Die aktuelle Weltpolitik zeigt wieder einmal auf, wie internationale Politik funktioniert: Israel und die USA bombardieren den Iran nicht als letztes Mittel diplomatischer Verhandlungen, die gescheitert wären, sondern weil sie es können.
Souverän ist, wer den Ausnahmezustand herbeiführt.
Die Angriffe Israels und der USA sind wohl kaum durch das Völkerrecht gedeckt. Zwar gesteht das Völkerrecht prinzipiell die staatliche Selbstverteidigung zu, nicht aber eine präventive Selbstverteidigung.
Mit dem Völkerrecht vereinbar ist die präemptive (zuvorkommende) Selbstverteidigung als Reaktion auf eine unmittelbar bevorstehende militärische Bedrohung, bei der das Ausbleiben eines eigenen Schlages die eigene Niederlage oder Auslöschung bedeuten würde. Der Angriff erfolgt demgemäß aus Notwendigkeit, als Akt der Verteidigung unter Zwang.
Israel und die USA bleiben den Nachweis schuldig, dass es sich mit Blick auf den Iran und dessen Atomprogramm um eine präemptive – und um keine präventive – Selbstverteidigung handelte, dass also die militärische Bedrohung – unmittelbar – bevorstand. Die Drohkulisse, die prinzipiell durch den Iran ausgeht, ist unbestreitbar. Inwiefern es sich dabei nur um Drohgebärden oder um eine effektive atomare Bedrohung handelte, ist jene Frage, der nachzugehen wäre.
Auf der anderen Seite fragt sich aber auch: Was passiert, wenn Israel und die USA den Nachweis nicht erbringen, dass die Bedrohung durch den Iran eine unmittelbare war? Natürlich nichts. Israel und die USA attackieren den Iran, weil sie es können und weil sie wissen, dass sie im internationalen Kontext weder Konsequenzen zu befürchten und sich solchen auch nicht zu beugen haben und noch weniger beugen müssen, genügend anderweitige Handlungsspielräume haben. Das kann man verurteilen, ist aber der Stoff, aus dem die internationale Politik gemacht ist.
Staaten haben letztlich zwei Interessen: Selbsterhalt und Machtausbau. Frieden resultiert weniger aus internationalen Abkommen und Rationalität, sondern entspringt dem militärischen Machtgleichgewicht. Indessen besteht im Nahen Osten aufgrund der Instabilität die Gefahr eines Flächenbrandes.
Die europäische Ermahnung, es sei auf den Verhandlungstisch zurückzukehren, ist höchstens verspäteter Moralismus. Europa ist nicht in der Lage, Bedingungen zu diktieren. Um Bedingungen zu diktieren, wären politische und militärische Macht notwendig. Europa ist aber in der derzeitigen Situation weder gewillt, Macht auszuüben, noch souveräne Außenpolitik zu betreiben, und schon gar nicht so etwas, wie eine kollektive Wehrhaftigkeit, zu fördern.
Europa hängt in seiner derzeitigen Form in weiten Teilen spätlinken Gesellschaftsutopien nach, die im internationalen Kontext überlebt sind.


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