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Der Städte- und Quartierplaner Christoph Kohl: Heimat und Heimaten

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Der luxemburgische Architekt und Stadtplaner Rob Krier studierte Architektur an der TU München, arbeitete bei Frei Otto, übernahm sodann Lehrtätigkeiten an der Universität Stuttgart, an der École polytechnique fédérale de Lausanne und an der TU Wien und eröffnete 1976 ein Büro in Wien, das er 1993 nach Berlin verlegte. 1993 wurde die Büropartnerschaft mit Christoph Kohl eingegangen. 2010 übernahm Christoph Kohl, Kriers Schwiegersohn, das Büro CKSA.

Rob Krier ist ein wesentlicher Vertreter der Postmoderne [1]. Die Postmoderne plädierte in einer durch die Bauwirtschaft geprägten Architektur auf den Rückruf eines narrativen Elements. Im Städtebau versuchte Krier sich auf historische Vorbilder zu stützen.

Dessen Bruder Léon Krier st ein führender Vertreter der Neuen Urbanität und des Neuen Klassizismus, die sich gegen die moderne Architekturbewegung wenden und eine Rückkehr zu traditionellen, nachhaltigen und menschlichen Maßstäben in der Stadtplanung fordern.

Christoph Kohl wurde 1961 in Bozen geboren, studierte Architektur an der Universität Innsbruck und an der Technischen Universität Wien und schloss sein Studium 1988 an der Università Iuav di Venezia in Venedig ab. Irgendwann hätte sich der Schwerpunkt von der Architektur zur Stadtplanung verlegt, so Kohl, der als Vertreter des New Urbanism bezeichnet werden kann. Die Prinzipien hätte er nicht aus Lehrbüchern übernommen, sondern aus Einsichten und Erfahrungen.

New Urbanism (auf Deutsch oft als Neuer Urbanismus oder Neue Urbanität bezeichnet) ist eine städtebauliche Bewegung, die sich für lebenswerte, fußgängerfreundliche und gemischt genutzte Stadtviertel einsetzt – im Gegensatz zur zersiedelten, autoorientierten Stadtentwicklung vieler Nachkriegsjahrzehnte. Prinzipien sind:

Fußgängerfreundlichkeit – Die meisten Ziele sollen innerhalb von 10 Gehminuten erreichbar sein.

Gute Vernetzung – Ein durchlässiges Straßennetz (oft in Gitterstruktur), das den Verkehr verteilt und die Orientierung erleichtert.

Nutzungsgemisch und soziale Vielfalt – Wohn-, Arbeits-, Einkaufs- und Freizeitnutzungen werden kombiniert; unterschiedliche Einkommensgruppen wohnen im gleichen Quartier.

Hochwertige Architektur und Gestaltung – Menschengerechtes Design, Ästhetik und Identität stehen im Vordergrund.

Traditionelle Nachbarschaftsstruktur – Mit klar definierten Zentren, öffentlichen Plätzen und wichtigen Gebäuden an zentralen Orten.

Nachhaltige Mobilität – Förderung des öffentlichen Verkehrs, des Radfahrens und des Zufußgehens. Ökologische Nachhaltigkeit – Energieeffiziente Bauweise, Erhalt von Grünflächen und kompakte Siedlungsformen.

Der New Urbanism ist die Gegenbewegung zur modernistischen „Charta von Athen“, welche 1933 unter Le Corbusier die funktionsgetrennte, funktionslistische Stadt forcierte und dadurch Stadtgefüge nachhaltig zerstörte.

Christoph Kohl ist das „Denken in Quartieren“ zentral. Folglich hebt er den Planungsmaßstab vom einzelnen Gebäude auf ein lebenswertes und vitales Quartier, also auf jenen Raum, der die eigene Wohnumgebung ausmacht. Die Planung an Stadtquartieren ist Kohls Hauptschwerpunkt.

„Schon sehr früh habe ich auf die Frage nach meiner beruflichen Leidenschaft geantwortet, dass ich versuche, Heimat(en) zu bauen. Dieses Bauen von Heimat, für andere, hat auch mit meinem eigenen, des Studiums und der Arbeit wegen ausgewanderten Südtiroler, selbstgewählten Heimatverlust zu tun. Oft wurde das als eine geradezu rührselige, aus einem Architektenmunde unerwartete Antwort empfunden. Dass es Heimat aber nicht nur dort gibt, wo man herstammt, dass man Heimat durchaus auch gestalten und bauen kann, dieser Überzeugung habe ich mich die vergangenen 30 Jahre leidenschaftlich gewidmet. Nämlich den Menschen, die sich ein neues Zuhause zulegen wollen und dies innerhalb eines Neubauquartiers zu tun gedenken“ schreibt Christoph Kohl [2].

Anlässlich eines Arbeitsgesprächs in Bozen meine Christoph Kohl im letzten Jahr mit Blick auf das knappe Bauland in Südtirol: Sind Äpfelbäume wirklich wichtiger als Wohnraum für junge Südtiroler?

Christoph Kohl hat inspiriert. Dessen Lebensmittelpunkt lag zwar in Berlin, doch residierte er zeitweise am Ritten, beteiligte sich auch an Südtiroler Quartiers- und Wohnbauprojekten.

Am 10. April ist Christoph Kohl unerwartet in Berlin verstorben. Es erwartet ihn die ewige Heimat. An Heimaten arbeitete er sein Leben lang.

Literatur:

[1] Heinrich Klotz: „Revision der Moderne. Postmoderne Architektur 1960–1980“, Ausstellungskatalog des Deutschen Architekturmuseums, Prestel, München 1984

[2] Christoph Kohl: „1993 – 2023: 30 Projekte aus 30 Jahren“, CKSA, Berlin 2023

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