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Flatterschwingungen bei Hängebrücken und Seilbrücken

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Brücken mit extrem hohen Spannweiten werden als Seilbrücken ausgeführt. Genutzt wird dabei insbesondere der Vorteil von druckbeanspruchten Tragelementen, die extrem dünn ausgeführt werden können, wozu sich – im Besonderen – hochleistungsfähiger Stahl eignet. Biegemomente machen Konstruktionen naturgemäß massiv, weil sich Druck- und Zugspannungen in ein und demselben Querschnitt ausbilden können müssen. Druckbeanspruchungen bewirken hingegen Stabilitätsversagen, sodass die Querschnitte wiederum massiver werden. Zugbeanspruchte Tragelemente können infolgedessen filigran ausfallen.

Uwe Starossek unterstreicht, dass Seilkonstruktionen aber auch für geringe Spannweiten „Eleganz und Leichtigkeit“ versprechen und dem „schönheitlichen Empfinden“ entsprechen. Interessant ist insgesamt, dass Brückenbauingenieure, ob Fritz Leonhardt oder Jörg Schlaich, sich in besonderem Maße mit ästhetischen Fragen auseinander werfen; einer Domäne, die im Hochbau den Architekten zufällt.

Hängebrücken eignen sich beim Bauen in der Landschaft gut. Die Konstruktion ist weitgehend filigran, es können auch hohe Schluchten mit relativ geringen Eingriffen überwunden werden. Darüber hinaus stellen Hängebrücken ein Erlebnis für Fußgänger dar.

Seilkonstruktionen haben viele Vorteile, von Schlankheit bis Ästhetik und Leichtigkeit, aber auch den gravierenden Nachteil, schwingungsanfällig zu sein. Die Schwingungen entstammen einerseits der Nutzung; eine Fußgängerbrücke ist so leicht, dass Fußgänger bereits Schwingungen anregen. Andererseits sind allerdings Schwingungen aus Windbelastung entscheidend. Im Bereich der Flatterschwingungen geht es nicht nur um die Gebrauchstauglichkeit, sondern auch um die Dauerhaftigkeit und letztlich um die Tragfähigkeit. Weiters werden Schwingungen durch Erdbebeneinwirkung verursacht.

Schwingungen sind auf zwei Arten möglich, wobei sich die beiden Erregungsarten gegenseitig bedingen:

  • Störinduzierungen werden durch zeitveränderliche Kräfte angeregt: Wirbelablösungen am umströmten Körper und atmosphärische Turbulenzen (Böen) führen zu Störinduzierungen. Es handelt sich um inhomogene Gleichungssysteme. Diese beeinträchtigen in erster Linie die Gebrauchstauglichkeit, aber auch die Dauerhaftigkeit einzelner Bauteile.
  • Selbstinduzierungen werden durch strukturelle Verschiebungen gesteuert: Winderregte Flatterschwingungen sind selbstinduiziert. Es handelt sich um homogene Gleichungssysteme. Flatterschwingungen können innerhalb kürzester Zeit das Bauwerk zum Einsturz bringen.

Selbstinduzierungen entsprechen einem dynamisch-aeroelastischen Stabilitätsproblem: Nach Überschreiten wächst in Analogie zum statisch-elastischen Stabilitätsproblem die Schwingungsamplitude nach Überschreiten einer kritischen Windgeschwindigkeit und nach einer kleinen Störung des Gleichgewichts unbegrenzt an.

Zur Beurteilung der Flattergefährdung ist die kritische Windgeschwindigkeit essenziell, die grundsätzlich proportional zu den Eigenfrequenzen ist. Da Seilbrücken prinzipiell geringe Eigenfrequenzen haben, gelten diese als flattergefährdet.

Die Flattertheorie stammt aus dem Flugzeugbau, womit sich gewissermaßen ein Kreis schließt, befasst sich der Bauingenieurstudent, zumindest in Trient, umfangreich mit Fluiddynamik und Aerodynamik. Die klassische Flattertheorie basiert auf einem angeströmten, dünnen Profil.

Insgesamt kann in Bezug auf Schrägkabelbrücken gegenüber Hängebrücken von einer „dynamischen Resistenz“ die Rede sein.

Schrägkabelbrücken sind grundsätzlich steifer als Hängebrücken. Starossek führt an, dass sich Schrägseilbrücken aus Dreiecksmaschen und Hängebrücken aus Vierecksmaschen konstruieren lassen. Zudem haben Schrägkabelbrücken einen geringeren Seilduchhang. Daraus ergeben sich größere Gesamtsteifigkeiten und höhere Eigenfrequenzen, sodass das Flatterverhalten günstig beeinflusst ist.

Die Eigenfrequenzen der Seile liegen im Bereich der Eigenfrequenzen des Gesamtsystems, wodurch sich Seilbrücken wesentlich von anderen Konstruktionen, etwa Fachwerkkonstruktionen, unterscheiden. Eine „interne Resonanz“ besteht in Schwingungen mit deutlicher Balkenverschiebung als auch Seilverschiebung quer zur Seilachse, so genannte „gekoppelte Eigenformen“. Diese Wirkungsweise begünstigt den Widerstand gegen Störerregungen, indem Dissipation stattfindet, beeinträchtigt allerdings die Flatterstabilität. Positiv wirkt sich die aerodynamische Dämpfung auf das Torsionsflattern aus.

Eine Systemdämpfung hat eine höhere Wirkung als eine Materialdämpfung. Im Rahmen einer Systemdämpfunghaben alle Schrägkabel oder Seile unterschiedliche Eigenfrequenzen, sodass durch Interferenz die anderen Frequenzen gestört und nicht durch Resonanz erhöht werden. Im Rahmen einer Balkenbrücke wirkt hingegen die Materialdämpfung.

Im Bereich von Schrägkabelbrücken wirkt es sich mit Blick auf das Flattern günstig aus, dass Möglichkeiten gegeben sind, Biege- und Torsionsschwingungen stark nichtaffin, also dämpfend, zu gestalten, sodass eine Kopplung zu einer gemeinsamen Eigenform erschwert ist, was Voraussetzung für Flattern ist. Die kritische Windgeschwindigkeit wird dadurch deutlich angehoben. Insofern bei einer Schrägkabelbrücke die Seilspannung verringert wird, nehmen Steifigkeit und Eigenfrequenzen ab.

Schrägkabelbrücken mit beidseitig außenliegenden Kabeln weisen eine hohe Torsionssteifigkeit auf, sodass Torsionsschwingungen minimiert werden. Die Torsionssteifigkeit wird weiter erhöht, insofern die Kabel in Querrichtung zueinander geneigt werden (A-Pylone).

Der Einsturz der Tacoma-Narrows-Brücke am 7. November 1940 war ein klassisches Beispiel für aerodynamisches Flattern – eine selbsterregte Schwingung, die durch Windströmungen verstärkt wurde. Wind strömte mit ca. 68 km/h durch die Brücke und erzeugte periodische Wirbel hinter der Struktur. Diese Wirbel führten zu einer Resonanzanregung der Brücke, die zu Biege- und Torsions-Eigenfrequenzen führte.

Durch asymmetrische Windkräfte begann die Brücke sich nicht nur vertikal zu bewegen, sondern auch zu verdrehen. Die negative aerodynamische Dämpfung führte dazu, dass jede Schwingung durch den Wind weiter verstärkt wurde (Selbstinduzierung oder Selbsterregung). Schließlich überschritten die Torsionskräfte die Belastungsgrenze des Materials. Die Brücke brach an mehreren Stellen.

Gegenmaßnahmen sind:

  1. die Aerodynamische Gestaltung des Streckträgerquerschnitts durch Minimierung der winderzeugten Kräfte
  2. Erhöhung der Biege- und Torsionssteifigkeit des Streckträgers, sodass es bei diesem im Rahmen der natürlich auftretenden Windgeschwindigkeiten zu keinen aufschaukelnden Schwingungen kommt
  3. Erhöhung der Systemdämpfung, sodass die Windenergie dissipiert wird und die Auswirkungen klein bleiben.

Literatur:

[1] Uwe Starossek: „Brückendynamik: Winderregte Schwingungen von Seilbrücken“, Vieweg und Sohn, Wiesbaden 1992

[2] Christian Petersen: „Dynamik der Baukonstruktionen“, Vieweg und Sohn, Braunschweig / Wiesbaden 2000

[3] Karsten Geißler: „Handbuch Brückenbau: Entwurf, Konstruktion, Berechnung, Bewertung und Ertüchtigung“, Ernst & Sohn Verlag, Hoboken 2014

[4] Gerhard Mehlhorn & Manfred Curbach: „Handbuch Brücken – Entwerfen, Konstruieren, Berechnen, Bauen und Erhalten“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2014

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