In der Geschichte der Kriegsführung haben Staaten immer wieder versucht, dem Gegner zuvorzukommen – sei es aus echter Notwehr oder aus machtpolitischem Kalkül. Zwischen der legitimen Verteidigung in letzter Sekunde und dem strategischen Angriff zur Sicherung der eigenen Interessen liegt ein schmaler Grat. Diese Unterscheidung ist heute nicht nur eine juristische, sondern auch eine philosophische und politische Herausforderung.
Mit Blick auf den Nahen Osten stellt sich derzeit die Frage, inwiefern ein „Präventivschlag“ völkerrechtlich legitimiert sein kann.
Die UN-Charta geht in Artikel 2 von einem Gewaltverbot zwischen Staaten aus: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Inkludiert ist damit auch das Verbot, die territoriale Integrität eines anderweitigen Staates anzutasten.
Artikel 51 der UN-Charta legitimiert ein Recht auf Selbstverteidigung, welches allerdings im Rahmen eines bewaffneten Angriffes schlagend wird.
Unter präemptiver Selbstverteidigung versteht man die Reaktion auf eine unmittelbar bevorstehende militärische Bedrohung, bei der das Ausbleiben eines eigenen Schlages die eigene Niederlage oder Auslöschung bedeuten würde. Der Angriff erfolgt hier nicht aus Aggression, sondern aus Notwendigkeit, als Akt der Verteidigung unter Zwang.
Demgegenüber steht die präventive Selbstverteidigung, also der Schlag gegen einen potenziellen Gegner, lange bevor ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Diese Denkweise entspringt weniger der Not, sondern einer antizipierenden Rationalität, die den Krieg als planbares Mittel der Politik betrachtet.
Im völkerrechtlichen Kontext fehlt der präventiven Selbstverteidigung die Unmittelbarkeit und damit die Legitimation. Sie überschreitet die Schwelle vom Verteidiger zum Initiator des Krieges – ein Schritt, der nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch tiefgreifende Folgen hat.
Interessant wird infolgedessen die Bewertung, ob im Rahmen eines Präventivschlags rückblickend die objektiven Kriterien vorlagen, die eine Bedrohung als unmittelbar einstufen. Denkt man an den Begriff des „Nebels des Krieges“ bei Carl von Clausewitz, so wird klar, dass es kaum möglich sein wird, ein eindeutiges Urteil zu ziehen, weil Informationen lückenhaft, fehlerhaft und subjektiv sind.


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