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Bodenständiges Bauen

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Wenn Martin Heidegger meint, dass wir zum Wohnen erst durch das Bauen gelangen, dann können wir umgekehrt gleichfalls behaupten, dass sich uns das Bauen erst durch das Wohnen erschließt. Das Wohnen erfassen wir dabei in seiner grundlegenden Art als die menschliche Fähigkeit, eine dauerhafte Beziehung zum Raum einzugehen. In diesem Sinne ist alles Bauen aus dem Wohnen ableitbar.

Gute Umgebungen tragen wesentlich zu einem guten Leben bei. Gute Umgebungen entstehen nicht, indem wir nur den Weg des geringsten Widerstandes gehen und die Umstände und Zufälle walten lassen.

Gute Umgebungen entstehen aus einer bewussten Gestaltung, die neben den physischen insbesondere auch die ästhetischen Bedürfnisse zu erfüllen versucht. Darin schlagen Stil und Formbewusstsein durch.

Gute Umgebungen, die von Stil, Ästhetik und gutem Geschmack durchdrungen sind, tragen zur Lebensverfeinerung, ja zur Lebenssteigerung bei. Vielleicht besteht darin der eigentliche Sinn unseres Daseins: An ausgesuchten Orten und mit ausgesuchten Menschen, in Bewusstsein unserer eigenen Vergänglichkeit, ausgewählte Stunden der Muße und der Künste zu verbringen.

Wie gut diese Welt wird, hängt auch von mir und von Dir ab.

Jeder Eingriff in die Natur erfordert eine Wiedergutmachung durch den Menschen. Nicht zuletzt im Bauen, wo jeder Eingriff nur dann legitim ist, wenn wir Baukultur anstreben und verwirklichen.

Der Boden, in den wir eingreifen, um darauf zu bauen, erfordert ebenso unsere volle Aufmerksamkeit und Anerkennung, wie der Baum, der gefällt wird, um daraus eine menschliche Behausung zu schaffen. Jörg Schlaich spricht von der notwendigen „Entschädigung“ gegenüber der Natur im Bauen, welcher nur die höchst mögliche „Baukultur“ gerecht werden könne.

Inwiefern es uns gelingt, diese Entschädigung durch Baukultur zu vollziehen, entscheidet über die Vornehmheit des Entwurfes, gewissermaßen aber auch über die Vornehmheit unserer Lebensführung.

Die Frage nach dem Bauen und in der Folge nach dem Wohnen, also nach dem Herstellen der persönlichen, materialisierten Vorstellungen im Raum, ist eine wirklich essentielle Frage, die aus dem Umstand resultiert, dass der bewohnte Raum als die erweiterte Leiblichkeit des Menschen aufgefasst wird.

Gelingt es uns im Entwurf, eine Beziehung zum Raum und zum Materiellen einzugehen, entsteht – vom Minimalen aus gedacht – ein Mehr und nicht ein Weniger. Wir ordnen unsere Ansprüche im Raum neu. Wir finden wieder zurück auf den Boden der Tatsachen, von dem wir in dieser reizüberfluteten Welt so oft abgelenkt werden. Wir definieren das Mindeste und Elementare, das wirklich wesentlich für unser Leben ist und das effektiv nicht mehr wegzudenken ist, ohne damit Lebensqualität einzubüßen. Dieses Wesentliche ist das Wertvolle.

Das geordnete Ganze ist – abseits der materialistischen Anhäufung an Dingen, die wir nicht wirklich brauchen –, stets mehr wert als die Summe seiner Teile. Die minimalistische Umgebung, in der jedes einzelne Ding in einem Verhältnis zu uns, zu den anderen Dingen, zu den Zeiten und vielleicht auch noch zu den essentiellen Bedürfnissen steht, ist mehr wert als der materielle Überfluss an Gegenständen.

Genauso ist das Gebäude – bestenfalls – mehr wert als die Summe seiner verbauten Baumaterialien. Indem das Gebaute eine äußere Form erhält, erhält es eine Bedeutung und einen Wert. Die ästhetische Gestaltung reicht weit über das Materielle hinaus. Es kommen ein Lebensgefühl und ein Anspruch zutage.

Das bodenständige Bauen, von dem hier die Rede ist, materialisiert die Bezüge, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort walten und ist das Ergebnis der jahrhundertealten Auseinandersetzung mit dem Territorium. Dieses Bauen ist von Natur aus effizient und genügt gleichzeitig auch individuellem und kollektivem Wohlgefallen.

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