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Oberirdische und unterirdische Kubatur laut Urbanistik in Südtirol

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Wenn man in Südtirol „Kubatur“ sagt, dann ist das ein Synonym für Geld. Wird Baugrund gehandelt, dann werden nicht Quadratmeter gehandelt, sondern bebaubare Kubikmeter. Dahinter steht bestenfalls ein hochwertiges Projekt, oftmals aber auch nur die Fragestellung, wie am meisten Bauvolumen herauszuholen ist, was ökonomisch berechtigt sein mag.

Korrekt wäre in deutscher Sprache natürlich der Begriff Volumen statt Kubatur, der Begriff der „Kubatur“ bezeichnet aber speziell im Bauwesen das bebaubare Volumen eines Baukörpers.

Allgemein gilt für das Bauwesen, dass unterirdische Geschossen das Bauobjekt teuer machen. Genauso gilt, dass das Bauen im Hang umfangreiche geotechnische Maßnahmen erforderlich machen, die ins Geld gehen. Andererseits heben sich diese Kosten auf, wenn unterirdische Kubatur urbanistisch nicht als Kubatur gewertet, folglich deutlich mehr gebaut und die unterirdisch entstandene Kubatur letztlich wie oberirdische Kubatur verkauft werden kann.

Das Dekret des Landeshauptmanns vom 26. Juni 2020, Nr. 241 ist eine „Verordnung zum Bauwesen“ und versteht sich als technische Spezifikation zum Landesraumordnungsgesetz „Raum und Landschaft“ 9 / 2018 und sieht (mit entsprechenden Änderungen) die Berechnungsmethode für die Kubatur vor: „Als Brutto-Baumasse wird der von der Außenhülle eines Gebäudes umschlossene Rauminhalt (hohl für voll) in seiner Gesamtheit bezeichnet. Die Baumasse gliedert sich in oberirdische Baumasse (im Gesetz auch als Baumasse, Volumen, Kubatur bezeichnet) und unterirdische Baumasse. Die in den Rechtsvorschriften und Planungsinstrumenten angeführte Baumasse ist als oberirdische Baumasse anzusehen, sofern nicht ausdrücklich als unterirdische Baumasse oder Gesamtbaumasse (hohl für voll) benannt.“

Ergänzt wird die Bestimmung um: „Als oberirdische Baumasse gilt das auf der Grundlage der Außenmaße berechnete Gebäudevolumen oberhalb der natürlichen oder genehmigten Geländelinie. Als unterirdische Baumasse gilt das Gebäudevolumen unterhalb der natürlichen oder genehmigten Geländelinie. Auch die in Hanglage verwirklichte Baumasse gilt als unterirdisch, wenn lediglich die Eingangsseite außer Erde ist. Bei teilweise unterirdischen Gebäudeteilen erfolgt die Bestimmung der unterirdischen Baumasse und der oberirdischen Baumasse über die Berechnung der mittleren Höhe (Mantelflächen der Fassadenteile außer Erde/Umfang) und der Gesamtfläche.“

Kubatur ist folglich nicht gleich Kubatur, weil als so genannte „urbanistische Kubatur“ die oberirdische Kubatur gewertet wird.

Es gilt aber auch: „Vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen im Landschaftsplan, ist in den Natur- und Agrarflächen laut Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a), b), c) und d) des Gesetzes die Errichtung von unterirdischer Baumasse für Nebenzwecke in Bezug auf das bestehende oder neu zu errichtende Gebäude zulässig. Die unterirdische Baumasse darf nicht mehr als 20 Prozent der oberirdischen Baumasse des bestehenden Gebäudes – nicht mitgerechnet wird die bestehende unterirdische Baumasse – betragen und muss unterhalb des Gebäudes oder an dieses angrenzend errichtet werden.“

Per Übergangsbestimmungen zur Regelung verschiedener Bautätigkeiten in Natur- und Agrargebieten wurde im Sinne des Landschaftsleitbildes 2022 bestimmt: „Die unterirdische Baumasse darf nur einen Nebenzweck zum Gebäude erfüllen; bei Bauten in Hanglage kann die unterirdische Baumasse unter Beachtung der Hygienebestimmungen auch dem Hauptzweck dienen, sofern sie eine bauliche Einheit mit der oberirdischen Baumasse bildet“.

Das Raumordnungsgesetz wurde mit Landesgesetz 9 vom 1. Juni 2023 in Bezug auf die Natur- und Agrarflächen abgeändert: „Die Errichtung unterirdischer Baumasse ist zulässig, sofern sie die überbaute Fläche des Gebäudes nicht überschreitet. Im Landwirtschaftsgebiet kann sich die unterirdische Baumasse zusätzlich zur Errichtung derselben auf der überbauten Fläche des Gebäudes auf eine anschließende zweimal so große Fläche ausdehnen.“ Gestrichen wurde die Begrenzung auf 20 Prozent sowie die Bestimmung, dass unterirdische Kubatur nur Nebenflächen umfasst.

Die Frage, was unterirdisch und was oberirdisch ist, ist durch Baugrubensicherungen und Bodenauffüllungen, eine relative Angelegenheit und dürfte von Gemeinde zu Gemeinde verschieden sein. Faktisch ist das Gesetz aber klar. Die Verantwortung der Gemeinden und Gemeindekommissionen ist groß. Weiters hat die Gemeinde die Verantwortung, dass Bestimmungen zur Bauweise, insbesondere zu Gestaltung, Hygiene, Sicherheit und Überwachung eingehalten werden.

Bedenkt man, dass jede neu ausgewiesene Bauzone in Südtirol zu 60 Prozent dem geförderten Wohnbau zuzuweisen ist und dass von den „freien“ 40 Prozent noch einmal 60 Prozent als „Wohnen für Ansässige“ zu konventionieren sind, dass also rund 84 Prozent einen mehr oder weniger „sozialen“ Charakter haben, dann sollte ein „leistbarer“ Preis an und für sich selbstverständlich sein.

Strategisch ist es aus Projektentwicklerseite günstig, aus der bebaubaren Kubatur möglichst viel zu machen, indem viel Kubatur unterirdisch errichtet und möglichst viele Zubehörsflächen – wie Stiegenhäuser und Gemeinschaftsflächen – nicht raumumschlossen werden. Die zu verkaufenden Flächen wie Terrassen und Balkone sind zu maximieren, diese werden nämlich in die verkäufliche Konventionalfläche einberechnet, verursachen allerdings in Relation keine ausufernden Baukosten. Demgemäß ist eine Loggia vorteilhafter als eine Terrasse oder ein Balkon, den Unterschied macht häufig eine einzige Wand, handelt es sich bei einer Loggia nämlich um einen Freiraum mit 3 Wänden. In den Konventionalwert fließt die Loggia mit 50 Prozent ein, der Balkon mit 25 und die Terrasse mit 15.

Letztlich entsteht nicht Baukultur, sondern lediglich Baukubatur. Es ist weder eine städtebauliche Planung vollzogen, noch ein architektonisches Konzept ersichtlich. Es geht damit letztlich das verloren, was sich Kultur nennt, und zwar für alle, während die Profite individuell sind.

Erläuterungen zum Landesgesetz, Arch. Johannes Niederstätter für die Berufskammern (Rundschreiben)

Eine Antwort zu „Oberirdische und unterirdische Kubatur laut Urbanistik in Südtirol”.

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