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Legalisierung widerrechtlich errichteter Baukubatur gemäß Raumordnung in Südtirol

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Bis zum Landesraumordnungsgesetz 1970, mit dem die Baugenehmigung eingeführt und die Bauabnahme sanktioniert wurde, war Bauen auch in der freien Landschaft möglich und es wurde kaum eine Kontrolle der ausgeführten Bauwerke durchgeführt. Das Land Südtirol nahm 1972 erstmals die primäre Zuständigkeit in Sachen Raumordnung wahr.

Kauft jemand ein bestehendes Bauwerk, so bedeutet dies noch lange nicht, dass es sich um einen berechtigten Bestand handelt. Bestandsbauwerke können zwar im Grundbuch und Kataster erfasst sein, in Ermangelung einer urbanistischen Genehmigung handelt es sich aber um widerrechtlich errichtete Bauvolumen (oder Baukubatur“), für welche Verwaltungsstrafen bis Abriss vorgesehen sind.

Das aktuelle Landesraumordnungsgesetz Nr. 9 vom 10. Juli 2018 „Raum und Landschaft“ sieht Möglichkeiten zur Richtigstellung vor:

  • Artikel 95 – Nachträgliche Legalisierung von Maßnahmen, die ohne Genehmigung oder davon abweichend durchgeführt wurden: Maßnahmen ohne Baugenehmigung, davon abweichend oder mit wesentlichen Änderungen, insofern festgestellt wird, dass diese Maßnahme sowohl bei ihrer Durchführung als auch bei Einreichung des Antrages mit der Raumordnungs-, Bau-, Landschaftsschutz- und Denkmalschutzregelung konform ist und nicht in Widerspruch zu den als Entwurf beschlossenen Raum- und Landschaftsplanungsinstrumenten steht (doppelte Konformität).
  • Artikel 100 – Ausstellung der landschaftsrechtlichen Genehmigung im Nachhinein: Die nachträgliche Genehmigung der Landschaftsverträglichkeit ist auch bei Maßnahmen zulässig, die ohne landschaftsrechtliche Genehmigung oder davon abweichend durchgeführt wurden und die zur Schaffung von Nutzflächen und Baumassen oder zur Vergrößerung von rechtmäßig errichteten Nutzflächen und Baumassen geführt haben, sofern durch diese Arbeiten keine gesetzlich geschützten Gebiete beeinträchtigt werden, die besonderen Schutzmaßnahmen unterliegen (gemäß Landschaftsplan).
  • Artikel 103 – Übergangsbestimmungen: Wenn der Ist-Stand einer bestehenden Immobilie nicht mit den bei der Gemeinde hinterlegten Plänen übereinstimmt oder aus diesen nicht eindeutig hervorgeht, kann der Interessent/die Interessentin die Anpassung der Pläne an den Ist-Stand beantragen, sofern er/sie mit geeigneten Mitteln – dazu gehören auch historische Katastermeldungen – nachweist, dass die Nicht-Übereinstimmung vor Inkrafttreten des Landesgesetzes vom 20. September 1973, Nr. 38 („Abänderungen zum Sammeltext der Gesetze zur Landesbauordnung“), bestand und zum Zeitpunkt der Verwirklichung der Immobilie genehmigungsfähig war. Die Anpassung erfolgt mit Baugenehmigung und ist nur zulässig, wenn eine nachträgliche Legalisierung im Sinne von Artikel 95 nicht möglich ist. Die Eingriffsgebühr fällt in dem zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vorgesehenen Ausmaß an.

Die Legalisierung widerrechtlich errichteter Bauwerke wird auch in Italien umfangreich diskutiert. Missbräuchlich errichtete Gebäude fallen unter das Stichwort „abuso edilizio“.

Wie im Präsidialdekret 380/2001 (D.P.R. 6 giugno 2001, n. 380 Testo unico delle disposizioni legislative e regolamentari in materia edilizia) festgelegt, lassen sich je nach Schweregrad drei verschiedene Arten von Missbrauch unterscheiden:

  • Vollständige missbräuchliche Errichtung: wenn eine Baumaßnahme ohne Genehmigung der zuständigen Behörden durchgeführt wird
  • Erhebliche missbräuchliche Errichtung: Wenn die an den genehmigten Bauarbeiten vorgenommenen Änderungen erheblich sind
  • Geringfügiger Missbrauch: Fälle, in denen die gegenüber der ursprünglichen Genehmigung vorgenommenen Änderungen Elemente von untergeordneter Bedeutung betreffen, die aus städtebaulicher und baulicher Sicht nicht wesentlich sind.

Die missbräuchliche Errichtung kann daher verschiedene Arten von Eingriffen umfassen, darunter: Erweiterungsarbeiten, Erhöhungen, Abriss und Wiederaufbau, Änderung des Verwendungszwecks, Bau neuer Werke und Infrastrukturen, Anlagenmodifikation; Sanierung von Fassaden und anderes.

Zu den behebbaren Bauverstößen zählen Bauarbeiten, die unter Verstoß gegen städtebauliche und baurechtliche Vorschriften durchgeführt werden, aber nicht im Widerspruch zur Bauordnungder Gemeinde stehen und durch ein Verwaltungsverfahren korrigiert werden können.

Bauverstöße, die nicht behoben werden können, stellen die schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten dar und können nicht durch die Zahlung einer einfachen Verwaltungsstrafe beseitigt werden. Hierbei handelt es sich um Missbräuche, die im Widerspruch zum Grundsatz der doppelten urbanistischen Konformität stehen: Gemeint ist damit die Einhaltung sowohl der geltenden als auch der zum Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten geltenden Gesetzgebung.

Immobilieneigentümer, die mit nicht wiedergutzumachenden Bauverstößen konfrontiert werden, können schwerwiegende Folgen drohen, darunter: Abriss des illegalen Werkes auf eigene Kosten; Verwaltungssanktionen; Beschlagnahme des Eigentums.

Das Gesetz 105/2024 zur Umwandlung des Gesetzesdekrets 69/2024, besser bekannt als „Salva casa 2024“, enthält wichtige Vereinfachungsmaßnahmen, um die Regularisierung „geringfügiger Bauunterschiede“ und die Bauamnestie vieler interner Umbaumaßnahmen zu fördern, die ohne Titel durchgeführt werden.

Das Gesetz ist in vier thematische Abschnitte unterteilt: 1. Rechtmäßiger Zustand der Immobilien (Artikel 9-bis des Konsolidierten Gesetzes). 2. Änderungen der beabsichtigten Nutzung von Gebäuden (Artikel 10 Absatz 2 und 23-ter des konsolidierten Gesetzes). 3. Verfahren zur Behebung von Baumängeln (Artikel 34-bis und 34-ter des konsolidierten Gesetzes). 4. Anpassung der Baunormen (Dachböden, Freibau, Belegungsbescheinigung).

Gemäß Landesgesetz Nr. 9 vom 10. Juli 2018 „Raum und Landschaft“ ist in Artikel 23 die Zweckbestimmung für Bauwerke definiert:

Art. 23 (Zweckbestimmung für Bauwerke)

(1) Es werden folgende Zweckbestimmung für Bauwerke oder Teile davon unterschieden:

– Wohnen

– Dienstleistung,

– Einzelhandel,

– gastgewerbliche Tätigkeit,

– öffentliche Dienste und Einrichtungen von öffentlichem Interesse,

– Handwerkstätigkeit, Industrie, Großhandel und Einzelhandel gemäß Artikel 33 Absätze 3, 4, 5 und 7

– landwirtschaftliche Tätigkeit.

(2) Urbanistisch relevant ist die Nutzungsänderung, welche die Zuordnung eines Bauwerkes oder eines Teiles davon zu einer anderen Zweckbestimmung bewirkt. Sofern in diesem Gesetz nicht anders bestimmt, ist für jede Nutzungsänderung im Rahmen der Kategorien laut Absatz 1 eine zertifizierte Meldung des Tätigkeitsbeginns (ZeMeT) erforderlich, ausgenommen die Änderung betreffend den Einzelhandel im Gewerbegebiet.  Die zeitlich begrenzte Vermietung oder zeitlich begrenzte Nutzungsleihe von Räumlichkeiten mit der Zweckbestimmung „gastgewerbliche Tätigkeit“ zum Zwecke der Erbringung von öffentlichen Diensten oder an Einrichtungen von öffentlichem Interesse, in Abweichung auch zur etwaigen entsprechenden im Grundbuch angemerkten Bindung, bedingen keine Änderung der Zweckbestimmung.

(3) Im Mischgebiet kann die Baumasse oder Teile davon, welche nicht den Wohnungen für Ansässige vorbehalten ist, zugleich auch für Tätigkeiten der Kategorien laut Absatz 1 Buchstaben b) bis g) genutzt werden. In Gebieten außerhalb des historischen Ortskerns ist die Beherbergungstätigkeit von dieser Möglichkeit ausgenommen. Die Bestimmungen des Artikels 24 und die für den jeweiligen Wirtschaftszweig geltenden rechtlichen Voraussetzungen müssen eingehalten werden. Die gleichzeitige Nutzung für zwei oder mehrere Tätigkeiten unterschiedlicher Kategorien gemäß diesem Absatz unterliegt keiner Eingriffsgenehmigung, sofern die ursprüngliche Nutzung gemäß genehmigter Zweckbestimmung beibehalten und vorwiegend ausgeübt wird.

In Bezug auf die Änderung einer Zweckbestimmung ist Artikel 36 „Umwandlung bestehender Baumasse“ relevant:

(1) Innerhalb des Siedlungsgebietes ist die Umwandlung bestehender Baumasse in Baumasse für andere Zweckbestimmungen nach Löschung der etwaigen Bindungen  für touristische Zwecke zulässig, soweit mit den geltenden Planungsinstrumenten vereinbar. Im Fall baulicher Eingriffe laut Artikel 62 Absatz 1 Buchstaben c) und d) kann in Mischgebieten die bestehende Baumasse mit Zweckbestimmung Wohnen, Dienstleistung oder Einzelhandel laut Artikel 23 Absatz 1 Buchstaben a), b) und c) im Rahmen der genannten Zweckbestimmungen umgewandelt werden. Die von der Umwandlung betroffene Baumasse unterliegt der Regelung laut Artikel 38. Innerhalb eines Gebäudes müssen mindestens 60 Prozent der Baumasse zur Wohnnutzung bestimmt bleiben.

Eine Antwort zu „Legalisierung widerrechtlich errichteter Baukubatur gemäß Raumordnung in Südtirol”.

  1. Avatar von Sanierung von Bausünden in Südtirol: Das Dekret „Salva casa“ – Demanega

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