nachdem der Boden und die hydraulischen Verhältnisse durch Bohrungen, Versuche und wiederholt durchgeführte Messungen des Wasserspiegels untersucht worden sind. Dies macht die Einrichtung von Beobachtungsbrunnen an ausgewählten Punkten erforderlich. Wenn das Gelände erst entwässert ist, kann es so standsicher werden, dass der Einschnitt mit Standardböschungen ausgeführt werden kann.

Literatur:

[1] Karl von Terzaghi: „Bodenmechanik in der Baupraxis“, Springer Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1951

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