Der Staat verfügt gemäß italienischer Verfassung, Artikel 117, über eine ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Jede Abweichung davon bedingt eine Verfassungsänderung.
Eine effektive Landespolizei für Südtirol mit ausschließlichem Charakter würde folglich die Änderung der Verfassung bedingen.
Allerdings implementiert Artikel 117 eine Ausnahme: „ordine pubblico e sicurezza, ad esclusione della polizia amministrativa locale“, also öffentliche Ordnung und Sicherheit mit Ausnahme der lokalen Verwaltungspolizei. Daraus ergibt sich eine lokale Ausnahmesituation betreffend öffentlicher Sicherheit, nämlich die Lokal- oder Ortspolizei.
Die Polizei nimmt grundsätzlich als Exekutivorgan die Funktion der Regulierung privater Aktivitäten ein und garantiert, dass individuelle Rechte nicht die Rechte anderer Individuen beeinträchtigen. Die Ausübung der polizeilichen Tätigkeit umfasst die Sanktion.
Die Ortspolizei ist auf Staatsebene geregelt mit Gesetz 65 vom 7. März 1986 („Legge quadro sull’ordinamento della polizia locale“).
Die Tätigkeit der Ortspolizei hängt unmittelbar mit jener des Bürgermeisters zusammen. Der Bürgermeister ist der erste Ansprechpartner der Dorfgemeinschaft, wenn es um Fragestellungen der Sicherheit und Legalität geht. Die Ortspolizei ist folglich ein Instrument, um dieser Verantwortlichkeit nachzukommen.
Mit dem Gesetz 65/1986 wird die Ortspolizei hierarchisch dem Bürgermeister oder verantwortlichen Gemeindereferenten unterstellt. In Ausübung gerichtspolizeilicher Aufgaben ergibt sich eine funktionelle Abhängigkeit von der Staatsanwaltschaft.
Die Kompetenzen der Ortspolizei sehen vor, dass diese als
- Amtsperson der Gerichtspolizei
- Amtsperson der Straßenpolizei sowie
- Durch Zuweisung des Präfekten als Hilfsbeamter für öffentliche Sicherheit agiert
Allerdings ergibt sich naturgemäß eine territoriale Begrenzung.
Gemäß D.M. 145/1987 wird die Verwendung von Dienstwaffen geregelt, die für die Ortspolizei möglich, aber nicht verpflichtend ist. Detail am Rande: Das Forstkorps hat in Südtirol mehr Exekutivgewalt als die Ortspolizei.
Aufgrund der Kompetenzen kann die Ortspolizei die folgenden Tätigkeiten ausüben:
- Kriminelle Taten feststellen und die Aufgabe als Gerichtspolizei wahrnehmen: Gemäß Artikel 113 der Strafprozessordnung können alle Angehörige der Gerichtspolizei jene Tätigkeiten ausüben, die in den Artikeln 352 und 354 der Strafprozessordung aufgelistet sind: Dazu gehören die Strafverfolgung, Durchsuchungen, Hausdurchsuchungen, die Spurensicherung, die Inhaftierung sowie die Anordnung von Untersuchungshaft.
- Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung ahnden
- Durchführung von Hilfsdienstleistungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
- Feststellung jeder Art von Gesetzesverstoßen
Die Lokalpolizei befasst sich mit verwaltungs- und gerichtspolizeilichen Tätigkeiten, einschließlich verkehrs-, wirtschafts-, gesundheits-, bau- und umweltpolizeilichen Tätigkeiten; sowie alle delegierten oder auf eigene Initiative durchgeführten Ermittlungstätigkeiten und wirkt als Kriminalpolizei und im Strafvollzug.
Die Zuständigkeit für die lokale Polizeieinheit ist ausschließlich bei den Regionen und autonomen Provinzen angeordnet. Demgemäß liegt es im Ermessensspielraum der Regionen und autonomen Provinzen, Maßnahmen auf Landesebene zu setzen. Im Gesetz zur Ortspolizei im Trentino ist von „polizia provinciale“ restriktive „Landespolizei“ die Rede, um damit jene Bestimmungen zu definieren, die die Vereinheitlichung der Ortspolizei-Einheiten auf Landesebene bezeichnen-
In Italien verfügen zahlreiche Provinzen über Landespolizei-Einheiten („polizia provinciale“). Diese Polizeieinheiten, die im Wesentlichen auf der Ortspolizei aufbauen, übernehmen unterstützende Tätigkeiten in Bezug auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf Landesebene und sind auf Landeswebene strukturiert.
Das Landesforstkorps, das das Vollzugspersonal des Landesforstdienstes mit polizeilichen Befugnissen bezeichnet, ist in diesem Sinne eine Landespolizei in einem Spezialgebiet. Analoge Strukturen gibt es in den anderen autonomen Provinzen und Regionen, während in Regionen mit Normalstatut die Carabinieri diese Tätigkeit ausführen.
Zurzeit ist die Organisation der Ortspolizei in Südtirol durch ein Landesgesetz von 1993 geregelt. Seit 1993 haben sich die Rahmenbedingungen allerdings drastisch geändert.
Die Bürgermeister haben durch den Staat die prinzipielle Aufgabe im Bereich der öffentlichen Sicherheit übertragen bekommen. Seit 2008 wirken die Bürgermeister als „Garanten“ der öffentlichen Sicherheit auf lokaler Ebene und sind als Beamte der Regierung eingeordnet. Damit einher geht eine Verantwortung, die nur dann zu erfüllen ist, wenn die Ortspolizei deutlich aufgewertet wird.
Um dieser Verantwortung zu entsprechen, ist eine einheitliche Strukturierung auf Landesebene, eine einheitliche Ausbildung, ein Dienst, der den Bürgerinnen und Bürgern 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um das Leitmotiv der so genannten „partizipativen Sicherheit“, die nahe dran ist an den Bürgern und im Ernstfall schnell und effizient zu handeln in der Lage ist. Die Ortspolizei garantiert mit Blick auf Südtirol zudem die Zweisprachigkeit, die in Südtirol ein Recht ist, die aber bislang mit Blick auf die Sicherheitskräfte schwerfällt.
Verwirklicht wäre damit eine Landespolizei „light“: Ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Jetzt.
Literatur:
[1] Nicola Gallo & Tommaso F. Giupponi: „L’ordinamento della sicurezza: Soggetti e funzioni“, FrancoAngeli, Milano 2014


Hinterlasse einen Kommentar